Sonntag, 20. Oktober 2024

Smile :-)

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Viele Menschen sind überzeugt davon, dass wir nicht allein im Weltall sind. Sie glauben an die Existenz fremder Besucher aus fernen Welten. Unsinn? Keineswegs, denn die fremden Besucher sind längst unter uns! Überall grinsen, zwinkern, feixen und staunen sie uns entgegen. „Emoticons“ werden sie genannt, Gesandte vom Planeten Lol aus dem Sternbild Sonderzeichen. Ganze Heerscharen von ihnen sind dabei, unsere Welt im Sturm zu erobern.

Alles begann im September 1982, als ein amerikanischer Informatiker der Carnegie-Mellon-University in Pittsburgh seinen Kollegen empfahl, aus den Satzzeichen Doppelpunkt, Bindestrich und rechter Rundklammer  ein – auf der Seite liegendes – lachendes Gesicht zu bilden, um scherzhafte Äußerungen zu markieren. 🙂

Auf diese Weise sollten Missverständnisse vermieden werden. Denn Informatiker neigen oft zu Ironie, und mit der Ironie ist es bekanntlich so, dass sie nicht von jedem als solche erkannt wird. Die Empfehlung des Pittsburgher Gelehrten gilt als Geburtsstunde der sogenannten Emoticons: Kombinationen aus Satzzeichen, Zahlen und Buchstaben, die Gefühlszustände wie Heiterkeit, Erstaunen und Empörung zum Ausdruck bringen.

Eigentlich hatte alles bereits im Dezember 1963 begonnen, als ein amerikanischer Werbegrafiker von einem Versicherungsunternehmen beauftragt wurde, ein Motiv für eine Anstecknadel zu entwerfen, mit der man das Betriebsklima verbessern wollte. Für ein einmaliges Honorar in Höhe von 45 Dollar entwarf er ein stilisiertes lächelndes Gesicht, das aus zwei Punkten und einem gebogenen Strich in einem gelben Kreis bestand. Dies gilt als Geburtsstunde des Smileys.

Tatsächlich hatte alles womöglich noch viel früher begonnen, denn Strichmännchengesichter, die aus Satzzeichen zusammengesetzt wurden, waren unter Grafikern und Setzern schon im 19. Jahrhundert bekannt und zierten manche Fachzeitschrift. Doch erst dank der Computer und des Internets wurden sie schließlich zu einem Massenphänomen.

Meine ersten E-Mails schrieb ich Ende der 90er-Jahre. Und schon früh machte ich Bekanntschaft mit dem lachenden 🙂 und dem zwinkernden Gesicht ;-). Dabei bleibt es jedoch nicht. In den E-Mails meiner Freunde und Kollegen tauchten immer neue Emoticons auf.
Da gab es solche, die recht verkniffen dreinschauten =(
den Mund verzogen :/
oder mir frech die Zunge rausstreckten :-p
Es gab wütende mit gesenkten Augenbrauen >:(
und traurige, bei denen eine Träne floss :’(
Und es gab das teuflische Grinsen 3:D

Ich muss gestehen, dass ich irgendwann den Überblick verlor. Die Emoticons vermehrten sich wie Gremlins; und das fast überall auf der Welt. Ganz besonderer Beliebtheit erfreuen sie sich bei den Japanern, was auf der Hand liegt, da die Japaner durch ihre figurale Schrift seit jeher an Strichzeichen gewohnt sind. Ganze Legionen japanischer Emoticons wurden erschaffen, und der auffallendste Unterschied zu den hier bekannten ist, dass die Gesichter nicht auf der Seite liegen.
Das japanische Zeichen für ein offenes Lachen ist (^_^)
und das Zeichen für Weinen ist (;_;)
Sind neben dem Lachen noch zwei hochgestreckte Arme zu sehen
|(^_^)/
so bedeutet dies „Banzai!“, zu deutsch: „Hurra!“. Bemerkenswert ist auch das Zeichen für einen Menschen, der Kopfhörer trägt: d(^_^)b

Für viele Menschen sind Emoticons zu einer unerlässlichen Verzierung ihres Stils geworden. Eher lassen Sie in einer E-Mail die Anrede oder die freundlichen Grüße am Ende weg, als dass sie auf ein Emoticon verzichten würden. In vielen Kurzkommentaren und Forumseinträgen sieht es so aus, als hätten die Strichmännchengesichter die herkömmliche Interpunktion abgelöst. Je mehr Emoticons dem Leser entgegengrinsen oder -zwinkern, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Komma an der richtigen Stelle steht.

