Mittwoch, 10. April 2024

Sag mir, was da brennt?

Sag mir, was da brennt?

Sehr geehrter Herr Sick!

Meine Lebensgefährtin und ich waren gemeinsam in einem Lokal. Vor diesem Lokal stehen zwei große Feuerschalen. Nach dem Essen, also beim Herausgehen aus dem Lokal, sagte ich:

„Schau mal, die Feuer brennen in den Schalen.“ Meine Lebensgefährtin antwortete: „Es muss heißen: Das Feuer brennt in den Schalen. Sonst würden in jeder Schale ja mindestens zwei Feuer brennen.“

Seitdem ist unser ansonsten sehr harmonisches Leben gestört. Wer von uns beiden hat Recht? Können Sie bitte helfen, wieder Ordnung in unserem Leben zu erlangen?

Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen aus Dortmund,

Benjamin Lisci

Bastian Sick antwortet: Lieber Herr Lisci! Ihre Behauptung, „die Feuer in den Schalen“ gesehen zu haben, beruht weder auf einer Halluzination noch auf einem grammatischen Irrtum. Zunächst einmal haben Sie mehr als ein Feuer gesehen, was grundsätzlich zu einem Plural berechtigt. Jedes Feuer befand sich in einer Schale, also waren es (mehrere) Feuer in Schalen.

Wenn man über „das Feuer in den Schalen“ spricht, geht es um das Feuer als übergreifendes Phänomen, als Element. Beispiel: Das Feuer in den Schalen erhellte den nächtlichen Garten.
Wenn man über „die Feuer in den Schalen“ spricht, sind damit die verschiedenen einzelnen Feuerherde gemeint. Beispiel: Nach und nach erloschen die Feuer in den Schalen.

Die Entscheidung zwischen Einzahl und Mehrzahl hängt also nicht davon ab, wie viele Feuer pro Schale zu sehen sind, sondern ob Sie die einzelnen Feuerstellen wahrnehmen und beschreiben möchten oder das Feuer als Ganzes.

Ähnlich verhält es sich mit Winden und Wind: Wer ?die Winde? ums Haus rauschen hört, der meint damit die verschiedenen Luftströme, die mal aus der einen, mal aus der anderen Richtung kommen können. Wer „den Wind“ ums Haus rauschen hört, der meint damit den Wind als allgemeines Phänomen.

Ich hoffe, dass ungeachtet dieser Frage das Feuer zwischen Ihrer Gefährtin und Ihnen unvermindert brennt. Falls es nachzulassen droht, zünden Sie rasch ein paar neue Feuer an!

Herzlich grüßt Sie Ihr

Bastian Sick


Zum Thema Einzahl oder Mehrzahl:

Stille Wässer sind tief
Von Autokorsen, Torwärtern und fiesen Möppen
Von Läuchen, Milchen und Sänden  

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5 Kommentare

  1. Stefanie Himmelsbach

    Hallo Herr Sick!
    Letztens sagte ich zu meiner Tochter, dass ich kein Alzheimer habe. Daraufhin verbesserte sie mich und meinte:“Es heisst: keinen Alzheimer!“ Das klingt komisch, da ich ja auch kein Rheuma habe. Wer ist im Recht?
    Herzliche Grüsse von Stefanie Himmelsbach

    • Dr.Franz-Josef Ganz

      Liebe Frau Himmelsbach, Mir scheint, Sie haben eine erfreulich aufmerksame und kluge Tochter. Wenn von Alzheimer die Rede ist, kann dieser sich a) auf die Alzheimer Krankheit/ Erkrankung beziehen. Dann müssten Sie sagen „dass ich keine Alzheimer habe“. Wenn aber b) Alzheimer auf den Namensgeber, also auf d e n Dr.Alois Alzheimer, Bezug nimmt, so wie in Ihrer Aussage, dann wird aus Alzheimer d e r Alzheimer. Somit muss nach dem transitiven Verb ‚haben‘ unbedingt der Akkusativ folgen, also k e i n e n ( keiner, keines, keinem keinen) Alzheimer. Bei Rheuma ist es so, dass der vierte Fall ‚das Rheuma‘ (Akkusativ) gleich dem ersten Fall ‚das Rheuma‘ (Nominativ) ist. Also: Was ist es? Es ist kein Rheuma. Wen oder was habe ich nicht? Ich habe kein Rheuma = Akkusativ wie Nominativ. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Tochter alles Gute beim Gebrauch der deutschen Sprache!

  2. Ottokar Schneider

    Abgesehen von den Feuern müsste es zuvor wohl heißen:
    „Beim Hinausgehen aus dem Lokal … „

  3. Sehr geehrter Herr Sick!

    Ihre Antwort ist für ‚Feuer‘ sicherlich richtig, da zwischen ‚das Feuer‘ und ‚zwei Feuer‘ ein Bedeutungsunterschied vorliegt. Das Hauptproblem aber ist, dass die deutsche Sprache bei mehreren Eigentümern und ihrem Eigentum keine präzisen Angaben ermöglicht (und das umgangsprachliche Problem der Gleichsetzung von ‚Besitzer‘ mit ‚Eigentümer‘ noch hinzukommt):
    1) der Ball des Kindes
    2) die Bälle des Kindes
    beschreiben klare Verhältnisse.
    3) der Ball der Kinder
    ist dagegen zweideutig:
    3a) alle Kinder sind Besitzer, ein Kind ist Eigentümer, wobei die Eigentumsfrage unwichtig ist
    3b) alle Kinder sind gemeinsamer Eigentümer
    Noch problematischer ist das Konstrukt
    4) die Bälle der Kinder.
    Deutungen:
    4a) alle Kinder sind Besitzer, Eigentumsverhältnisse ungeklärt
    4b) mehrere (womöglich nicht alle) Kinder haben jeweils ihren eigenen Ball mitgebracht
    4c) mehrere (womöglich nicht alle) Kinder haben jeweils mehrere eigene Bälle mitgebracht

    Selbst wenn klar ist, dass es nur ein Eigentum pro Eigentümer gibt, findet sich der doppelte Plural in Sätzen wie ‚die Herzen der Kinder schlugen höher‘.

    Das Gegenteil kann man in der ungarischen Sprache beobachten. Sie mag die Mehrzahl nicht und verlangt daher die Einzahl, wenn es klar ist, dass es sich um Plural handelt: ‚2 Apfel‘. Sprachlich besonders schön wird es, wenn eine Fußballmannschaft mit schweren Beinen spielt: ‚die Jungs haben ihr Bein schwerlich bewegt‘ (a fiúk nehezen szedték a lábukat). Also haben hier (nach „exakter“ Lesart) 11 Leute in Summe nur 1 Bein statt 22.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Marcus Neues

  4. Na ja, es soll auch Winde geben, die eindeutig nur aus einer Richtung kommen. Eher aber ein olfaktorisches Phänomen….

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