Mittwoch, 2. Oktober 2024

Werden Mandeln gestiftet oder gestiftelt?

Frage eines Lesers: Die Kollegin und der Kollege fragten mich heute Nachmittag, ob es gestiftete oder gestiftelte Mandeln heißen müsse. Daraufhin gab ich ihnen zur Antwort, dass ich keine Ahnung hätte; aber zum Glück hatte ich das Smartphone zur Hand und konnte im Duden nachschauen, was denn nun richtig sei. Ich habe nur »gestiftet« gefunden (Partizip Perfekt). Die Kollegin war überzeugt – und ist es wahrscheinlich immer noch, und sie wird es zukünftig wahrscheinlich auch noch sein, wenn Sie uns nicht helfen -, dass es  »gestiftelt« heißen muss. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns in der Frage weiterhelfen könnten. Vielen Dank und alles Gute!

Antwort des Zwiebelfischs:

Das ist wahrlich eine interessante Frage.

Das Partizip »gestiftelt« leitet sich vom Verb »stifteln« ab, das auch ich nicht im »Duden« finden konnte, nicht einmal in seiner 500 000 Stichwörter zählenden Universal-Ausgabe. 

Dass der »Duden« es nicht führt, wundert mich allerdings nicht, denn der ist hauptsächlich damit beschäftigt, Neologismen wie »haten«, »Social Distancing« oder »Lifehack« zu erfassen. Dafür steht »stifteln« aber im »Pons« (1. Auflage 2009), und zwar mit der Erklärung »in kleine Stücke schneiden«.  

Die Verben auf »eln« (von denen es insgesamt mehrere hundert gibt) sind ursprünglich entstanden, um eine bestimmte Tätigkeit oder Bewegung genauer zu beschreiben. So wurde aus dem Hauptwort »Tanz« nicht nur das Verb »tanzen« gebildet, sondern auch noch »tänzeln«, was eine Spezifizierung ist. Ebenso wurde aus der »Hacke« erst das Verb »hacken« gebildet und später das Verb »häckseln«. Und aus dem Hauptwort »Werk« zunächst das Verb »werken« (alt für: »arbeiten«) und schließlich das niedliche Verb »werkeln«, das eine spezielle Form der Arbeit beschreibt.

An der Existenz des Verbs »stifteln« (und der dazugehörigen Partizipialform »gestiftelt«) besteht also kein Zweifel. Dafür spricht auch die große Anzahl von Mandelverpackungen, auf denen das Wort »gestiftelt« steht. Dass es daneben auch Mandelverpackungen gibt, auf denen es nur »gestiftet« heißt, beweist den Aufklärungsbedarf in dieser Frage. 

Das Partizip »gestiftet« (ohne »l«) gehört zum Verb »stiften«, das mehrere Bedeutungen hat: gründen, zur Verfügung stellen, spenden, schenken, in der Schweiz auch: als Lehrling (Stift) arbeiten. Die Bedeutung »etwas in Stiftform zuschneiden« gehört jedoch nicht dazu, darin scheinen sich alle Wörterbücher einig. Das kann nur das Verb »stifteln« ausdrücken, zumal die Endung »eln« typisch für Verben der Zubereitung ist. (Vergleiche basteln, drechseln, fälteln, häkeln, häckseln, klöppeln, meißeln, raspeln, spachteln.) Es gibt sogar das Verb »kästeln«, das »in Kastenform bringen« bedeutet.

Ich will nicht ausschließen, dass kleingeschnittene Mandeln auch »gestiftet« sein können, das wäre zum Beispiel der Fall, wenn jemand Mandeln für einen wohltätigen Zweck verschenkt. Wenn sich aber ein Koch ein Bund Möhren schnappt und damit zum Schneidebrett geht, dann geht er »stifteln«. Ginge er »stiften«, können Sie lange auf Ihr Essen warten!

Vielleicht liest dies ja jemand aus der »Duden«-Redaktion und hat ein Einsehen. Dann würde »gestiftelt« vielleicht doch eines Tages im »Duden« zu finden sein sein. Gestiftet von Ihnen.

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2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Sick,
    Ihre Erläuterung, warum es „gestiftelt“ statt „gestiftet“ heißen muss, finde ich wie Ihre anderen Erklärungen, die ich in all Ihren Büchern „verschlungen“ habe, absolut gelungen. Ich hätte es nicht besser gekonnt. 😉
    Jedoch erlauben Sie mir, eine Anmerkung zu Ihrem viertletzten Satz zu machen. Da Sie hier den Konditionalsatz mit „Ginge …“ einleiten, ist eine konsequente Fortführung dieser Annahme/ Vermutung / Möglichkeit mit „… könnten Sie lange …“ angebracht, nicht wahr?
    Glauben Sie mir bitte, dass ich nicht schlauer sein möchte als Sie, sondern Ihnen zeigen möchte, dass ich Grammatik, Orthographie und Linguistik genauso sehr mag wie Sie.
    Viel Spaß und Erfolg beim weiteren Verfassen von Kolumnen und Büchern wünscht Ihnen mit freundlichen Grüßen
    Gesine Reinhold
    Trebendorf, Sachsen

  2. Wie immer: großartig erklärt. Danke.

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