Dienstag, 26. März 2024

anscheinend/scheinbar

Zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“ besteht ein Bedeutungsunterschied, genau wie zwischen „Anschein“ und „Schein“. Das eine scheint wahr zu sein, das andere trügt. „Anscheinend“ kommt von „Anschein“ und bedeutet „vermutlich“, „wahrscheinlich“, „wie es aussieht“:

  • Anscheinend ist der Kollege krank.
  • Anscheinend hat keiner zugehört.
  • Anscheinend hat der Chef mal wieder schlechte Laune.

„Scheinbar“ hingegen kommt vom „Schein“ und beschreibt etwas, das nur dem Schein nach, nicht aber tatsächlich so ist:

  • Scheinbar interessierte er sich mehr für die Nachrichten (in Wahrheit wollte er bloß seine Ruhe haben)
  • Scheinbar war der Riese kleiner als der Zwerg (weil der Zwerg ganz weit vorne stand und der Riese ganz weit hinten)
  • Scheinbar endlos zieht sich die Wüste hin
  • Brutus war Cäsar scheinbar wohlgesinnt.

Das Wissen um den Bedeutungsunterschied zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“ ist nicht sehr weit verbreitet. Meistens wird „scheinbar“ in der Bedeutung „anscheinend“ (d. h. allem Anschein nach) gebraucht.  

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5 Kommentare

  1. Peter Heinrichs

    Lieber Bastian Sick,
    ich frage mich, ob es das Wort „anscheinend“ in der deutschen Sprache überhaupt noch gibt. In allen Radio und TV-Sendern, in allen Filmsynchronisationen, Werbespots Politikerreden und sogar in den hochoffiziellen Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sender existiert anscheinend nur noch das Wort „scheinbar“. Dabei verändert dieses Wort in mindestens 80% der Fälle die Aussage in ihr glattes Gegenteil.
    Inzwischen ruft unsere ganze Familie immer schon automatisch „anscheinend!“, wenn wieder das falsch angewendete „scheinbar“ erklingt.

    Ist der Bauchschmerz bei falschem Deutsch eigentlich eine von der Kasse anerkannte Krankheit?
    Mit freundlichem Gruß, Peter Heinrichs

  2. Dr. Diether Steppuhn

    Ich lernte in meiner Schule zur Unterscheidung der beiden Begriffe diesen Merksatz:

    „Scheinbar“ und „anscheinend“ sind nur scheinbar dasselbe, was an-scheinend viele nicht wissen.

    Ich wundere mich, dass solche einfachen Merksätze nicht mehr gelehrt werden…

    Wer „scheinbar“ sagt, weiß nämlich, dass es sich in Wirklichkeit anders verhält; wer „anscheinend“ sagt, weiß nicht, wie es sich wirklich verhält. Beispiel: Man sitzt im Zimmer bei geschlossenen Jalousien und hört es draußen tröpfeln. Weiß man, daß die Dame im Stockwerk drüber wieder einmal ihre Balkonblumen gießt und dabei nicht aufpasst, sagt man „Scheinbar regnet es“; weiß man nicht, warum es draußen tröpfelt, sagt man: „Anscheinend regnet es“…

    • Zum Auseinanderhalten gibt es auch den schönen Satz:
      Der Mann, der scheinbar ein Kaninchen aus dem Hut zieht, ist anscheinend ein Zauberer.

    • @Dr. Diether Steppuhn
      „daß“ gibt es allerdings seit 1996 auch nicht mehr.

    • Herr Dr. Diether Steppuhn,

      ich finde es gut, daß Sie an den schönen Merksatz erinnern.
      Ich schreibe übrigens schon aus Protest gemäß der alten
      Rechtschreibung und dies sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Schriftverkehr.

      Beste Grüße

      Thomas Riem

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