Freitag, 4. Oktober 2024

Leserpost aus Indien

Leserpost aus Indien
FOTO: Raj Path, Neu Delhi, Quelle: Wikipedia

Ich lerne Deutsch als Fremdsprache und habe sehr oft viele Leute sprechen hören: „ich höre Fady gerne“ oder „mir fällt es schwer, Goethe zu lesen“.

Da Deutsch nicht meine Muttersprache ist, weiß ich nicht genau, ob das richtig ist. Ich würde lieber sagen: „ich höre die Lieder von Fady gern“ oder „mir fällt es schwer, die Texte von Goethe zu lesen“.

Ich komme nächsten Monat dank des DAAD-Stipendiums nach Deutschland. Ich lese Sie gerne. Wenn ich genug Geld hätte, würde ich Sie bestimmt kaufen …

Prince Mendiratta

Mein Wohnort: New Delhi, Indien

Bastian Sick antwortet: Lieber Prince Mendiratta! Haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail. Ihr Deutsch ist exzellent! Dass meine Texte sogar bis nach Indien vordringen, ist unglaublich. Ich hoffe, „Prince“ ist Teil Ihres Namens und nicht etwa ein Titel, sonst hätte ich mich in der Anrede womöglich vertan.

Was Ihre Frage betrifft: Beide Beispielsätze sind korrekt. Zwar handelt es sich um umgangssprachliche Verkürzungen, aber im Gesprochenen sind Verkürzungen normal. Dass der Name eines Künstlers mit seinem Werk gleichgesetzt wird, ist nicht ungewöhnlich und kommt auch in der Literatur vor. Mir fällt dazu beispielsweise der Roman „Aimez-vous Brahms?“ der französischen Schriftstellerin Françoise Sagan ein, der auf Deutsch hieß: ?Lieben Sie Brahms?? Damit war nicht die Person Johannes Brahms gemeint, sondern seine Musik. Der Roman ist 1961 sogar verfilmt worden, mit Ingrid Bergman, Anthony Perkins und Yves Montand. Der englische Titel lautete allerdings nicht „Do you like Brahms?“, sondern „Goodbye again“. Mit dem Namen Brahms im Titel wäre das amerikanische Publikum offenbar überfordert gewesen.

Ein weiteres drolliges Beispiel für die Gleichsetzung von Künstler und Werk ist auf diesem Cartoon zu sehen, den der von mir sehr geschätzte Zeichner Martin Perscheid angefertigt hat:

 

Martin Perscheid

Gleichwohl sind Ihre längeren Versionen der beiden Beispielsätze eleganter ? außerdem enthalten sie zusätzliche Informationen, was mitunter sehr hilfreich sein kann. Zwar darf man voraussetzen, dass jeder halbwegs Gebildete weiß, wer Goethe war, doch dass es sich bei Fady um einen Sänger handelt (Fady Maalouf wurde 2008 bei ?Deutschland sucht den Superstar? Zweiter), gehört schon nicht mehr zur Allgemeinbildung.

Ich wünsche Ihnen einen guten Flug und eine fantastische Zeit in Deutschland! Falls Sie im Oktober noch hier sind, lade ich Sie herzlich ein, sich einen meiner Bühnenauftritte anzusehen. Die Termine finden Sie hier.

Es wäre mir eine Freude, Sie als meinen Gast begrüßen zu dürfen.

Herzliche Grüße, Ihr Bastian Sick

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Ein Kommentar

  1. Heidrun Prass

    Hohoho, lieber Herr Sick,
    man kennt Sie nicht nur in Indien, sondern auch in Ägypten! Ich arbeite hier im Ägyptisch-Deutschen Kulturzentrum, das sich allerdings mehr auf Deutschkurse und das Übersetzen technischer Wörterbücher ins Arabische (Online-Projekt ?Arabterm?) konzentriert. Unser Institutsleiter hat aus Deutschland sogar Ihre Bücher ?Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod? auf CD mitgebracht.
    Was übrigens diesen Buchtitel betrifft, so hat schon Goethe den armen Genitiv elegant um die Ecke gebracht: ?Ist doch keine Menagerie
    So bunt als meiner Lili ihre!?
    Ist unser Dichterfürst nun ein Sprachsünder?
    Vielen Dank für Ihre immer amüsanten und so gar nicht oberlehrerhaften ?Deutschstunden? und herzliche Grüße aus Kairo
    Heidrun Prass

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