Mittwoch, 27. März 2024

Mann Gottes und des Genitivs

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Dass sich der Genitiv im Deutschen bis heute gehalten hat, ist vor allem einem Mann zu verdanken: Dr. Martin Luther. Ohne Luther wäre der 2. Fall womöglich längst aus unserer Sprache verschwunden, so wie im Englischen und im Niederländischen, wo man ihn allenfalls noch unter dem Etikett »historisch« kennt. 

Ein Leser hat sich vorgenommen, bis zum 500. Reformationstag im Jahr 2017 die gesamte Bergpredigt nach der Lutherbibel auswendig zu lernen. Und er hofft, noch 499 andere zu finden, die es ihm gleichtun. Darüber laufe schon jetzt eine Wette, schrieb er mir. Zu dumm, dass »Wetten, dass ..?« inzwischen eingestellt worden ist. Die Sendung hätte sich des Themas bestimmt gern angenommen, wenn auch nur in gekürzter Form, denn die Bergpredigt umfasst drei Kapitel des Matthäus-Evangeliums, das ist eine Menge Text.

Grundsätzlich halte ich das Auswendiglernen von Gedichten, Volksliedern und Klassikern der Literatur für eine produktive Form der Auseinandersetzung mit Kultur. Man kann sich natürlich fragen: Warum ausgerechnet die Bergpredigt? Darin ist zwar von Seligpreisung, Vergebung und Versöhnung die Rede, doch geht es auch recht dogmatisch zu: »Wer also ein noch so unbedeutendes Gebot übertritt … der wird in der neuen Welt Gottes der Geringste sein«, heißt es in Kapitel 5, Vers 19. Und ein paar Verse später: »Wer sich von seiner Frau trennt …, der zerstört ihre Ehe. Und wer eine Geschiedene heiratet, wird zum Ehebrecher.«So lesen wir es jedenfalls in der heutigen, überarbeiteten Ausgabe der Lutherbibel. Im Originaltext aus dem 16. Jahrhundert las sich vieles noch anders. Da wurde nicht gezürnt, sondern gezörnt. Und nicht beschuldigt, sondern beschüldigt. Und die Hölle war keine finstere Hölle mit »ö«, sondern um einiges heller: Wer »schüldig« war, der kam »in die Helle«.

Anderen winkte dafür Seligkeit: den Friedfertigen, den »Barmhertzigen« und den »Senfftmütigen«. Sanftheit wurde zu Luthers Zeiten offenbar noch mit Senf gemacht. Das Kämmerlein war ein Kemmerlin, und wenn man sich darin zurückzog, um zu beten, so empfahlen Luthers Worte: »Schleus die Thür zu.«

Es gab noch keine Dehnungsbuchstaben, dafür viele »th« und Doppel-»f« (»Und wer da anklopfft / dem wird auffgethan.«). Und manche Endung, wie sie uns heute seltsam erscheint: »Auge umb auge, Zan umb zan.«

Das Pronomen »du« verschmolz bei Luther gern mit dem Verb: »Sollst du« wurde zu »soltu« und »siehst du« wurde zu »sihestu«: »Wenn du betest / soltu nicht sein wie die Heuchler« – »Was sihestu aber den Splitter in deines Bruders auge / und wirst nicht gewar des Balcken in deinem auge«.

Luther orientierte sich übrigens am sogenannten Meißner Kanzleideutsch, der Amtssprache im sächsischen Kurfürstentum. Diese wiederum hatte mehr mit der höfischen Dichtung des späten Mittelalters zu tun als mit der gesprochenen Sprache der Sachsen. Daher ist die Behauptung, Luther habe Sächsisch zum Standard für ganz Deutschland gemacht, nu nu, nur bedingt zutreffend. Dennoch findet man in Luthers Schriften das eine oder andere Wort, das eine gewisse regionale Prägung verrät. »Trauben« waren bei ihm zum Beispiel »Drauben«, so wie sie in Sachsen noch heute genannt werden.

