Sonntag, 20. Oktober 2024

An was erkennt man schlechten Stil?

Auf was kommt es beim Sprechen besonders an? Über was sollte man sich mehr Gedanken machen? Gegen was sollte man sich wehren? Das sind Fragen, die es in sich haben! Menschliches Sagen und Ver-sagen spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Der junge Mann vom Radiosender wirkt reichlich nervös. Es sei sein erstes Interview, verrät er mir, und das ausgerechnet mit einem Experten für die deutsche Sprache! „Keine Angst, ich beiße nicht!“, versuche ich ihn zu beruhigen, „fangen Sie einfach an!“ Der junge Mann drückt auf die Aufnahmetaste seines Diktiergerätes, hält mir das Mikrofon vor die Nase und fragt: „Erzählen Sie unseren Hörern doch bitte, durch was Sie zum Schreiben gekommen sind.“ – „Durch meine Arbeit als Schlussredakteur“, erwidere ich, „ich habe zunächst einige Jahre die Texte meiner Kollegen korrigiert. Dabei habe ich so die eine oder andere Beobachtung gemacht, die ich später in meinen Kolumnen verarbeitet habe.“ – „Verstehe“, sagt der Radioreporter und kommt gleich zur nächsten Frage: „Bei was zucken Sie denn am häufigsten zusammen?“

„Sie wollen wissen, wobei ich besonders häufig zusammenzucke?“ Der junge Mann nickt: „Genau! Über was regen Sie sich am meisten auf?“ –„Aufregen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Auffallen trifft es eher. Es gibt immer wieder Dinge, die mir auffallen, weil sie gegen meine Sprachgewohnheiten verstoßen. Ich beobachte, höre, lese, notiere – und irgendwann fange ich an, darüber zu schreiben.“ – „Mit was beschäftigen Sie sich im Moment?“, fragt der Radioreporter weiter. „Mit nichts Konkretem. Aber gerade kommt mir der Gedanke, eine Geschichte über Pronominaladverbien zu schreiben.“ – „Um was handelt es sich dabei genau?“ – „Pronominaladverbien werden auf Deutsch Umstandsfürwörter genannt; das sind kleine nützliche Platzhalter, die eine Fügung aus Präposition und Pronomen ersetzen.

Ein Beispiel: Die Antwort auf die Frage ,Liegt es am Wetter?‘ könnte lauten: ,Ja, es liegt an ihm‘. Üblicherweise drückt man es aber kürzer aus: ,Ja, es liegt daran‘ oder ,Ja, daran liegt es‘. Das Wort ,daran‘ ist so ein Umstandsfürwort. Es ersetzt die beiden Wörter ,an ihm‘. Diese Pronominaladverbien sind sehr praktisch – leider geraten sie an einigen Stellen aus der Mode, gerade die mit ,wo‘ gebildeten.“ – „Und an was liegt das Ihrer Meinung nach?“ – „An falschen Vorbildern. Zum Beispiel daran, dass viele Radiosender keinen Wert auf grammatische Feinheiten legen und sich der Umgangssprache bedienen, um frisch und jung zu wirken.“ Der Reporter spricht das Schlusswort: „Dann bekommen wir in Ihrer Kolumne also demnächst was über … prominente Verben zu lesen. Da freue ich mich schon drauf. Vielen Dank für dieses Gespräch!“

Mit was man als Leser so alles konfrontiert wird...

Mit was man als Leser so alles konfrontiert wird…

Auch ich bin voll des Dankes für das Gespräch, liefert es mir doch gleich ein halbes Dutzend Beispiele für den Rückgang der mit „wo“ gebildeten Umstandsfürwörter. Möglicherweise werden diese Umstandsfürwörter von vielen eher als umständliche Fürwörter empfunden, das würde ihr Verschwinden aus der Alltagssprache erklären; dennoch gelten „woran“, „womit“ und „wofür“ nach wie vor als die bessere Wahl; die Formen „an was“, „mit was“ und „für was“ sind umgangssprachlich und sollten in Aufsätzen und Briefen ebenso vermieden werden wie in Fernsehsendungen und Radiobeiträgen.

Im norddeutschen Raum lässt sich eine starke Tendenz zum Auseinanderreißen der Pronominaladverbien feststellen. Statt „dagegen habe ich nichts“ sagt der Hamburger gern: „Da habe ich nichts gegen!“ Wenn man sich in Schleswig-Holstein einer Sache absolut sicher ist, dann sagt man nicht „Darauf kannst du Gift nehmen“, sondern „Da kannst du Gift drauf nehmen!“ Wobei „drauf“ ja die verkürzte Form von „darauf“ ist – die Präposition „da“ also überflüssigerweise verdoppelt wurde. Und wenn man keine Ahnung hat, sagt man: „Da weiß ich nix von.“

Besonders kurios ist die norddeutsche Erwiderung auf das Wort „Danke“. So wie der Franzose ein „Merci“ mit „de rien“ („für nichts“) erwidert und ein Spanier auf ein „gracias“ mit „de nada“ zu antworten pflegt, so erwidert der Norddeutsche ein „Danke“ mit den Worten: „Da nich‘ für!“ – kurz für „Dafür brauchst du mir nicht zu danken“. Wer von weiter südlich kommt, findet das meistens recht seltsam. Da nimmt ein Hesse genauso Anstoß dran wie ein Bayer. Und so vermerkt denn auch der Duden, dass die Trennung der Pronominaladverbien umgangssprachlich und vor allem in Norddeutschland anzutreffen sei.

Die Neigung, das vorangestellte „wo“ durch ein nachgestelltes „was“ zu ersetzen, ist allerdings nicht nur im Norden vorhanden. „Von was ernähren sich Erdmännchen?“, fragt man sich auch andernorts, und wenn wieder einmal irgendwo demonstriert wird, stellt man sich nicht nur im Norden die Frage: „Gegen was demonstrieren die denn nun schon wieder?“ Nach dem Tod des Palästinenserführers Jassir Arafat schrieb eine Internetzeitung prompt: „An was starb Arafat?“

Wer wissen möchte, woran es gutem Stil bisweilen gebricht und womit man seinen Ausdruck aufwerten kann, der werfe ein Auge auf nachstehende Tabelle: Sie enthält sämtliche „was“- und „wo“-Formen, die unsere Sprache kennt.

 

An was oder woran?
Umgangssprachliche Form Standardsprachliche Form
an was woran
auf was worauf
aus was woraus
bei was wobei
durch was wodurch
für was wofür
gegen was wogegen
hinter was wohinter
in was worin
mit was womit
nach was wonach
neben was woneben
über was worüber
um was worum
unter was worunter
von was wovon
vor was wovor
zu was wozu
zwischen was wozwischen

 

(c) Bastian Sick 2005


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 3“ erschienen.

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Ein Kommentar

  1. Hallo Herr Sick!
    Ich habe soeben in einem Zeitungsartikel folgenden Satz gelesen: „Bhutto flog nach der Tat nach Manchester, von wo aus er die Lösegeldverhandlungen führte.“ – das hat mich ein wenig verwirrt. Ist das nun richtig, oder müsste es „wovon aus“ heissen?

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