So viel Sommer gab‘s den ganzen Sommer noch nicht! Kopenhagen präsentiert sich den Gästen der „MS Columbus 2“ in einem Himmelblau, das der Grau gewohnte Hanseat nur als verschwenderisch bezeichnen kann.
Dass Kopenhagen schön ist, wusste ich schon lange. Dass es sich an einem strahlenden Sommertag im August in die prächtigste und lebenswerteste Stadt der Welt verwandelt, das weiß ich seit heute. Bei der Bootsfahrt durch die Kopenhagener Innenstadt fiel man von einem Entzücken ins andere. Inzwischen ist es 17 Uhr, und wir laufen schon wieder aus. Was natürlich heißen soll: Das Schiff läuft aus. Aus dem Kaufmannshafen. So nämlich lautet die sinngemäße Übersetzung von Kopenhagen. Oder København, wie der Däne es schreibt. Wie er es spricht, das ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Das Dänische hört sich sehr kehlig an. Oder sollte ich sagen: køhlig? Denn es kommen viele Ö-Laute darin vor. Prinz Henrik, der aus Frankreich importierte Ehemann Königin Margaretens, sei an der dänischen Aussprache verzweifelt, berichtete uns unsere Fremdenführerin. Und dann machte sie uns vor, wie man „smørrebrød“ und „røde grøde med fløde“ wirklich ausspricht, und ich empfand für einen kurzen Moment tiefes Mitleid mit dem französischen Prinzen.
Jetzt ist von Kopenhagen nur noch ein zarter Strich am Horizont zu erkennen, und die Bordkapelle hat aufgehört zu spielen. Ein himmlischer Moment der Ruhe kehrt ein! Wer Ruhe sucht, ist auf einem Kreuzfahrtschiff nicht unbedingt an der günstigsten Adresse. Wie im Flugzeug, so meldet sich auch auf Schiffen regelmäßig der Kapitän oder ein launiger Offizier über Lautsprecher, um den Passagieren die Wetteraussichten mitzuteilen und die Entfernung zum nächsten Hafen in nautischen Seemeilen vorzurechnen. Manche Menschen schätzen diese Form der Ansprache, ich halte sie für entbehrlich. Aber ich halte auch Laubbläser für entbehrlich, und es werden trotzdem immer mehr.
Dies ist meine dritte Schiffsreise, und es ist die erste, bei der es keine Kleiderordnung gibt. „Leger“ hatte es im Prospekt geheißen. Der Smoking konnte also zuhause bleiben. Ein Jackett und eine Krawatte habe ich trotzdem eingepackt. An Bord konnte ich mich dann davon überzeugen, wie dehnbar die Bedeutung des Wortes „leger“ inzwischen ist. Im Restaurant in Shorts und Sandalen zu erscheinen, scheint vielen selbstverständlich. Vorhin stieg ein Rentner zu uns in den vollbesetzten Fahrstuhl, mit nichts als einer Badehose bekleidet. Das war mir dann doch etwas zu viel Haut, aber ich sagte nichts. Vielleicht liest er zufällig diesen Blog und hasst mich jetzt. Vielleicht aber zieht er sich beim nächsten Mal einen Bademantel über. Dann war dieser Eintrag wenigstens zu etwas gut.
Schon wieder reißt mich eine Lautsprecherdurchsage aus meinen Gedanken. In fünfzehn Minuten werden wir die „Queen Mary 2“ passieren, sagt der Offizier. Sofort macht sich Hektik breit, alles drängt aufs Oberdeck, um sich einen Aussichtsplatz zu sichern. Die „QM2“ habe ich im vergangenen Jahr kennen lernen dürfen, als ich mit ihr von Hamburg nach New York gefahren bin. Auch das war ein besonderes Erlebnis.
Diese Kreuzfahrt führt uns vier Tage und Nächte durch Ostsee und Nordsee. Gestern haben wir in Kiel eingeschifft. Das Verb „einschiffen“ kann man übrigens laut Wörterbuch auch reflexiv gebrauchen, man kann also auch „sich einschiffen“. Das klingt aber irgendwie missverständlich. „Einschiffen“ kann man jederzeit, aber „sich einschiffen“ sollte man nur im Notfall.
Bei der Begrüßung erfuhren wir, dass die „Columbus 2“ der jüngste Zuwachs der Hapag-Lloyd-Flotte sei. Noch bis vor Kurzem fuhr das Schiff unter anderem Namen für eine andere Reederei. „Hieß es vorher vielleicht Costa Concordia?“, fragte einer der Gäste und erntete fröhliches Gelächter. Man versicherte uns, dass dieses Schiff „unsinkbar“ sei. Außerdem sei der Kapitän kein Italiener. Wir hätten also nichts zu befürchten.
Morgen früh erreichen wir Oslo. Dort war ich noch nie. Entsprechend bin ich gespannt. Jetzt wird es Zeit für eine Stärkung, und dann freue ich mich auf meine Reiselektüre, den Roman „Als Gott ein Kaninchen war“ der englischen Autorin Sarah Winman.