Der Konjunktiv war bei Luther ebenso lebendig wie der Genitiv: »Was hülffs den Menschen / so er die gantze Welt gewünne / Und neme doch schaden an seiner Seele?«, heißt es in Kapitel 16 des Matthäus-Evangeliums, und in Kapitel 12: »Wes das Hertz vol ist / des gehet der Mund über«. Der Gedanke, dass seine Landsleute mit Konjunktiv und Genitiv überfordert sein könnten, kam Luther nicht. Im Unterschied zu vielen Institutionen unserer Tage, die vom  Gebrauch dieser Formen ernsthaft abraten. Aber Luther ging es auch nicht um Profit durch Verblödung, sondern um Prosit (= Wohlsein) durch Erhebung.

Wären Luther und seine Bibelübersetzung nicht gewesen, hätte sich der Genitiv kaum bis in unsere Tage gehalten. In der Renaissance hatte der Wesfall seine höchste Blüte erreicht und kam bei einer viel größeren Zahl von Verben zum Einsatz als heute. In der Neuzeit ging es dann stetig mit ihm bergab, an immer mehr Stellen wurde er abgelöst. So wurde »Ich gedachte eines auf dem Wege« zu »Auf dem Weg fiel mir ein« und »Ich besann mich eines anderen« zu »Ich hab es mir anders überlegt«.

Luther aber hat mit seiner Bibelübersetzung, seinen Schriften und seinen Liedern dem Genitiv ein bleibendes Denkmal gesetzt. »Ach Gott vom Himmel, sieh darein und lass dich des erbarmen«, dichtete er 1524. »Das ist mein Trost und treuer Hort, des will ich allzeit harren«, schrieb er ein andermal. Und schließlich: »Ich bin aber dessen gewiss, dass ich Gott wohlgefalle mit all meinem Tun, nicht um meinetwillen, sondern um Gottes willen, der sich mein erbarmt.«

Denken wir an Martin Luther, so brauchen wir dies nicht im Kniefall zu tun. Luther war ein bedeutender Mann der Kirche, aber kein Heiliger. Er war, wie alle Klerikalen seiner Zeit, ein Dogmatiker und Antisemit. Doch ohne ihn hätte es vielleicht nie ein einheitliches Hochdeutsch gegeben. Darum werde ich am Reformationstag 2017 in mein Kemmerlin gehen, die Thür schleusen und sein gedenken.


Was_macht_eigentlich_Martin_Luther


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27 Kommentare

  1. Ich habe Bastian Sicks Artikel stets gern gelesen. Diesmal bin ich über die Wahl des Themas und den unkritischen Umgang mit diesem allerdings ziemlich enttäuscht. Über die Selbstaussage Bastians Sicks (den ich immer für einen intelligenten Menschen hielt), er sei „überzeugter Lutheraner“, bin ich schockiert. Kaum hätte mich die Information, er sei Mitglied der NPD, mehr anekeln können. Immerhin war Luther ein wichtiges Vorbild für Hitler und rief z. B. dazu auf, Synagogen anzuzünden, jüdische Häuser zu zerstören und das „Natterngezücht“, wie er die Juden nannte, auszurotten. Er wollte sämtlichen Juden verbieten, sich auf der Straße frei zu bewegen und Rabbinern bei Todesstrafe verbieten zu predigen.
    Luther und Hitler – dass einer von beiden heutzutage gesellschaftlich akzeptiert ist und der andere nicht, ist reine Willkür!

    • Lieber Tommy! Sie haben zweifellos recht in dem, was Sie über Luthers antisemitische Haltung sagen. Er hat so manches gesagt und geschrieben, was uns heute schaurig erscheinen muss. „Lutheraner“ sein bedeutet aber nicht, sich Luthers spätmittelalterliches Weltbild mit all seinen Obsessionen und Dämonen zu eigen zu machen, sondern sich einer Haltung verbunden zu fühlen, die vom Widerstand gegen eine übermächtige Kirche zur Reformation und weiter zur Aufklärung, zur Befreiung des Bürgertums und zur Proklamation der Menschenrechte führte. Luther selbst war von der Gleichachtung aller Glaubensrichtungen, Abstammungen, Lebens- und Liebesformen noch Lichtjahre entfernt. Aber er hat den Weg gewiesen, der uns – nach vielen dramatischen Umwegen über Revolutionen, Diktaturen und Kriege – letztlich dahin geführt hat: in die Selbstbestimmung, die Freiheit, die Demokratie.