Mein anfängliches Interesse an der Strichgesichterkultur hat sich mit der Zeit verflüchtigt. Über die meisten Emoticons lese ich heute emotionslos hinweg. Doch es gibt auch immer wieder Fälle, wo die Zeichen wieder zu Wörtern werden und man zwischen Sternchen *lach* liest, *breitgrins*, *hi hi*, *grummel* oder *hüstel*. Das hat was von Comicsprache, und die zählt immerhin zu einem eigenen künstlerischen Genre. Drollige Formen wie *verwirrtguck* oder *rotwerd*, *dahinschmelz* oder *im-Boden-versink-vor-Scham* sind vielleicht noch nicht geeignet, um die Laudatio bei der nächsten Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels zu verzieren, doch zeugen sie von einer gewissen Befähigung zur Wortspielerei, und das ist mehr, als jedes stereotyp lächelnde Strichgesicht jemals über einen Menschen aussagen könnte.

Längst sind wir nicht mehr auf Kommas, Punkte und Klammern angewiesen, um unsere Gefühle in Textnachrichten und Kommentaren zum Ausdruck zu bringen. Moderne Programmiertechnik hat dafür gesorgt, dass jede SMS und jeder Facebook-Eintrag auf Wunsch mit einer lachenden, weinenden, gähnenden, verwirrten, schamerfüllten oder wutgeröteten Fratze verziert werden kann:

 

Welch großartige Neuerung! Denn seien wir mal ehrlich: Ohne Emoticons wäre unsere Sprache doch völlig ausdruckslos! (Das war ironisch gemeint, und ich hoffe, meine Leser sind in der Lage, das auch ohne ein zwinkerndes Strichgesicht zu erkennen.)

Auch in den Schreibprogrammen unserer Computer sind die gelben Gesichter inzwischen fest verankert. Nach dem letzten Update war bei mir plötzlich die Funktion „Sonderzeichen“ verschwunden. Ich verspürte bereits einen leichten Anflug von Panik, denn auf Besonderheiten wie æ, ij und č kann ich unmöglich verzichten. Zu meiner großen Erleichterung stellte sich heraus,  dass die Sonderzeichen noch da waren, nur hießen sie jetzt anders, nämlich: „Emoji und Symbole“. Der Software-Hersteller hat das Update zum Anlass genommen, sämtliche Umlaute, Klammern, Akzente und sonstige Sonderzeichen (einschließlich der griechischen Buchstaben) im Handstreich zu degradieren und sie den neu hinzugekommenen Bildzeichen unterzuordnen. „Emoji“ sind übrigens nicht nur Strichgesichter, sondern Bildzeichen aus allen Bereichen des Lebens wie Ernährung (), Reisen () und Natur (). Auch Gestirne, Tiere, Wettersymbole und Länderfahnen zählen dazu. Emoji ist japanisch und bedeutet „Bildschriftzeichen“. Vielleicht kündigt sich hier bereits ein künftiges Stadium unserer Schriftsprache an: Statt mit langweiligen, eintönigen Wörtern schreiben wir mit lustigen, bunten Bildchen! Dann können unsere Texte selbst von Japanern verstanden werden! Ein kleiner Vorgeschmack gefällig?

Sie: Hallo !
Er: Hallo !
Sie: Was machst du gerade?
Er: . Und du?
Sie: !  wir uns nachher?
Er: 
Sie: Kommst du mit  oder ?
Er: !
Sie: Was willst du ? oder?
Er:!
Sie: Und  was  machen wir danach? oder ?
Er:
Sie: Lass uns vorher noch, ok?
Er: 
Sie: 
Er: 

Ich muss zugeben, ich bin kein großer Freund von Symbolen. Ich trage auch keine T-Shirts, auf denen das Wort „liebe“ durch ein Herz ersetzt ist. Ich war nie gut im Deuten von Zeichen. Auf meinem Computer verwechsle ich ständig die Symbole für Browser, Vorschau, Mail-Programm und Bildbearbeitung. Worte wären mir lieber: „Mail“ statt einer Briefmarke, „Internet“ statt eines Kompasses, „Foto“ statt einer Prilblume. Aber das ist meine ganz persönliche Schwäche; die meisten Menschen kommen mit Symbolen bestens klar und haben dafür eher mit Worten Probleme.

