Sonntag, 20. Oktober 2024

Fremdenferkel und Marmelade ohne Präservativ

Deutsch zu sprechen ist oft schwer, Deutsch zu lernen noch viel mehr. Davon können unsere ausländischen Mitbürger ein Lied singen. Ein Lied mit bisweilen recht lustigen Strophen. Denn auf dem Weg zur Beherrschung der Sprache lauern viele kuriose Missverständnisse.

Deutsch zu sprechen ist oft schwer, Deutsch zu lernen noch viel mehr. Davon können unsere ausländischen Mitbürger ein Lied singen. Ein Lied mit bisweilen recht lustigen Strophen. Denn auf dem Weg zur Beherrschung der Sprache lauern viele kuriose Missverständnisse.

So wie meiner französischen Freundin Suzanne, die die Bitte, „im Wartezimmer gerade Platz zu nehmen“, als Aufforderung zum aufrechten Sitzen gedeutet hatte, geht es vielen, die sich anschicken, die deutsche Sprache zu erlernen.

Dass dabei – gerade in der Anfangszeit – viele Fehler gemacht werden, ist selbstverständlich. Fehler machen ja selbst wir noch reichlich, die wir Deutsch mit der Muttermilch aufgenommen haben. So manche Lektion, die man beim Erlernen einer fremden Sprache lernen muss, mag bitter sein. Einiges kann aber auch sehr erheiternd sein. Und davon berichten hier die Zwiebelfisch-Leser:

Ein Freund, ein ökologisch gesinnter Student aus den USA, wollte Anfang der achtziger Jahre in einem Bäckerladen in Berlin Moabit zu den Frühstücksbrötchen noch Marmelade kaufen, und zwar solche, die kein chemisches Schutzmittel gegen Fäulnis enthielt, also ohne chemische Konservierungsstoffe, und verlangte von der Verkäuferin: „Dann noch Erdbeermarmelade, aber ohne Präservativ!“

Gotthard Schmidt, Moers


Meine Frau Cecilia ist Argentinierin und weckte mich eines Morgens nach einem Blick aus dem Fenster mit dem Satz „Es hat geschnitten!“ Sie meinte natürlich „geschneit“. Ist bei uns inzwischen ein Klassiker, wann immer sich ein paar weiße Flocken zeigen …

Helge Holler


Ich lerne zwar nicht Deutsch, sondern unterrichte es in Ungarn. Im Moment fällt mir nur ein besonders schöner Fehler ein. Ich unterrichte an einer Schule für Fremdenverkehr, und das ist natürlich ein sehr schweres Wort. Eine Schülerin (9. Klasse) hat daraus eine „Schule für Fremdenferkel“ gemacht.

Heidrun Tóth-Loesti, Nyíregyháza (Ungarn)


Eine Vietnamesin in einer Apotheke in Aue:

Vietnamesin: „Mein Sohn hat im Auto immer so rote Augen, wenn Fenster offen.“ Apothekerin: „Da müssen Sie das Fenster schließen.“ Vietnamesin: „Geht nicht, so heiß, kein Klima.“ Apothekerin: „Das kommt davon, weil er im Zug sitzt.“ Vietnamesin: „Nein, nicht im Zug, im Auto!“ Apothekerin: „Ich meine den Zug, der durch das Auto geht.“ Vietnamesin: „Nein, kein Unfall! (Oder hat sie „Umfall“ gesagt? Vietnamesen hören ja bekanntlich z. B. keinen Lautunterschied zwischen „Wald“ und „Wand“.) Er gesund. Nur Augen rot.“

Ich wollte mich einmischen und erklären, dass ein Zug auch ein Wind sein kann, der durch das Auto weht. Das habe ich mir aber verkniffen, denn ich wollte nicht noch mehr Verwirrung stiften.

Ich verließ die Apotheke und wartete lieber draußen, bis die Kundin nach einiger Zeit mit zufriedenem Lächeln die Apotheke verließ. Wie es dazu kam, weiß ich allerdings nicht.