    • Sehr geehrter Herr Sick, vielen Dank für Ihre freundliche Antwort.
      Zu behaupten, Luther habe den Weg zu Aufklärung, Menschenrechten, Freiheit und Demokratie gewiesen, halte ich für falsch. Er hat lediglich bestehende Dogmen durch neue, ebenso schreckliche ersetzt. Was seine Nachfolger und einige seiner Anhänger in der heutigen Zeit daraus gemacht haben, ist nicht sein Verdienst. Außerdem ist es eine ziemlich wilde Vermutung, es gäbe heute all dies nicht, wenn Luther nicht gewesen wäre.

      Was mich ärgert, ist, dass Luther so oft ungerechtfertigt als Held dargestellt wird und seine grauenvollen, unverzeihlichen Ansichten und Anstiftungen – selbst von vielen Atheisten – stets völlig unter den Tisch gekehrt oder verharmlost werden. Diese Seite der Medaille unangesprochen zu lassen, ist nun wirklich nicht im Sinne der Aufklärung. Außerdem scheint es – vielleicht aus einem falschen Verständnis von „Religionsfreiheit“ heraus – gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass Irrationalität, Intoleranz und Fortschrittsfeindlichkeit dadurch entschuldbarer werden, wenn sie religiös motiviert sind.
      Nach meinen moralischen Maßstäben gehört Luther nach wie vor in dieselbe Kategorie wie Hitler und ist um keinen Deut besser.

      ABER:
      Es war ungerecht von mir, Menschen, die Luther trotz seiner Ideologie verehren, einfach ebenfalls in diese Sparte zu stecken. Bei vielen von ihnen spielt sicher Unwissenheit oder religiöse Verklärung eine Rolle. Und offenbar gibt es auch durchaus vernünftige Leute, welche die oben erwähnte Weltanschauung Luthers nicht teilen, diese ausblenden und ihn nicht wegen seiner tatsächlichen Persönlichkeit schätzen, sondern ihn eher als Symbol für Befreiung sehen. Das muss ich nicht gänzlich nachvollziehen können, darf es jedoch auch nicht verurteilen.
      Daher möchte ich in aller Form um Verzeihung bitten, dass ich gestern etwas anderes nahegelegt habe. Das war absolut nicht in Ordnung von mir. Seit nunmehr sieben Jahren beschäftige ich mich mit den negativen Auswirkungen von Religion (hierzu zählt z. B. die leider immer noch weit verbreitete Homophobie) und mit ihren Opfern. Ich habe in der Hinsicht schon so viel Schlimmes erlebt, dass ich nicht verstehen kann, wie man Religion als etwas grundsätzlich Positives sehen kann, und inzwischen auf alles allergisch reagiere, was mit Schönreden, Verklären und Verharmlosen von Religion zu tun hat. Besonders wütend war ich gestern, als mein bester Freund, der erst seit kurzem zu seiner Homosexualität steht, sich von seinem Vater hat anhören müssen, er könne niemals akzeptieren, einen schwulen Sohn zu haben und hätte lieber gar keinen. Dass ich meinen Zorn darüber an Ihnen ausgelassen habe, tut mir ehrlich leid.
      Mir ist klar, dass nicht alle religiösen Menschen dumm oder böse sind. Mir ist auch klar, dass es Leute gibt, die aus religiöser Überzeugung heraus Gutes tun und zu deren Verständnis von Religion es gehört, anderen zu helfen, liebevoll und tolerant mit seinen Mitmenschen umzugehen, und niemanden aufgrund von Eigenschaften, für die er nichts kann (wie Herkunft, sexuelle Ausrichtung, Hautfarbe) zu verurteilen. Luther gehört definitiv nicht dazu. Ich hatte allerdings keinen Grund, Sie nicht in dieser Kategorie zu vermuten.

      Mit freundlichen Grüßen, Tommy W.

  2. Was für eine faszinierende Idee. Aber heißt „nach der Lutherbibel“ denn, dass es die Originalübersetzung ist? Das glaube ich nicht. Die würde ich nicht auswendig lernen wollen, aber mit dem Text einer aktuellen Ausgabe könnte ich mich anfreunden.

    Gibt es denn irgendwo eine Möglichkeit für die 500, sich zu sammeln?

