Eines haben Ex-Präsidenten, Ex-Bundeskanzler und Ex-Vorstandsvorsitzende mit Ex-Ehemännern gemeinsam: Sie machen dem Ex-Volk, der Ex-Belegschaft und den Ex-Ehefrauen nachhaltig zu schaffen. Jedenfalls in sprachlicher Hinsicht.
Es gibt einen amerikanischen Schlager, der heißt „All my ex’s live in Texas“, auf Deutsch so viel wie: „Alle meine Verflossenen leben in Texas“. Warum ausgerechnet in Texas, das weiß allein der Songschreiber George Strait, vermutlich aber spielt der hübsche Reim dabei eine nicht unwesentliche Rolle.
Wenn George W. Bush irgendwann nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein wird, dann wird ein weiterer Ex in Texas leben. Ob er die Welt dann allerdings wirklich in Ruhe lässt, ist noch fraglich. Manche Schwierigkeiten fangen nämlich erst an, wenn alles andere überstanden ist, und dazu gehören die Schwierigkeiten mit dem Ex.
In einem rückblickenden Bericht über die Amtszeit Johannes Raus war ein Bild zu sehen, das das Ehepaar Rau in Tansania zeigte. Darunter stand: „Ex-Bundespräsident Johannes Rau und Ehefrau Christina in Tansania.“ Zwar stimmt es, dass Johannes Rau mittlerweile nicht mehr Bundespräsident ist. Aber als er im März 2004 mit seiner Frau nach Tansania flog, da war er es noch. Das Bild zeigt also nicht den Ex-Bundespräsidenten, sondern den damaligen Bundespräsidenten. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Ein anderer Artikel beschäftigte sich mit der Vorliebe einiger Politiker für medienwirksame Inszenierungen und nannte als Beispiel „die öffentliche Scheidung von Kanzler Schröder und seiner Ex-Frau Hillu, die der Ministerpräsident von Niedersachsen damals ganz offen auf der Seite eins der ,Bild‘-Zeitung zelebrierte.“
Zwar ahnt man, was gemeint war, doch kann die Ahnung nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Beispiel drei Fehler enthält. Fehler Nummer eins: Einen Kanzler Schröder, der eine öffentliche Scheidung zelebriert haben soll, gibt es nicht. Sehr wohl einen Gerhard Schröder, aber seit dieser Gerhard Kanzler ist, hat er nichts unternommen, was nach Zelebrierung einer öffentlichen Scheidung aussah.
Fehler Nummer zwei: Gerhard Schröder hat natürlich nicht versucht, sich von seiner Ex-Frau Hillu scheiden zu lassen. Das wäre auch äußerst töricht gewesen, zumal eine Scheidung pro Ehe nach deutschem Recht völlig ausreichend ist.
Fehler Nummer drei: Nicht der Ministerpräsident von Niedersachsen hat damals etwas gemacht, sondern der damalige Ministerpräsident von Niedersachsen hat etwas gemacht.
Nach Berichtigung der falschen Tatsachenbehauptungen liest sich das Beispiel nunmehr so: „die öffentliche Scheidung von Gerhard Schröder und seiner Frau Hillu, die der damalige Ministerpräsident von Niedersachsen ganz offen auf der Seite eins der ,Bild‘-Zeitung zelebrierte.“
Wann immer irgendwo auf der Welt ein Regime kollabiert, wird es besonders gefährlich. Dann laufen plötzlich jede Menge Ex herum, die von den neuen Machthabern gejagt werden. Wenn einer gefasst wird, so ist die Gefahr groß, dass man Sätze wie diesen liest: „Mahmud war Sicherheitsberater und ranghöchster Leibwächter des Ex-Präsidenten.“ Haben Ex-Präsidenten Sicherheitsberater? Eigentlich brauchen sie diese doch vor allem, solange sie noch Präsidenten sind. Gemeint ist natürlich: „Mahmud war Sicherheitsberater und ranghöchster Leibwächter des (damaligen) Präsidenten.“ Den Zusatz „damaligen“ kann man in diesem Fall sogar weglassen, denn dass der Präsident inzwischen selbst nicht mehr Präsident ist, spielt für Mahmuds einstige Tätigkeit als Sicherheitsberater eigentlich keine Rolle.
