Nun geht’s ans Eingemachte. Nämlich um jenen nie versiegenden Quell orthografischen Ungemachs, Deutschlands Rechtschreibfehler Nummer eins. Selbst Profis bekommen zittrige Finger, wenn sich ihnen beim Schreiben die quälende Frage aller Fragen stellt: Heißt es „das“ oder „dass“?
Dass das „das“, das „dies“ bedeutet, nicht dasselbe ist wie das „dass“, das eine Konjunktion ist, das hat wohl jeder irgendwann schon einmal gehört; aber nicht jedem hat sich der Unterschied zwischen den beiden Wörtchen so eingeprägt, dass er vor Fehlern gefeit sei. In der gesprochenen Sprache spielt der Unterschied keine Rolle, denn man hört ihn nicht. Solange man also nur plaudert und plappert, lässt sich jede „das/dass“-Schwäche verbergen. Erst wenn’s ans Schreiben geht, zeigt sich, ob man den Stiel vom Stängel unterscheiden kann. Doch selbst routinierte Schreiber und Literaten haben mitunter ihre liebe Not damit. Sogar den Argusaugen erfahrener Lektoren und Korrekturleser entschlüpft das glitschige Detail bisweilen, sodass es immer wieder zu gedruckten Aussagen kommt wie dieser:
„Heino gab Siegfried ein geweihtes Medaillon des heiligen Paters Pio für dessen Freund Roy, dass den Zauberer bei seinem Heilungsprozess unterstützen soll.“
Rührend zwar, diese selbstlose Weihegabe Heinos, doch falsch das „dass“ hinterm Komma. Dabei ist es im Grunde ganz einfach. Trotzdem geraten dass und das immer wieder durcheinander, so wie in diesem Beispiel aus einer Wissenschaftsmeldung:
„Bislang galt die Lehrmeinung, das die Natur diesem Säureangriff nicht hilflos gegenüber steht. Tatsächlich wirkt Speichel wie ein natürlicher Verdünner für die Säuren und kann ihr Erosionspotenzial herabsetzen.“
Obacht, der Text geht noch weiter:
„Speichel und gewisse Nahrungsmittel wie etwa Milch und Käse enthalten auch Kalzium und Phosphor, sodass man bisher davon ausging, dass diese Mineralien den erweichten Zahnschmelz wieder remineralisieren, dass heißt, diesen wieder härten.“
Nachdem der Verfasser zu Beginn eindeutig zu geizig mit dem Doppel-s umgegangen ist, sind zum Schluss des Absatzes offenbar die Gäule mit ihm durchgegangen. Dass das nicht „dass heißt“ heißt, sondern dass das „das heißt“ heißt, liegt daran, dass wir es beim „das“ mit einem Pronomen zu tun haben.
Das einfache „das“ ist schon für sich allein genommen sehr vielseitig. Es kann sächlicher Artikel sein („das Ding“, „das Zauberbuch“, „das Universalgenie“), es kann Demonstrativpronomen sein und für „dies“ oder „dieses“ stehen („Das wünsch ich dir“, „Das war hervorragend!“, „Kennst du das auch?“), und es kann als Relativpronomen fungieren, gleichbedeutend mit „welches“: „Ein Thema, das alle gleichermaßen interessiert, gibt es nicht“, „Nicht alle asiatischen Länder sind so gut dran wie Japan, das zu den sieben reichsten Industrienationen der Welt zählt.“
Wann immer man also anstelle von „das“ auch „dies“ oder „welches“ sagen könnte, ist es ein Pronomen und wird genau wie der Artikel nur mit einem „s“ geschrieben. Im Land der Schwaben kennt man noch eine andere Faustregel: Wann immer man auf Schwäbisch „des“ sagen kann, schreibt man „das“, ansonsten „dass“: „Dass des so schwer sei soll, des versteh i net!“
„Das Hubble-Weltraumteleskop hat in Hunderten von Erdumrundungen ein Bild aufgenommen, dass das Weltall in seiner frühen Jugend zeigt.“
Richtig oder falsch? Richtig ist, wenn Sie auf „falsch“ getippt haben! Denn hier könnte man auch sagen: „…ein Bild aufgenommen, welches das Weltall in seiner frühesten Jugend zeigt.“ Und damit ist klar, dass es sich bei dem ersten „das“ um ein Pronomen handelt.