  3. Bruno Hartmeier

    Lieber Herr Sick,
    zum abschließenden Beitrag „unter dem Strich“ habe ich doch eine Bemerkung. Ich habe nichts darüber gefunden, dass Luther später noch in Frankreich gelebt habe, das soll wohl eher auf den französischen Text der Photographie (Fotografie) bezogen sein.
    Aber: wie auch unter dem Bild steht, liegt Neuchâtel nicht in Frankreich, sondern in der Schweiz. Wenn er also ges Süden zog, dann war die Welschschweiz sein Ziel.
    Viele Grüße
    Bruno Hartmeier

    • Sie haben recht, Herr Hartmeier! Da habe ich ganz schlampig gearbeitet und einen Schweizer Ort mal schnell nach Frankreich verlegt. Das war seinerzeit sogar auf SPIEGEL ONLINE veröffentlicht, und dort hat’s keiner bemerkt. Dafür fiel einigen Lesern auf, dass „Opticien“ falsch geschrieben ist. Die Schreibweise mit „t“ ist nicht etwa eine schweizerische Besonderheit, sondern schlichtweg verkehrt. Na ja – Luther konnte Deutsch, Griechisch und Latein, da muss man nicht auch noch Französisch können.

  4. Tommy, verunglimpfen sie ruhig die 30 Prozent lutherischen Glaubens.
    Empfinden Sie Leute, die die Nibelungen gutheißen, ebenfalls als Nazis?
    Wagner-Freund darf man dann natürlich auch nicht sein.
    Alles, was Hitler toll fand, ist nicht erwünscht?
    Desweiteren verdammen Sie den Zeitgeist einer vergangenen Zeit. Dann sind Sie auch für ein Verbot von „Tim und Struppi“ oder „Pippi Langstrumpf“?! Denn diese sprechen von Negern und anderen und sind deswegen unlesbar.

    • Morri, vergessen Sie hierbei nicht auch noch Wilhelm Busch, Mark Twain und Zeitgenossen als unbestritten große Literaten, ganz zu schweigen von früheren Jahrbüchern, wie „Der gute Kamerad“ und selbst „Auerbach’s Kinderkalender“. Müssen wir die jetzt schreddern lassen?

  5. Kommentar zum Bildkommentar: Da das Foto in der Schweiz aufgenommen wurde, ist Dr. Luther wohl eher in die Schweiz ausgewandert und optisiert dort bis heute. Die Zwiebelfischchen freuen sich bestimmt über diesen Zuwachs.

    • Sie haben recht, liebe Frau Kuhle! Wie ich schon Herrn Hartmeier schrieb: Da habe ich offenbar schlampig gearbeitet und einen Schweizer Ort mal schnell nach Frankreich verlegt. Das war seinerzeit sogar auf SPIEGEL ONLINE veröffentlicht, und dort hat’s keiner bemerkt. Dafür fiel einigen Lesern auf, dass „Opticien“ falsch geschrieben ist. Die Schreibweise mit „t“ ist nicht etwa eine schweizerische Besonderheit, sondern schlichtweg verkehrt. Na ja – Luther konnte Deutsch, Griechisch und Latein, da muss man nicht auch noch Französisch können.

  6. Gefällt mir sehr! Danke und herzliche Grüße. G. Schwarz

  7. Wo kann man sich für dieses Projekt bewerben? Ich habe schon immer gerne auswendig gelernt. Meine Mutter (Jahrgang 1914) brachte mir Uhlands „wackeren Schwaben“ mit geradezu diebischem Vergnügen bei. Ich habe eine türkische Freundin …

    • Liebe TineD! Googeln Sie „Lutherlernen“, dann haben Sie es gleich gefunden! Was ist denn mit Ihrer türkischen Freundin?

    • „Wacker“, „geilen“, „holdselig“, „Schalksauge“ … das sind Worte, die in der Lutherbibel von 1545 verwendet werden und leider in der heutigen Version nicht mehr vorkommen.
      Die „alte“ Lutherbibel ist eine wunderbare Sprachschule und ein „Schatzkästchen“. Übrigens wurde aus dem „Seid wacker und betet“ (Lk 21,36) später „Seid wach und betet“.
      G. Bauer

  8. Bastian Sick hat ja mit seinem Blog schon einen harten Stand. Wenn es drei Dinge gibt, die das „Internet“ nicht mag, dann wären das (1) Katzenhasser (2) Religion und (3) Grammar-Nazis. Von Natur aus fällt dieses Blog ja schon unter die Kategorie 3, da kann es schon mal angewärmte Stimmungen beschwören, wenn man noch in Kategorie 2 fischen geht.