Richtig knifflig wird es, wenn es zum Beispiel um den Sänger Thomas Anders und sein Tun und Nicht-lassen-Können während der neunziger Jahre geht. Damals gab es Modern Talking nicht mehr, also könnte man ihn als Ex-Modern-Talking-Sänger bezeichnen. Aber 1998 hatte das Duo ein Comeback. Das hat glücklicherweise nicht lange gewährt, trotzdem bleibt die Frage, ob man Thomas Anders („Der Mann, der Nora war“) in der Zeit zwischen MT1 und MT2 tatsächlich als „Ex-Modern-Talking-Sänger“ bezeichnen kann. (Ich weiß, viele werden sich an dieser Stelle fragen, ob man Thomas Anders überhaupt als Sänger bezeichnen kann, aber das gehört nicht hierher…) Es ist indes nicht nötig, Thomas Anders heute als Ex-Ex-Modern-Talking-Sänger zu bezeichnen. Selbst wenn man dasselbe Amt zweimal bekleidet oder dieselbe Karriere ein zweites Mal versucht hat, bleibt man am Ende doch nur einmal Ex.
Nicht nur Regime und Musikgruppen können untergehen, sondern auch ganze Staaten. Ein berühmtes Beispiel finden wir auf unserem eigenen Territorium: Dort ging zuletzt ein Staat namens DDR unter. Seitdem wird viel von der ehemaligen DDR gesprochen, wie auch von der ehemaligen Sowjetunion und überhaupt dem ehemaligen Ostblock. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Eine Aussage wie „In der ehemaligen DDR gab es keine Freiheit“ ist unsinnig, denn „ehemalig“ wurde die DDR erst durch ihre Auflösung. Es muss heißen „In der DDR gab es keine Freiheit“. Wer von der „ehemaligen DDR“ spricht, meint damit das heutige Gebiet, das einst die DDR gewesen ist, und auf diesem ist das Nichtvorhandensein von Freiheit längst kein Thema mehr.
Ständig liest man von Sportlern, die „für die ehemalige DDR“ oder „für die ehemalige Sowjetunion“ an den Start gegangen sind. Demzufolge müsste der europäische Sportkader von Revanchisten und hoffnungslosen Ostalgikern durchsetzt sein.
Mitunter geschieht es, dass im Übereifer der Aspekt des Ehemaligen verdoppelt wird, was aber nicht unbedingt zu klareren Verhältnissen führt: Ist mit „mein damaliger Ex“ der damaliger Freund oder Mann gemeint, oder gab es bereits damals einen Ex, der inzwischen durch einen aktuellen Ex ersetzt wurde? Es scheint, dass hier das „Ex“ bis zum „Ex-Zess“ betrieben wird.
Für die Vorsilbe „Alt“ gilt übrigens dasselbe wie für „Ex“: Ob Altkanzler oder Altbundespräsident, wenn es heute um ihre Amtszeit geht, so muss es heißen „der damalige“.
Falsch: „Dies hatte der Altkanzler noch während seiner letzten Tage im Amt verfügt.“
Richtig: „Dies hatte der damalige Kanzler noch während seiner letzten Tage im Amt verfügt.“
Übrigens: Johannes Rau wird, wie alle seine noch lebenden Amtsvorgänger auch, immer noch mit „Herr Präsident“ angesprochen. Diese ehrenvolle Titulierung steht ihm protokollgemäß bis ans Ende seiner Tage zu.
Bleibt zum Schluss die Frage, ob man die Vorsilbe „Ex“ üblicherweise mit einem Bindestrich absetzt oder ob man sie mit dem anschließenden Wort zusammenschreiben sollte: Ex-Frau oder Exfrau, Ex-Trainer oder Extrainer, Ex-Exhibitionist oder Exexhibitionist? Beides ist richtig. Geläufige Zusammensetzungen wie Exminister, Expräsident, Exfreundin kann man getrost zusammenschreiben, weniger gewohnte und komplexere Zusammensetzungen wie Ex-Ameisenkönigin, Ex-Formel-1-Profi und Ex-Travestiestar gerne koppeln. Jeder wähle sich die Form, die er für die am besten lesbare hält.
(c) Bastian Sick 2004
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.