»Hilfe, Herr Sick!«, wandte sich kürzlich ein Leser an mich. »Was ist denn hier passiert? Die Polizei erschießt einen Mann – mit einem Messer? Seit wann schießt die Polizei mit Messern? Ist das effizienter als mit Kugeln?« Dazu hatte er einen Zeitungsausriss mitgeschickt, auf dem die Überschrift zu lesen war:
Da musste ich natürlich schmunzeln. Die Überschrift war grammatisch zwar korrekt, aber missverständlich, da der Zusatz »mit Messer« sowohl auf den Erschossenen als auch auf die Art des Erschießens bezogen werden konnte. Tatsächlich ist die Messerschießerei der Polizei ein altbekanntes Phänomen im deutschen Journalismus. Weil die Formulierung so schön kurz und knackig ist, tappt die Presse regelmäßig in dieselbe Falle und lässt die Polizei ungewollt mit Messern schießen. Und nicht allein mit Messern. Erst im November letzten Jahres hieß es im Internet: »Polizei erschießt Mann mit Axt«. Im Dezember dann die Schlagzeile aus Wuppertal: »Polizei erschießt Mann mit Hammer«. Und kurz vor Jahresende las man über einen Einsatz in Stuttgart: »Polizei erschießt Mann mit Schwert«. Vermutlich war es ein Laser-Schwert, denn viele Polizisten sind »Star Wars«-Fans. Auch »Polizei erschießt Mann mit Machete« war als Überschrift bereits zu lesen. Und nicht zu vergessen: »Polizei erschießt Angreifer mit Spritze«. Wenn man der Presse Glauben schenken darf, bietet das Arsenal der Polizei eine Vielzahl der erstaunlichsten Geschosse.
In der Kürze liegt die Würze, heißt es, aber leider liegt darin auch bisweilen die Einladung zum Missverständnis. Vielen Lesern springt die Doppeldeutigkeit natürlich ins Auge, und einige wenden sich mit spöttischen Mails an die jeweilige Redaktion. In der Regel mit Erfolg: Spätestens am nächsten Tag ist die Überschrift in der Online-Ausgabe geändert. »Mann mit Hammer von Polizei erschossen« liest man dann, oder »Polizei erschießt Mann, der mit Hammer randaliert«. Das ist natürlich nicht mehr so kurz und knackig wie »Polizei erschießt Mann mit Hammer«, aber wenigstens nicht mehr doppeldeutig.
Auf »bild.de« war im Hammer-Fall keine Änderung nötig; denn dort hatte man sich gleich für den bewährten Nominalstil entschieden: »Polizei erschießt Hammer-Angreifer«. Das können ein paar Leser dennoch missverstanden haben, schließlich dient das Wort »Hammer« heutzutage in vielen Zusammenhängen als hammermäßige Verstärkung.
Die Überschrift »Polizei erschießt Mann mit Axt« änderte man auf »saarbruecker-zeitung.de« nachträglich in »Polizei erschießt einen mit Axt bewaffneten Mann«. Und der in Stuttgart mit einem Schwert Erschossene wurde auf »spiegel.de« zu »Mit Schwert bewaffneter Mann von Polizisten erschossen«. Auf »merkur.de« entschloss man sich zu einer Änderung im Stil der »Bild-Zeitung«: »Polizei erschießt Schwert-Mann«.
Ob das nun besser ist, sei dahingestellt. Es ist immerhin erfreulich, wenn sich die Online-Presse einsichtig zeigt und bereit ist, eine missverständliche Zeile umzuformulieren, auch wenn sie dadurch länger wird. Dass der gute Vorsatz halten wird, ist allerdings zu bezweifeln. Ich bin mir ziemlich sicher: Die nächste Erschießung mit einem Messer kommt bestimmt!
»Diebe mit Fährtenhund von der Polizei gesucht« ist auch eine gute Zeitungsmeldung, nicht wahr?
Mit nur zwei Zeichen mehr als bei „Polizei erschießt Mann mit Axt“ ginge es auch, nämlich so: »Polizei schießt: Mann mit Axt tot«
kannst noch den Doppelpunkt weglassen. Klingt bisserl kindlich – spart aber noch ein Zeichen 🙂
Ich wüsste eine „würdige“ Umschreibung: Polizei erschießt mit Messer bewaffneten Mann 🙂
Hallo Herr Sick,
die Geschichte um die Schlagzeile „Polizei erschießt Mann mit Messer“ erinnert mich an den dereinstigen Titel der Apotheken-Umschau „Besser leben mit Asthma“ – auch ein eher zweideutiger Titel, der im Heft sicher mit den besten Absichten zur Verbesserung der Lebensumstände von Asthmatikern ausformuliert wird.
Aber nicht von Asthmatikern, sondern von der Redaktion ;-).