Donnerstag, 18. April 2024

Wie baut man einen Türken?

Woher stammt das Wort „getürkt“? Hat es wirklich etwas mit Türken zu tun? Darf man es überhaupt verwenden, oder bedient man damit womöglich ein unschönes Klischee? Leser stellen Fragen, der Zwiebelfisch gibt Auskunft.

Frage einer Leserin:

Immer wieder stolpere ich in der Presse über die Bezeichnung „getürkt“, wenn es um Betrug und Fälschung geht. Zum Beispiel in einem Artikel über einen ins Zwielicht geratenen deutschen Wissenschaftler. Darin heißt es: „Zunächst für den Nobelpreis vorgeschlagen und dann zum Scharlatan erklärt: Nach zehn Jahren verliert ein Bonner Chemiker seinen Doktortitel wegen getürkter Experimente.“ Dafür hätte ich gerne eine verständliche Erklärung. Nicht dafür, dass man dem Chemiker den Titel aberkennt, sondern für die Verwendung des Wortes „getürkt“. Man will doch nicht allen Ernstes Türken mit Fälschern gleichsetzen?

Antwort des Zwiebelfischs:

Der Ausdruck „etwas türken“ geht zurück auf die Redewendung „einen Türken bauen“ (älter auch: einen Türken stellen) und bedeutet tatsächlich „fälschen“, „fingieren“. Im Herkunftswörterbuch aus dem Dudenverlag steht, dass die Etymologie des Wortes trotz aller Deutungsversuche ungeklärt sei. Zwei dieser Deutungsversuche findet man im „Lexikon der populären Sprachirrtümer“ von Walter Krämer und Wolfgang Sauer.*

Dort heißt es, dass bei der Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals (damals noch „Kaiser-Wilhelm-Kanal“ genannt) im Jahre 1895 alle durchfahrenden Schiffe mit der jeweiligen Nationalhymne ihres Landes begrüßt wurden. Als ein Schiff mit der Fahne des Osmanischen Reiches auftauchte, war der Dirigent ratlos, denn man hatte keine Noten einer türkischen Hymne. Um nicht unhöflich zu erscheinen, intonierte das Orchester stattdessen „Guter Mond, du gehst so stille“ – inspiriert vom Halbmond auf der Fahne. Daraus soll sich die Redensart „einen Türken bauen“ entwickelt haben.

Die andere Erklärung geht ins 18. Jahrhundert zurück und bezieht sich auf einen Schachautomaten, den ein gewisser Baron Wolfgang von Kempelen gebaut hatte. Dabei handelte es sich um eine Art Kommode, an die eine orientalisch gekleidete Puppe montiert war. Dieser Automat gewann fast alle Partien, aber freilich nicht durch Zauberei, sondern durch einen raffinierten Trick: Im Inneren hielt sich ein Schachmeister versteckt, der seine Figuren über Hebel bewegte. Nachdem der Schwindel aufgeflogen war, wurde der Ausdruck „einen Türken bauen“ zum Sinnbild für „tricksen“ und „fälschen“.

Ob eine dieser Erklärungen der tatsächlichen Herkunft des Wortes „türken“ entspricht, ist nicht erwiesen. Sicher ist jedoch, dass „türken“ nichts mit einem Völkerklischee zu tun hat. Der Ausdruck gilt allerdings als umgangssprachlich, von seiner Verwendung in Nachrichtentexten ist daher abzuraten.


*Krämer, Walter/Sauer, Wolfgang: „Lexikon der populären Sprachirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001.

 (c) Bastian Sick 2005


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.

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