Hieße der Satz aber so: „Mit Hunderten von Bildern hat das Hubble-Weltraumteleskop bewiesen, dass das Weltall in seiner frühen Jugend sehr viel dichter war als heute“, dann wäre das „dass“ korrekt, denn dann handelt es sich um eine Konjunktion.
Eine Konjunktion ist ein „Bindeglied“, ein Wort, das (= welches) Satzteile oder Sätze miteinander verbindet. Die berühmteste Konjunktion ist „und“, über den verbindenden Charakter dürften keine Zweifel bestehen. Neben „und“ gibt es mindestens drei Dutzend weiterer Bindewörter, und „dass“ gehört dazu.
Die verwirrende Gleichheit zwischen der Konjunktion und dem Pronomen ist übrigens keinesfalls ein exklusives Phänomen der deutschen Sprache. Auch in anderen Sprachen spielen kleine Wörtchen eine solche Doppelrolle. Doch das Deutsche scheint die einzige Sprache zu sein, die zwischen der Konjunktion und dem Pronomen eine orthografische Unterscheidung vornimmt. Im Englischen gibt es „that“ und „that“, im Niederländischen „dat“ und „dat“, im Französischen „que“ und „que“ – jeweils als Konjunktion und als Relativpronomen, jeweils gleich ausgesprochen und gleich geschrieben.
Manch einer hatte gehofft, der Unterschied zwischen dem Pronomen „das“ und der Konjunktion „daß“ würde mit der Rechtschreibreform abgeschafft. Doch das war nicht der Fall. Der orthografische Unterschied blieb – und wurde sogar noch kniffliger. Musste man vorher immerhin den Finger noch zu einer anderen Taste bewegen, um die Konjunktion mit Eszett zu tippen, so hängt die Unterscheidung nun allein davon ab, ob man die „s“-Taste ein- oder zweimal anschlägt. Einige glauben feststellen zu können, dass die Verwechslung seit Einführung der neuen Orthografie zugenommen habe. Möglicherweise aber ist dies nur ein Zufall, genauer gesagt Folge eines Zusammentreffens unterschiedlicher Faktoren: Denn neben der Rechtschreibreform hat auch die rasche Ausbreitung des Internets einen erheblichen Anteil am munteren Gedeihen des orthografischen Wildwuchses.
Dass das „dass“ nicht immer nur ein braves Single-Dasein führt, sondern häufig auch in Gesellschaft wechselnder Partner auftritt, macht die Sache nicht gerade leichter: So gibt es neben dem einfachen „dass“ die erweiterten Konjunktionen „sodass“, „auf dass“, „anstatt dass“ und „ohne dass“. Aber nicht „und dass“, wie offenbar einige Schreiber meinen, denen wir Beispiele wie die folgenden zu verdanken haben:
„Und dass, obwohl im Formel-1-Fahrerlager eine Menge Leute herumlungern, die ziemlich feine Ohren haben.“
„Ein Krankenhaussprecher sagte, Mutter und Kind hätten die schwere Geburt unbeschadet überstanden – und dass, obwohl die Fahrt ins Krankenhaus acht Stunden gedauert habe.“
Hinter solchen Sätzen stecken Dramen, davon macht sich der Leser da draußen keine Vorstellung! Da bringt eine tapfere Mutter unter derart widrigen Umständen ein Kind zur Welt, dass selbst der Redakteur noch unter den Nachwehen zu leiden hat, wenn er nämlich das Ganze in einen Bericht fassen und sich über dies und dass den Kopf zerbrechen muss.
