Donnerstag, 18. April 2024

Deutch ins Grundgesätz!

Immerzu lese ich dieser Tage, die CDU habe beschlossen, die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen. Da wundere ich mich doch: Ist das Grundgesetz denn gar nicht in deutscher Sprache verfasst? Und wird man jetzt bestraft, wenn man etwas cool findet?

Im November 2008 hat die CDU auf einem Parteitag in Stuttgart beschlossen, ein Bekenntnis zur deutschen Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen. Mit großer Mehrheit, wenn auch nicht einstimmig. Angela Merkel war dagegen. „Ich persönlich finde es nicht gut, alles ins Grundgesetz zu schreiben“, sagte sie dem RTL-„Nachtjournal“ und fuhr fort: „Wir haben jetzt Anträge auf Kultur, auf Sport, auf die Frage der Familien, auf die deutsche Sprache jetzt, und wir müssen aufpassen, dass das jetzt nicht inflationiert.“

Was hier und jetzt schon mal inflationierte, ist der Gebrauch des Wortes „jetzt“. Davon abgesehen mögen die Überlegungen der Kanzlerin nicht ganz von der Hand zu weisen sein. Ich wüsste auch noch ein paar weitere schützenswerte Dinge, von denen im Grundgesetz kein Wort steht. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Schutz des Gehörs vor Lärm? Das Ohr ist ein überaus empfindliches Organ, und doch wird es immer stärker strapaziert, durch Handy-Klingeltöne, ständig piepende Elektronik in den Autos, und — ganz schlimm — durch Laubpüster! Die unsinnigste Erfindung überhaupt!

Doch bleiben wir sachlich: Auch die Befürworter des CDU-Antrags haben verständliche Argumente. Die deutsche Sprache ist zweifellos unser wertvollstes Kulturgut und verdient es, geschützt zu werden. Doch dann stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie ist die deutsche Sprache überhaupt definiert? Wer sagt und schreibt vor, was Deutsch ist und was nicht? Würde ein Bekenntnis zur deutschen Sprache im Grundgesetz zur Folge haben, dass die Verwendung englischer Begriffe wie Feedback, Meeting, Catering und Laptop künftig strafbar wird? Wie sag ich dann zu meinem Toaster? Bekommen Schüler demnächst Strafpunkte, wenn sie etwas cool finden?

Komisch eigentlich, dass gerade Angela Merkel gar nicht dafür gestimmt hat. Ein grundgesetzliches Bekenntnis zur deutschen Sprache würde ihr doch einen perfekten Grund liefern, sich die englisch klingende Anrede „Angie“ [Ändschie] ein für allemal zu verbitten. Aber vielleicht hat sie sich selbst schon so daran gewöhnt, dass sie die „Angie“ nicht mehr missen mag.

„Deutschpflicht findet immer mehr Führsprecher“, titelte eine Tageszeitung vor einiger Zeit. Das gab mir zu denken. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn die Verpflichtung zu einer korrekten Rechtschreibung in unseren Zeitungsredaktionen und Werbeagenturen mehr Fürsprecher fände.

Deutsch steckt doch schon im Grundgesetz — wie überhaupt in allen Gesetzen, die in unserem Lande gelten. Das ist allerdings nicht immer offenkundig. Denn Gesetze werden von Juristen formuliert, und die haben bekanntlich ihre eigene Sprache; Amtsdeutsch wird sie genannt. Darin gibt es Wörter wie „Lastschrifteneinzugsverfahren“, „Körperschaftsteuerrückstellung“, „Nahrungsergänzungsmittelverordnung“ oder „Kostenzusageübernahmeerklärung“, und nicht zu vergessen die schwunghaft diskutierte „Personenvereinzelungsanlage“ (behördendeutsche Umschreibung für „Drehkreuz“) und das „raumübergreifende Großgrün“ (amtliche Definition von „Baum“). Muss man so etwas auch noch durch das Grundgesetz schützen?
Einige Kritiker halten den CDU-Beschluss für ausländerfeindlich. Dabei dürfte jedem, der halbwegs vernünftig denken kann, klar sein, dass es nicht die Migranten sind, die die deutsche Sprache bedrohen. Wenn irgendjemand einen Sprachverfall in deutschen Landen zu verantworten hat, so sind es wir Deutschen selbst — allen voran unsere Politiker.

Die haben durch unsinnige Reformen und Einsparungen im Bildungswesen maßgeblich dazu beigetragen, dass der Deutschunterricht an vielen Schulen nur noch als Notprogramm durchgeführt wird. Und Werbung und Industrie vermitteln den Kids das Gefühl, dass es sowieso egal ist, wie man schreibt. Zur Not gibt’s ja immer noch das Rechtschreibkorrekturprogramm.

Mein Freund Henry sieht das Ganze recht gelassen. „Mich wundert dieser Vorstoß der CDU gar nicht“, sagte er mir. „Im Grundgesetz wird schließlich alles Mögliche geschützt. Selbst der Konjunktiv!“ — „Wie bitte? Der Konjunktiv wird durch das Grundgesetz geschützt?“, fragte ich ungläubig. „Ja!“, entgegnete Henry, „dort heißt es doch gleich zu Beginn: Das ,Würde‘ des Menschen ist unantastbar!“

(c) Bastian Sick 2008


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 4“ erschienen.

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