Donnerstag, 25. April 2024

Steak aus der Hufte

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Ein Leser aus Bad Rippoldsau interessiert sich nicht die Bohne für Gemüse, auch nicht für Rippchen oder Saumagen, sondern für eine Spezialität vom Rind. Er möchte wissen, wieso das Rinderhüftsteak so oft als „Huftsteak“ angeboten wird. Der Zwiebelfisch untersucht, ob das eine schicker als das andere ist und ob die Hüfte beim Rind womöglich Hufte heißt. 

Frage eines Lesers aus Bad Rippoldsau: Zunächst meinen herzlichen Dank für Ihre stets amüsanten Bemühungen um die deutsche Sprache. Oder heißt es Bemuhungen? Ich frage mich das, weil ich mir nicht recht erklären kann, warum es Rinderhuftsteak heißt. Die Grillsaison startet jetzt ja wieder. Erst dachte ich an einen einzelnen Tippfehler. Aber nein, quasi jedes (Steak-)Restaurant bietet „Huftsteak“ an.  

Die zweite Option, eine Verschwörung der Keyboard-Lieferanten an Restaurants, die klammheimlich trotz „ü“-Taste ein „u“ auf die Speisekarten zaubern, konnte ebenfalls nicht bestätigt werden. Zwar gibt es oft ein „Menu“, insbesondere wohl, wenn frankohphile Küchenchefs den Kochlöffel schwingen, aber eben auch Gemüse(brühe) auf der Speisekarte und nicht, wie zu erwarten wäre, Gemuse oder solches als -bruhe.

Also, lieber Herr Sick: Wissen Sie, warum das Hüftsteak nicht so heißen darf, obwohl es doch aus der Hüfte kommt, oder jedenfalls kommen sollte? Herzlichen Dank für die sprachkulinarische Aufklärung namens der Steakliebhaber!

Antwort des Zwiebelfischs: Lieber Steakliebhaber! Das nenne ich mal eine saftige Frage. Ich hoffe, ich kann Ihnen mit einer Antwort dienen, die nicht bloß „medium“ ist, sondern „gut durch“. Die Vegetarier unter meinen Lesern und Leserinnen müssen jetzt einfach mal die Zähne zusammenbeißen und an Karotten denken – oder weiterblättern.

Es ist richtig, dass das Rinderhüftsteak aus der Hüfte stammt, und es ist ebenso richtig, dass es oft als „Huftsteak“ angeboten wird. (In Österreich übrigens auch als „Hüferlsteak“.) Es bleibt zu klären, wie es zu diesen beiden unterschiedlichen Schreibweisen gekommen ist und ob sie womöglich unterschiedliche Bedeutungen haben. 

Wikipedia hat sich in dieser Frage noch nicht festlegen wollen und führt vorsichtshalber beide Schreibweisen als gleichwertig, und auch der Duden zieht sich elegant aus der Affäre, indem er weder das eine noch das andere führt. Hüftknochen, Hüftschwung und Hüftspeck ja, aber Hüftsteak oder Huftsteak – nein. 

Die Frage, wie es zu der Version ohne Pünktchen gekommen ist, führt zu allerlei amüsanten Vermutungen. Jemand schrieb in einem Forum, er habe gehört, Hüftsteak sei die „Prollversion“, Huftsteak hingegen die elegantere, die vor allem in teuren Lokalen üblich sei. Seiner Meinung nach sei da was dran, zumal er selbst die Schreibweise ohne Umlaut zum ersten Mal im KaDeWe gesehen habe. 

Es trifft wohl zu, dass viele Restaurants – auch solche mit gehobener Küche oder wenigstens gehobenen Preisen – „Huftsteaks“ auf der Karte führen. Das ist jedoch kein Beweis dafür, dass irgendetwas daran richtiger oder schicklicher wäre als Hüftsteaks. Speisekarten sprechen bekanntlich eine eigene Sprache, die immer wieder Stoff für Satiren und Comedy-Programme bietet.      