Kein Wunder also, dass die Emoticons und die Emoji weiter auf dem Vormarsch sind. In einer Pressemeldung teilte die zu Facebook gehörende Internetplattform Instagram mit, dass nahezu jeder zweite auf Instagram veröffentlichte Text ein Emoji enthalte. Abkürzungen wie LOL und OMG würden dafür seltener. Am Emoji-freundlichsten seien die Finnen. Sie verwenden in fast zwei Drittel aller Einträge auf Instagram ein Bildzeichen. Die Deutschen lägen mit 47 Prozent auf Platz vier. Das Schlusslicht bilde Tansania, wo nur zehn Prozent der Texte mit einem Emoji versehen sind.

Wenn es mir hier eines Tages zu  wird und ich mich zwischen all den  wie ein  fühle, wandere ich eben nach  aus.


 

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Zwiebelfisch: Kein Bock auf nen Date?

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11 Kommentare

  1. Frau ist ja versucht ein „Emoji“ (für mich noch blöder als Emoticon) für den Kommentar zu verwenden, aber ich sach einfach ma: sehr schön und mir aus der Seele gesprochen. Vielen Dank auch

  2. Als Zutat zum Würzen sehe ich die Emoticons durchaus gern, jedoch nicht als Ersatz für Wörter. Ich bin begeistert von der Skype-Pizza, dem dortigen Bierhumpen, dem tanzenden Männchen und diversen anderen hier nicht nennbaren Bewegtzeichen.
    Aber eben als „Streuzucker“ auf dem Wörterkuchen – nicht als Ersatz…

  3. Karlheinz Path

    Mit diesem Unsinn sollte man anders umgehen und nicht so zurückhaltend, ja fast mit Verständnis, darüber berichten.

  4. Lieber Herr Sick,

    venia sit OT:
    in Abs. 7 steht: „Ganze Legionen japanischer Emoticons wurden erschaffen“. Gehen Sie doch bitte in sich und zapfen Sie Ihren „Gutes-Deutsch-Thesaurus“ an! Das muss nämlich „geschaffen“ heißen! Machen Sie doch bitte nicht den Stammverben-Unterdrückungsstuss Ihrer Kollegen mit!

    Danke schon jetzt (statt dem unsäglichen „im Voraus“ – Großschreibung im Adverb — Schüttel-schüttel).

    Ihr V. Morstadt

  5. Peter Damaschke

    Köstlich!

  6. Sie sprechen mir aus der Seele! Mich nerven diese Dinger auch ungemein.
    Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.

  7. Monika Fricke

    Einige dieser Dinger, die mir im Laufe der Jahre begegnet sind, gefallen mir recht gut. Sparsam und überraschend eingesetzt, können sie mich schon zum Schmunzeln bringen. Besonders, wenn sie sich bewegen.

    PS zu etwas ganz Anderem:
    Sie schreiben, dass der amerikanische Webegrafiker „ ein Honorar in Höhe von 45 Dollar“ bekam. Warum „in Höhe von“ und nicht nur „von“? Ich verzichte schon seit mindestens 25 Jahren auf die beiden überflüssigen Wörter und habe viel Zeit, Tinte und Papier gespart.

  8. Karin Hahn-Schwehn

    Man mag sich nicht vorstellen, welche Formen diese Kunstsprache (Kann man sie überhaupt noch Sprache nennen?) noch annehmen wird. Hat man vor Jahren noch ungläubig den Kopf geschüttelt, als ein Sprachwissenschaftler düstere Visionen entwarf und dabei meinte, in nicht allzu ferner Zukunft käme der „normale Mensch“ mit 500 Wörtern aus, dann muss man heute sagen: wenn er die dann noch anwenden kann und wird. Beängstigend!

  9. Die Bildsprache wie oben geschildert ist schon recht extrem, insbesondere da Icons wie das „zZz“ oder „[Herz]“ doch Onomatopoeia und _nicht_ Teil des ‚Gesprochenen‘ (auch in dessen Textform) sind. Symbolik wie [zZz] und [Herz] finden Sie in bspw. Asterix-Comics ja auch nicht in den Sprechblasen, sondern außerhalb dieser.

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