Das Erfinden neuer Wörter ist eine Kunst. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Menschen daran versucht. Die meisten Wortschöpfungen entpuppten sich als Eintagsfliegen, andere aber fanden Eingang in die Volkssprache und wurden zu einem festen Bestandteil des deutschen Wortschatzes.
Noch heute versuchen sich Menschen im Erfinden neuer Wörter. Nur selten gelingt dabei ein großer Wurf. Ab und zu schon, wie die alljährlich gekürten Wörter und Unwörter des Jahres bezeugen. Manchmal aber kann eine Wortschöpfung auch komplett nach hinten losgehen. So wie im Falle der Neubauwohnungen, die als „barrierefreundlich“ angepriesen werden.
Der Zusatz „-freundlich“ klingt immer positiv: ob menschenfreundlich, raucherfreundlich oder schwulenfreundlich. Im Zusammenhang mit Immobilien erwartet man freundliche Attribute wie „familienfreundlich“, „kinderfreundlich“ oder „behindertenfreundlich“. Die Eigenschaft „barrierefreundlich“ erwartete man bislang weniger. Aber warum eigentlich nicht? Bestimmt gibt es Menschen, die veritable Hindernisliebhaber sind, die vor Begeisterung aufheulen, wenn sie sich an einem unerwarteten Mauervorsprung stoßen, die keine Angst vor Schwellen (Schwellenangst) haben, die hohe Treppenabsätze als Herausforderung einstufen, eingeschränkte Fernsicht als befreiend und mannshohe Trennwände als nachbarschaftsfördernd betrachten. Für solche Menschen wäre eine barrierefreundliche Wohnanlage genau das Richtige.
Für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung käme sie hingegen weniger in Frage. Denn Barrieren (von frz. barrière = Schranke, Absperrung, Hindernis) stehen nun mal im Wege, und wer nicht gut zu Fuß ist, kann keine zusätzlichen Hindernisse gebrauchen. Beeinträchtigte Menschen hätten eher was von einem behindertenfreundlichen Wohnobjekt. Und wer freie Aussicht schätzt, für den käme eine barrierefreie Immobilie eher in Betracht. Die steht hier allerdings nicht zur Diskussion.
Als Baubeginn war das Frühjahr 2009 vorgesehen, demnach dürfte die Anlage inzwischen fertig sein. Vorausgesetzt, es haben sich dem Unternehmen keine unerwarteten Barrieren in den Weg gestellt.
(c) Bastian Sick 2012