    Von einem neutralen Standpunkt aus: Luthers Beitrag zur Sprache und die historischen Zusammenhänge sind interessant und wissenswert und ich freue mich über diesen Beitrag. Was wirklich niemanden außerhalb des realen Freundeskreises interessiert, ist jedoch, wer in unerheblichen 3 Jahren in einer noch unerheblichen Fernsehsendung aufzutreten gedenkt sowie jemandes religiöse Ansichten.

    Davon abgesehen freue ich mich auf den nächsten Beitrag.

  9. Sehr geehrter Herr Sick,
    wie wäre es denn, wenn wir neben der „gesprochenen Sprache“ und der „Schriftsprache“ eine weitere Sprachform hätten, die sich von beiden unterscheidet, eine Art „religiöse Sprache“?
    Ich selbst schätze die alte Luthersprache von 1545 schon deshalb, weil sie noch nicht (Duden-)normiert ist. Hier kann „Gott“ auch noch klein „gott“ oder „GOtt“ geschrieben werden, ist doch fantastisch, oder?

    Mit freundlichen Grüßen
    G. Bauer

  10. Holger Schluck

    Hallo Herr Sick! Mich verwundert Ihre Aussage, dass der Genitiv im Englischen quasi ausgestorben sei. Ich hatte die Frage „Whose book is this?“ bisher immer mit „Wessen Buch ist das/dies?“ übersetzt. Freunde aus England benutzen diese Form regelmäßig und finden sie anscheinend gar nicht historisch. Entspricht sie nicht dem Genitiv?
    Besten Dank vorab für Ihre Hilfe und viele Grüße
    Holger Schluck

    • Lieber Herr Schluck! Selbstverständlich beinhaltet die Frage „Whose book is this“ einen Genitiv, ebenso die Antworten „This book is mine/yours/his“ oder „hers“. Auch in „Peter‘s car“ und „my mother‘s sister“ ist ein deutlich erkennbarer Genitivus Possessivus im Spiel. Das war‘s aber auch schon. Dass bestimmte Verben und Präpositionen den Genitiv verlangen, ist im Englischen nicht der Fall. „Statt meiner wird mein Sohn kommen“ heißt nicht etwa „Instead mine my son will com“ und
      „Ich gedenke dein“ heißt auf Englisch nicht „I remember yours“. Und „Er wurde der Lüge bezichtigt“ wird nicht zu „He was the lie‘s accused“. Das wäre denn doch zu drollig!

  11. Rainer-Reginald Miethke

    Sehr geehrter Herr Sick,
    Sie antworten auf einen Leserkommentar „Luther selbst war von der Gleichachtung aller Glaubensrichtungen, Abstammungen, Lebens- und Liebesformen noch Lichtjahre entfernt.“ Ein Lichtjahr ist ein Jahr, „Lichtjahre entfernt“ kann also gerade mal zwei Jahre sein, und das ist nicht besonders viel. Tatsächlich ist ein Lichtjahr kein Zeit-, sondern ein Längenmaß (Strecke, die das Licht innerhalb eines Jahres zurücklegt). Das wären dann 9,460 · 10 hoch 12 km. War Luther wirklich soo weit entfernt von der Gleichachtung? Doch wer bin ich, den Meister zu maßregeln? Ich bin und bleibe sickbegeistert.

    Rainer-Reginald Miethke

    • Volker Morstadt

      Es ist ein Trugschluss – der zwar so auch jedes Jahr im Kosmos-Himmelsjahr steht -, dass „ein Lichtjahr kein Zeit-, sondern ein Längenmaß“ sei: es ist beides; das wird bei großen Entfernungen mehr und mehr sinnfällig: Licht eines Ereignisses auf einem z.B. 100 Lichtjahre entfernten Stern kommt bei uns erst nach Durchlaufen der Strecke von 100 Lichtjahren an, d.h. wir erhalten Kenntnis über das Ereignis so, wie es dort vor 100 Lichtjahren stattgefunden hat (weil der Stern 100 Lichtjahre entfernt von uns ist). Lichtjahr ist also sowohl eine Entfernungs- als auch eine Zeiteinheit!