Ein Aufeinandertreffen von „und“ und „dass“ ist selbstverständlich trotzdem möglich: „Ich weiß, dass auch du nur ein Mann bist und dass auch du nichts vom Geschirrspülen hältst. Trotzdem wirst du heute den Abwasch machen, und wenn es das Letzte ist, was du tust!“
Wenn die „das/dass“-Verwechslung nicht nur im Internet, sondern auch in gedruckten Zeitungen zugenommen hat, so vielleicht deshalb, weil immer mehr Redaktionen aus Kostengründen auf Korrekturleser verzichten. Wozu braucht man die auch noch, wo es doch die Rechtschreibhilfe von Microsoft gibt! Die weiß allerdings auch nicht immer, welches das(s) gerade gefragt ist.
Der „Zwiebelfisch“ hat die Probe aufs Exempel gemacht: Vier Sätze gleicher Bauart mit insgesamt vier „das/dass“-Fehlern. Die Korrekturhilfe von Word hat nur einen einzigen erkannt:
Tatsächlich ist nur einer der vier Sätze fehlerfrei. Wer nicht draufkommt, welcher es ist, der wird diesen Artikel wohl oder übel noch einmal von vorne lesen müssen. Denn dass das eine klar ist: Bei „dass“ und „das“, da endet der Spaß!
Für den Berliner allerdings fängt er da gerade erst an, wie nachstehendem Text zu entnehmen ist, der ein köstliches Zeugnis Berliner Mundart ist:
„Det mit dem Det, det is doch janz einfach. Wenn de sachst, det Auto, det ick mir jekooft habe, det is dufte, denn wird det Det mit s jeschriem. Sar ick aba, ick gloobe, det de damit rinjefallen bist, denn wird det Det mit ß jeschriem – weil det Det nich det Det is, det de jrade jebraucht hast.“
(c) Bastian Sick 2004
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.
Ja, ja, ich weiß, dass das (=> dies) DAS/DASS für die meisten Menschen sehr schwierig ist!
Aber:
Ich weiß, das (dieses, jenes…) DAS/DASS ist für die meisten Menschen sehr schwierig!
Weshalb sollte das (hinweisend) mit dem DAS/DASS denn so kompliziert sein?
Wenn das kleine Wörtlein DAS durch ‚welches, dies/dieses, jenes‘ ersetzt werden kann, dann ist das (dies) doch gaaaaaanz einfach.
Hingegen:
DASS kann ich durch nichts ersetzen. (also mir fällt nichts ein!)
Ich hoffe, dass das (dies) jemandem helfen kann!
Oder:
Ich hoffe, das (dies) hilft jemandem!!!
Herzliche Grüße
Dagmarie
Dieses ganze das/dass-Problem mit der angeblichen Nichthoerbarkeit des Unterschiedes muss ein lokaler norddeutscher Effekt sein, denn zumindest bei den Deutschen im Sueden hoert man ganz deutlich, dass das A in „dass“ kuerzer ausgesprochen wird als das A in „das“. Die optionale Ersetzung durch extralanges „daas“, „dees“ oder im Fall des Relativpronomens auch durch „welches“ etc. erscheint mir wie die kuenstliche Hochstilisierung eines nicht vorhandenen Problems – schliesslich machen nicht die Menschen diesen Schreibfehler, sondern die bar jeglicher Intelligenz arbeitenden Autokorrektur-Funktionen in allen gaengigen Textverarbeitungssystemen vom Smartphone bis zum PC. Es ist traurig, dass in Deutschland jegliches Lernen, z.B. das Erkennen einer Konjunktion, immer sofort zu einer „Ueberforderung“ der Schueler erklaert wird – wenn (und weil?) die von diesen benutzten Computer es „auch“ nicht koennen …