KURZINFO BASTIAN SICK
Er gilt hierzulande als der Deutsch-Papst. Sein erstes Werk zum Thema Rechtschreibung und Grammatik „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ bescherte ihm den Durchbruch. Bastian Sick zeigt uns immer wieder die kleineren und größeren Fehler auf, die sich im Laufe der Zeit und im Zuge der Anglizismen in unseren Sprachgebrauch eingeschlichen haben. Dabei will er nicht belehren, sondern zum Denken anregen. Das gelingt ihm wie keinem Zweiten – Mission erfüllt!
DAS INTERVIEW
Norman Habenicht: Hallo, Bastian! Ich bin selbst gerne Klugscheißer in Bezug auf die deutsche Grammatik und Rechtschreibung, aber in deiner Gegenwart bin auch ich ziemlich nervös. Berichtigst du deine Freunde und Bekannte privat, oder hältst du dich mit Belehrungen vornehm zurück?
Bastian Sick: Ich verbessere niemanden im Gespräch. Das war nie meine Art. Als Schüler bin ich selbst früher oft verbessert worden und habe das als normal empfunden. Unter Erwachsenen ist das etwas anderes. Eine Korrektur bewirkt einen Moment der Verunsicherung beim Gesprächspartner und bringt ihn womöglich aus dem Takt. In einem Gespräch mit Freunden ist die Grammatik zweitrangig. Da geht es um Gefühle; um das, was mitzuteilen ist, um Sorgen, um Freuden, um Träume, um Pläne – Grammatik ist da nur Mittel zum Zweck. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen ich gezielt gefragt werde, was denn nun richtig sei, und dann gebe ich meinen Senf dazu. Aber ich tue das – wie in meinen Kolumnen auch –, ohne real existierende Menschen bloßzustellen. Es war nie mein Anliegen, Menschen vorzuführen. Das überlasse ich dem Privatfernsehen. Meine Aufgabe ist es, Empfehlungen auszusprechen, Ratschläge zu erteilen und Licht ins Dunkel des Sprachdschungels zu bringen.
Norman Habenicht: In Büros und Agenturen erlebt man es immer wieder. Jemand ist sich bei der Rechtschreibung unsicher und befragt die Kollegen. Der schnellste Google-Rechercheur wirft dann nach kurzer Zeit ein: „Geht beides!“. Wie beurteilst du diese Aufweichung der Regeln?
Bastian Sick: Rechtschreibung mit Google zu recherchieren, halte ich für sehr problematisch. Google kennt nicht den Unterschied zwischen Kaffee, Café und caffè. Google glaubt, dass die Mehrzahl von „Baby“ nicht „Babys“ sei, sondern „babies“, weil es nun mal mehr englische Einträge gibt als deutsche. Google hat keinen Schimmer, hinter welcher Präposition der Dativ und wann der Genitiv gebraucht wird. Im Zweifelsfall bemühe ich nach wie vor den Duden. Der lässt seit der Rechtschreibreform zwar oft zwei Schreibweisen gelten, spricht aber meistens eine Empfehlung aus. Mein nächstes Buch wird den Titel haben: „Füllen Sie sich wie zu Hause“, und wir haben noch nicht festgelegt, wie wir „zu Hause“schreiben wollen. Ich bevorzuge ja die alte Schreibweise „zuhause“ – in einem Wort, genau wie „daheim“. Der Duden aber empfiehlt „zu Hause“.
Norman Habenicht: Beim Thema deutsche Rechtschreibung und Grammatik bist du über jeden Zweifel erhaben. Das sind aber glücklicherweise ein paar mehr Leute in Deutschland. Dich hat darüber hinaus jedoch dein schauspielerisches Talent mit einem eigenen Programm auf die Bühne und ins Fernsehen gebracht. Wann und wie bist du dir dieser Fähigkeit, Menschen zu unterhalten, bewusst geworden?