Auch die Annahme, „Huftsteak“ sei die ältere Form, weil „Hüfte“ im Mittelhochdeutschen noch „huf“ hieß, ist eher komisch als wahrscheinlich, denn im Mittelalter fand sich auf deutschen Speiseplänen bestimmt noch kein Steak. Das Stück aus der Hüfte scheint überhaupt erst relativ spät entdeckt worden zu sein. Im „großen Kochbuch unserer Zeit“ aus dem Jahr 1964, als die Verfasser von Kochbüchern noch „Frau Barbara“ oder „Frau Katrin“ hießen, stehen Rezepte für Filetsteak, Rumpsteak, Roastbeef und Rinderfilet Florida, aber ein Hüftsteak schien man damals noch nicht zu kennen. In meiner Kindheit in den 70ern gab es einmal in der Woche Kotelett oder Schnitzel. Ein Hüftsteak oder Huftsteak habe ich damals nie zu Gesicht bekommen. Rindfleisch war für viele Deutsche ohnehin lange Zeit  unerschwinglich. Das änderte sich erst mit dem verstärkten Import aus Ländern wie England und Argentinien. Auf einmal fielen die Steaks nur so vom Himmel.

Am meisten gefiel mir die Vermutung, „Hufte“ sei der Fachbegriff für die Hüfte des Rindes, so wie der Schwanz beim Fuchs „Lunte“ genannt würde und der weiße Puschel bei Hasen und Kaninchen „Blume“. Diese Theorie las sich zwar gut, gehörte allerdings wohl doch in die Kategorie „aus der Hüfte geschossen“, denn die Existenz einer tierischen „Hufte“ ließ sich nicht beweisen. 

Vermutlich erklärt sich das Fehlen der Umlaute beim „Huftsteak“ durch die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil unserer Gastronomie heute von Wirten betrieben wird, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Umgang mit den deutschen Umlauten kann bekanntlich Probleme bereiten, besonders, wenn man auf einer nichtdeutschen Tastatur schreibt. Möglicherweise ist hier die Not zu einer Tugend geworden und die fehlenden Pünktchen wurden im Laufe der Zeit von immer mehr Deutschen als „elegante Variante“ angesehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Schreibweise, die eben noch als Fehler galt, plötzlich zum Dernier Cri wird und tausendfache Nachahmung findet. „Erika’s Eck“ und „Harry’s Hähnchengrill“ lassen grüßen. 

Man kann froh sein, wenn dem Hüftsteak nur die Punkte abhanden kommen und nicht noch mehr. In meiner Bildersammlung von abfotografierten Speisekarten befindet sich auch das eine oder andere „Rinderhufsteak“. Sie lesen richtig: Steak vom Huf! Das scheint es wohl zu geben. Beim Italiener heißt das Ossobuco.   

Eine Frage, die sich ans „Huft/Hüft“-Problem anschließt, führt in eine benachbarte Region des Rinderhinterteils: Warum heißt das Stück, das aus dem Rumpf des Rindes stammt, nicht Rumpfsteak, sondern nur Rumpsteak? Hier fällt die Erklärung leicht: Es liegt daran, dass nicht nur der hintere Teil des Wortes, also das „Steak“, aus dem Englischen stammt, sondern auch der vordere Teil: „Rump“ ist englisch und bedeutet „Hinterteil“. Natürlich ist es mit unserem deutschen „Rumpf“ verwandt, daher ist die zur Hälfte eingedeutschte Form „Rumpfsteak“ nicht abwegig. Im Duden ist sie allerdings (noch) nicht zu finden, aber das ist das Hüftsteak ja auch nicht.

In den letzten Jahren wurde das deutsche Steakangebot um eine hochprozentige Variante ergänzt: Auf zahlreichen Tafeln und Speisekarten findet man „Rumsteak“. Für alle, denen Coq au vin zu nüchtern ist.

