Donnerstag, 18. April 2024

Weiter kommen oder weiterkommen?

Kik (gestaucht)_yBDAWOOH_f.jpg

Beim Blättern in einem Magazin für Schüler und Studenten lachte mir eine junge Frau entgegen, die ein knallrotes T-Shirt mit dem Aufdruck trug: »Lieber weiter kommen, als stehen bleiben.« Dabei handelte es sich um eine Werbung des Textildiscounters Kik. Der näht nicht nur mit der heißen Nadel, der wirbt auch so.

Trotz des gewinnenden Lächelns und des knalligen Rot-Tons konnte ich nicht umhin zu bemerken, dass das Komma vor dem »als« fehl am Platz war. Und mehr noch: Auch die Schreibweise »weiter kommen« gab mir zu denken. Sie warf nämlich Fragen auf: Zu wem soll man lieber weiter kommen als stehen zu bleiben? Zum Nachhilfelehrer? Zum Therapeuten?

Wenn »weiter« alleinstehend auftritt, hat es entweder die Bedeutung »weiter als« oder »weiterhin«. Die Schreibweise »weiter kommen« bedeutet also entweder »weiter kommen als irgendjemand sonst« oder »weiterhin kommen«. Doch diese beiden Möglichkeiten scheiden für die Kik-Kampagne aus. Die Vermutung liegt nahe, dass »weiterkommen« im Sinne von »vorankommen« gemeint ist. Nur stand das eben nicht so auf dem Shirt. Dafür stand neben dem Firmenlogo noch »Der Chancengeber«.

Wann immer »weiter« die Bedeutung »voran« oder »vorwärts« hat, ist Zusammenschreibung angesagt. Ob weiterempfehlen, weiterentwickeln, weiterleiten, weiterreichen, weitersagen oder weiterverschenken – sie alle werden zusammengeschrieben. Denn »weiter« geht hier mit dem jeweiligen Verb eine weitergehende Verbindung ein, bei der ein neuer Sinn entsteht. Bei diesem Zusammenschluss gibt das Verb seine Eigenständigkeit und damit auch seine Betonung auf. Die Betonung liegt einzig auf der Vorsilbe »weiter«.

Wenn »weiter« aber »weiterhin« bedeutet oder eine Steigerung zum Ausdruck bringt (und das ist immer dann der Fall, wenn dem »weiter« ein »als« folgt), dann liegt die Betonung sowohl auf »weiter« als auch auf dem Verb: 

Anfangs konnte keiner der Schüler weiter werfen als der Lehrer, weshalb er ihnen riet: »Nicht aufgeben und immer schön weiterwerfen!«

Manchem Nachhilfelehrer ist es vielleicht lieber, wenn seine Schüler schlechte Noten schreiben, denn dann werden sie weiterhin zu ihm kommen. Wenn sie aber in der Schule weiterkommen, brauchen sie ihn irgendwann nicht mehr und werden nicht weiter kommen.

Wie so oft in der Werbung, fehlte auch bei dieser T-Shirt-Kampagne der letzte Schliff, um nicht zu sagen: der ultimative Kick. Wer sich als »Chancengeber« aufstellen will, sollte seine Sorgfalt nicht nur auf die Auswahl der Fotomodelle verwenden, sondern auch das gedruckte Wort überprüfen. Nur so wird man wirklich weiterkommen.

(c) Bastian Sick 2013


 

weiter … (weiter als/weiterhin)

weiter…  (vorwärts/voran)           

weiter fahren

„Mein Floß wird weiter fahren als jeder Weltumsegler!“                                                      

weiterfahren

„Lass uns endlich weiterfahren!“

„Er war zu aufgeregt, um weiterzufahren.“

weiter gehen

„Ich werde sogar noch einen Schritt weiter gehen als du!“

„Diesmal ist er zu weit gegangen!“ 

weitergehen

„Bitte weitergehen! Nicht stehen bleiben!“

„Es könnte ewig so weitergehen!“                       

weiter helfen

„Du darfst ihm nicht weiter helfen, er muss lernen, es von selbst zu schaffen!“             

weiterhelfen

„Kann ich Ihnen weiterhelfen?“

„Sie haben mir damit sehr weitergeholfen!“

weiter machen

„Ich kann die Hose für Sie etwas weiter machen!“     

weitermachen

„Gut so! Weitermachen!“

„Aufhören oder weitermachen?“

weiter reisen

„Wir sind ziemlich weit gereist, aber unsere Nachbarn sind noch weiter gereist.“

weiterreisen

„Von England sind sie nach Irland weitergereist.“                                          

weiter sehen

„Raubvögel können schärfer und weiter sehen als Menschen.“

weitersehen

„Wir werden abwarten und weitersehen.“                                           

weiter werfen

„Paul kann den Ball weiter werfen als Leon“                                    

weiterwerfen

„Ihr müsst den Ball weiterwerfen, von einem zum anderen, bis er wieder bei mir ankommt!“

 

Lesen Sie auch:

Das Wunder des Genderns

Kein sprachliches Thema hat die Gemüter in den letzten Jahren so sehr bewegt und erhitzt …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.