Bastian Sick: Ich habe immer schon gern Geschichten geschrieben. Meinen ersten Roman schrieb ich im Alter von zehn Jahren; eine abenteuerliche Geschichte von Machtspielen und Verrat. »Die gestohlene Krone« lautete der Titel. Meine Mitschüler erhielten darin Rollen: als Königinnen und Könige, als Geistliche oder Fürsten, als Ritter oder Gesandte. In den Pausen las ich das neueste Kapitel vor, stets umringt von meinen Klassenkameraden, die darauf brannten zu erfahren, was als Nächstes mit ihnen passierte. Irgendwann bekam das mein Deutschlehrer mit. Er war so beeindruckt von meiner Fantasie, dass ich die neuesten Kapitel nicht mehr in den Pausen, sondern zu Beginn der Deutschstunde vorlesen sollte. So kam ich als Fünftklässler zu meinem ersten Auditorium. Außerdem sang ich im Schulchor und war Mitglied unserer Theatergruppe. Ich war es also schon früh gewohnt, vor Publikum aufzutreten. Vom Schultheater auf die große Bühne ist es natürlich noch ein ziemlicher Sprung. Ich habe einfach jede Herausforderung angenommen, die sich mir durch meine Tätigkeit als Autor bot.
Norman Habenicht: Hand aufs Herz: Hast du selbst schon mal einen Fehler beim Sprachgebrauch gemacht, auf den du dann direkt von einem Freund, Bekannten oder Zuschauer aufmerksam gemacht wurdest? Im Grunde genommen darfst du den Menschen ja nicht die geringste Angriffsfläche bieten …
Bastian Sick: Warum darf ich das nicht? Ein Arzt darf sich doch auch mal erkälten und ein Sternekoch auch mal einen Cheeseburger essen. Ich mache selbstverständlich Fehler, beim Tippen sogar sehr häufig. Meine Leser hauen mir solche Verschreiber gnadenlos und lustvoll um die Ohren. Kürzlich wies mich ein Freund in einer Mail darauf hin, dass ich in einem Beitrag auf meiner Website das Wort “Freunde” ohne “r” geschrieben habe: „Feunde“ stand da.
Ich dankte ihm mit den Worten: „Du bist ein wahrer Feund! Dich möchte man nicht zum Freind haben!“
Norman Habenicht: Wie gestaltet sich bei dir die nahe Zukunft? Wird es bald ein neues Buch oder andere Projekte geben? Wo können dich deine Fans auch mal live sehen?
Bastian Sick: „Füllen Sie sich wie zu Hause“ wird im Oktober erscheinen – pünktlich zum Start meiner neuen Tournee. Ich bin dann mit meinem neuen Bühnenprogramm in rund 30 Städten in Deutschland, der Schweiz und Österreich zu sehen.
BITTE VERVOLLSTÄNDIGE FOLGENDE SÄTZE:
Meine Lieblingsfächer in der Schule waren … Deutsch, Geschichte, Französisch, Englisch und Musik, gefolgt von Erkunde, Kunst und Religion. Was ich noch gern gelernt hätte: Spanisch, Schwedisch und Türkisch.
Bei den Gesprächen zwischen Jugendlichen in öffentlichen Verkehrsmitteln … kann man viel über Sprachwandel lernen und Rückschlüsse auf die Qualität des Deutsch- und Ethikunterrichts an unseren Schulen ziehen.
Lampenfieber vor Auftritten … habe ich selbstverständlich und finde es ausgesprochen lästig. Die Nervosität macht mich ziemlich ungenießbar. Aber sowie ich auf der Bühne bin, ist der Hormonhaushalt wieder ausgeglichen.
Zahlen sind für mich … genauso wichtig wie Buchstaben. So gern wie ich Scrabble spiele, so gern löse ich Sudoku.
Wenn irgendwann alle Deutschen ihre Sprache fehlerfrei beherrschen … sind sie offenbar alle zu Maschinen geworden. Denn unsere Fehler sind es, die uns als Menschen ausmachen.
Das Interview auf www.5einhalb.de
Erkunde – köstlich 🙂
Ist es der Gedanke, die Erde zu „erkunden“ der dich bewogen hat, den Buchstaben „d“ wegzulassen?
Vielen Dank aber, für all die wundervollen Newsletter!
Sie machen immer Freude.
Das ist ein wunderbares Interview, das mir hilft, mich als Mitbetroffener besser zu orientieren.