Mehr zum Thema: Rindswahn und anderer Schweinekram

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16 Kommentare

  1. Einfach köstlich, dieser Artikel! Wieder mal was dazugelernt (oder auch nicht)! Was der Duden nicht weiß, das weiß manches Mal bzw. recht oft der „Herr Bastian“, zumindest gibt er sich wesentlich mehr Muhe (hi, hi) als der Herr Duden!
    LG Ingrid Leis

  2. Leser aus Basel

    Lieber Herr Sick! Auch ich möchte mich dem Lob des fragestellenden Lesers anschliessen. Darf ich Sie darauf hinweisen, dass in der Schweiz, ganz frei von Anglizismen, das Wort „Rindshuft“ allgemein gebräuchlich und verständlich ist. Natürlich kennen wir auch „Schweinshuft“, „Lammhuft“ und weitere. Vieles davon, besonders wenn es jüngere Tiere sind, wird allerdings im Diminuitiv verwendet, so geht z. B. öfters ein „gluschtiges Lammhüftli“ über die Ladentheke.

    Freundliche Grüsse aus der Schweiz

  3. Claudia Kranenburg

    Hallo Herr Sick und Steakliebhaber,
    laut Duden ist der Huft (Genitiv: die Huft) explizit die Hüfte des Rindes (etwas tiefer gegraben: auch beim Kalb wird die Hüfte Huft genannt). In sofern ist vermutlich die „Fachbegriff-Erklärung“ tatsächlich die Richtige. Und stammt vermutlich aus einer Zeit, als es noch keine Umlaute gab (gab es solch eine Zeit überhaupt?)

    Mit freundlichen Grüßen,

    Claudia Kranenburg

    • @Claudia Kranenburg:
      Kleine Korrektur: Laut Duden heißt es: die Huft; Genitiv: der Huft – also genau umgekehrt zu Ihren Angaben 😉
      Freundliche Grüße
      klexel

  4. Diese Schreibweise ist mir zum ersten Mal in der Schweiz aufgefallen. Ich weiß auch nicht, ob das eine mundartliche Version ist oder weshalb sie gerade in der Schweiz gehäuft auftritt. Vielleicht ist mehr zum Hintergrund zu finden, wenn man in dieser Richtung forscht.

    PS: Beim Lesen der Kommentare ist mir gerade aufgefallen, dass dieser Punkt bereits angesprochen wurde. Ich konnte also leider nichts Neues beitragen.

  5. Rippoldsauer Weiderind

    Lieber Herr Sick, an dieser Stelle nochmals meinen herzlichen Dank für die sehr amüsante, kompetente und zudem äußerst rasche Beantwortung meiner Frage! 🙂

  6. Otto Schwarzer

    Ist doch einfach: Im süddeutsch-österreichichem Sprachraum hat das U die Umlautung nicht mitgemacht – vgl Brücke (Osnabrück usw.) und Bruck (Innsbruck).

  7. Rainer Göttlinger

    Könnte es sein, daß die Hüfte einen kleinen Umweg über den angelsächsischen Raum genommen und dort ihre Tüpfelchen verloren hat, ähnlich wie der Komponist George Frideric Handel?

  8. Es heißt ja auch „Die Kuh macht muh“ – fo doo her loogisch.

  9. Caecilia Püschel

    Geehrter Herr Sick
    Hier in der Schweiz sagen wir die Huft. Man kauft Fleisch von der Huft. Ich erinnere mich, dass das auch meine Mutter so gesagt hat. Hier hörte ich noch nie Fleisch von der Rinderhüfte.
    Beim Menschen sagt man Hüfte. Jemand hat schmale Hüfte.
    Mit Gruss aus Zürich
    C. Püschel

  10. Einspruch, euer Ehren: „Huftsteak“ kommt von „die Huft“, und laut http://www.duden.de/rechtschreibung/Huft ist das schweizerisch für „Fleisch von der Hüfte [des Rinds]“. Wie so was aussieht, kann man übrigens hier bestaunen: http://www.lebensmittellexikon.de/h0000170.php

    In der Schweiz gibt es durchaus Tastaturen mit Umlauten und Wirte, deren Muttersprache Deutsch ist, darum taugt Ihre Vermutung nicht als Erklärung. Vielmehr verhält es sich bei „Huft-“ und „Hüftsteak“ wie mit „Menu“ und „Menü“: Beides ist möglich, aber weil das Französische die Sprache der haute cuisine ist, bevorzugt man in der Gastronomie das französisch anmutenden Schriftbild – im Gegensatz zum Beispiel zur EDV, die sich für das „Menü“ entschieden hat.