    • Rainer-Reginald Miethke

      Und wie viele Lichtjahre war Luther nun von der Gleichachtung entfernt?

    • Volker Morstadt

      Mit der obigen Zahl von 1 LJ = ~ 10 Billionen km dann halt so 20-50 Bil km.

  12. Lieber Bastian Sick, Ihre Verdienste um die Pflege unserer Sprache schätze ich sehr hoch, auch dieser Ausflug in die Geschichte derselben ist ebenso interessant wie kurzweilig. Was um alles in der Welt veranlasst Sie aber dazu, eine Auswendiglern-Initiative der sog. Bergpredigt zu unterstützen, die Sätze enthält wie „Wer also ein noch so unbedeutendes Gebot übertritt…der wird in der neuen Welt Gottes der Geringste sein.“ (Mt 5;19) oder „…wer zu seinem Bruder sagt, ‚Geh zum Teufel‘, der verdient, ins Feuer der Hölle geworfen zu werden.“ (Mt 5;22) oder „Wer sich von seiner Frau trennt …, der zerstört ihre Ehe. Und wer eine Geschiedene heiratet, wird zum Ehebrecher.“ (Mt 5;32)? Was hat das wohl mit Menschenrechten zu tun? Anderswo veranlasst man Kinder, den Koran auswendig zu lernen und hält das für Bildung!

    • Lieber Rainer! Grundsätzlich halte ich das Auswendiglernen von Gedichten, Volksliedern und Auszügen aus der Literatur für eine produktive Form der Auseinandersetzung mit Kultur. Und ich bedaure es, dass das Auswendiglernen heute kaum noch gepflegt und an den Schulen auch nicht mehr unterrichtet wird. Dass wir die Bibel heute mit anderen Augen lesen und anders bewerten als zu Luthers Zeiten, ist selbstverständlich, ändert aber nichts an ihrem Status als Literaturklassiker. Solange man in der Lage ist, einen Text im Kontext seiner Entstehungszeit zu betrachten und zu bewerten, spricht nichts dagegen, ihn auch auswendig zu lernen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es sich bei „LutherLernen“ um ein Projekt von religiösen Eiferern handelt, die soziale Reformen auf Grundlage der Verdammnisandrohungen der Bergpredigt fordern.
      Ebenso wenig habe ich den Eindruck, dass alle Franzosen kriegslüstern und blutrünstig sind, auch wenn ein jeder dort voller Inbrust zu singen lernt: „Zu den Waffen, Bürger! Bildet Bataillone! Marschieren wir, marschieren wir, auf dass das unreine Blut unserer Feinde unsere Gräben tränke!“

    • Lieber Bastian Sick, Sie betrachten die Bibel als Literaturklassiker, das sehe ich genauso. Eine gründliche, unvoreingenommene und von Indoktrination freie Lektüre dieses Werkes vermag uns eine Menge über Mythen und Moralvorstellungen unserer Vorfahren zu vermitteln.
      Aber leider ist die Bibel nicht nur das: Sie gilt für beide großen christlichen Konfessionen als die heilige Schrift schlechthin, übrigens ausdrücklich in allen Teilen, also als das Wort Gottes, demnach also unabhängig von der Zeit der Entstehung der Texte, als ewige Wahrheiten enthaltend und moralische Richtschnur für gläubige Christen. Und das halte ich eben für eine eher bedenkliche Angelegenheit. Man schaue sich z.B. einmal die zehn Gebote in der biblischen Originalfassung (Exodus 20; 1-21) an.
      Natürlich steht es einem Jeden frei, sich mit diesem Buch mehr oder weniger gründlich zu beschäftigen, es meinetwegen auch von vorn bis hinten auswendig zu lernen. Ob Letzteres ein geeignetes Mittel zur Auseinandersetzung mit den Inhalten ist, sei dahingestellt. Dass Sie, lieber Bastian Sick, als von mir hoch geschätzter intelligenter und aufgeklärter Mensch unserer Zeit eine solch merkwürdige Kampagne hier propagieren, auch das ist natürlich Ihr gutes Recht – aber es enttäuscht mich halt.

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