  11. Hier schreibt der Fleischermeister:

    Den Begriff „Huft“ gibt es nicht als Bezeichnung für ein Fleischteil vom Rind! (vorbehaltlich eventueller bayerischer, schwäbischer oder schweizer Absonderlichkeiten; dort weiß man ja nie…)
    Es heißt eindeutig „Hüfte“ und daher auch „Hüftsteak“; alles andere ist ein Dreckfuhler, pardon, Druckfehler.

    Das Rumpsteak wird aus dem Rücken des Tieres geschnitten, die Bezeichnungen „Rumpf“ oder „Hinterteil“ sind daher nur bedingt korrekt.

    • Ich wage mal die Behauptung, dass die Fachkompetenz von Schweizer und süddeutschen Fleischermeistern nicht unter der Ihren liegt. Warum sollte deren Sprachgebrauch dann ein Dreckfuhler sein?

  12. Elmar Dünßer

    Das finde ich lustig, wenn auch nicht ganz so überraschend, dass sich die Fehlschreibung „Huft“ als vermeintlich vornehmere Variante von „Hüft“ verbreitet hat, analog zu „Menu“, das seiner französischen Abkunft wegen ebenfalls als vornehmer gilt als „Menü“. Das erinnert mich an eine „German Bakery“ in Osaka/Japan, wo vor Jahren ein gewisses Produkt als „Schwarzbröt“ angeboten wurde, und als ich wegen der Schreibung nachfragte, dann zur Auskunft bekam, dass es mit den zusätzlichen Punkten „deutscher“ aussähe als ohne sie – sozusagen der umgekehrte Fall zu „Huft“ …

  13. Lieber Zwiebelfisch

    Der amüsante Artikel zum Thema Huft mit oder ohne Trema hat mich motiviert, meinen – mit Jahrgang 1972 allerdings eher betagten – Duden Band VIII hervorzukramen, und meine Vermutung bestätigte sich: Hüfte(n) entspricht Lende(n), was das Problem elegant umschifft – Lenden haben so oder so nie Trema!
    In Bayrischen Landen sind nach meinem Wissen eh nur Lenden bekannt.

    Anmerkung aus (Deutsch-)Schweizer Sicht: „Huft“ (unzählbarer Sg; kein Pl.): Fleisch; „Hüft“ (Sg. oder höchstens zwei; identische Form) dann, wenn die linke und die rechte wehtun. Dies entspricht weitgehend der fleischermeisterlichen Sicht (vgl. unten).
    Wenn also eine Schweizer Speisekarte mit „Huftsteak“ gluschtig macht, ist das durchaus richtig, weil Anpassung und/oder Gewöhnung an die nationalen Verhältnisse vorliegen.
    Hingegen ist der Ausdruck „Lende“ bei uns weitgehend unbekannt.

    Herzliche Grüsse aus dem Thurgau
    Tom Zimmerli, CH-8500 Frauenfeld

    PS
    Ich habe auch dazugelernt: Zuerst die Kommentare lesen und erst dann einen eigenen schreiben …

    • Elmar Dünßer

      Dann ist „Huft“ also vollkommen richtig und legitim, wenn auch nicht „EU-intern“, so zumindest in der Schweiz? Dann war ich mit meinem Schwarzbröt-Kommentar voreilig und habe etwas dazugelernt: auch ich nehme mir jetzt vor, in Zukunft zuerst alle Kommentare zu lesen und dann erst einen eigenen zu schreiben …

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