Klaus Schurig, Aue, Erzgebirge


 

Ihre Schilderung von Suzanne beim Arzt erinnert mich an ein Erlebnis einer spanischen Kollegin. Dieser wurde beim Arzt in Deutschland mitgeteilt, dass sie eine Infusion erhalten und deshalb noch etwas Zeit in der Praxis verbringen müsse. Nun bedeutet eine „infusión“ im Spanischen wohl primär einen Aufguss, sprich: einen Tee! Meine Kollegin weigerte sich daher strikt, nur wegen eines vermeintlichen Tees noch stundenlang in der Praxis zu bleiben, und bestand darauf, die „Infusion“ mit nach Hause zu nehmen – woraufhin nun wiederum sie von der Arzthelferin für verrückt gehalten wurde, denn natürlich konnte die es nicht zulassen, dass ein Patient sich seine Infusion selbst legt. Erst nach längerem Streitgespräch wurde das Missverständnis geklärt.

Achim Kaiser, Burgkirchen an der Alz


 

Als Lehrerin begegnen mir recht häufig drollige „Sprachdreher“. So teilte mir einmal ein Schüler mit, er solle seinen Kameraden entschuldigen. „Was fehlt ihm denn?“, wollte ich wissen. „Seine Mutter meint, er hat die Frauengrippe!“ Erst nach einigem Nachdenken kam ich auf die Erklärung: Der Schüler wollte nicht so affektiert klingen wie die Mutter seines Freundes und hat aus der vermeintlichen „Damengrippe“ (Darmgrippe) eine alltagstaugliche „Frauengrippe“ konstruiert.

Margret Luckmann, Hamburg


Ein amerikanischer Bekannter von mir hatte einmal ein ähnliches Erlebnis wie Ihre französische Freundin Suzanne. Er wollte eine längere Zugfahrt antreten und hatte einen sehr großen, schweren Koffer. Ich riet ihm, sein Gepäck aufzugeben, was er entrüstet von sich wies, da sein Koffer wichtige Dinge enthielt, die er noch brauchte. Er war dann sehr erleichtert, als ich ihm erklärte, dass aufgegebenes Gepäck am Zielbahnhof wieder in Empfang genommen werden kann.

Stefan Peters, Ottobrunn


Dieses erlebte ein französischer Kollege, der als junger Mann ein amtliches deutsches Formular ausfüllen musste. Es wurde unter anderem gefragt, ob der Ausfüllende ein Spätheimkehrer sei. Er kreuzte „ja“ an. Die Einwände des Beamten verstand er ganz und gar nicht, schließlich arbeitete er im Schichtdienst und „kehrte abends spät heim“.

Barbara Lotte


Als Kind war ich für ein halbes Jahr auf einem Internat in England. Zum Abschied schrieb mir der (englische) Deutschlehrer dieser Schule einen wunderschönen Brief. Er endete mit: „Du wirst uns mangeln, Johanna!“

Johanna Kremer, Hamburg


Ich habe Germanistik in Bulgarien studiert. Vor Jahren arbeitete ich einige Monate bei einer deutschen Firma. Am ersten Arbeitstag haben die Kollegen für mich einen Computer installiert, der vorher woanders gestanden hatte und extra für mich geholt worden war. Nachdem mir erklärt worden war, wie ich ihn zu benutzen hatte, sagte eine Kollegin, ich solle nicht vergessen, den Computer am Ende des Arbeitstages herunterzufahren. Darüber habe ich mich sehr gewundert, aber ich habe nichts gesagt. Erst als der Arbeitstag zu Ende war und ich schon nach Hause gehen wollte, habe ich schüchtern gefragt, wohin ich genau den Computer herunterfahren solle. Da haben die Kollegen gelacht und mir erklärt, dass es lediglich um das Ausschalten des Rechners geht.

Miglena Miteva, Bulgarien


Als ich mit 8 Jahren aus Polen nach Deutschland kam, waren mir leider nur rund sieben Wörter bekannt. Schnell jedoch lernte ich – auch weil wir zu Hause dank meines deutschen Adoptivvaters nur Deutsch sprachen. In der Schule besuchte ich zwar einen Förderkurs, dies jedoch nur zusätzlich zum normalen Unterricht mit deutschsprachigen Mitschülern. Schon nach ca. zwei Wochen stand das erste Diktat im Deutschunterricht an. Die Lehrerin sagte zu mir (und meine Sitznachbarin übersetzte), ich solle doch einfach alles so schreiben, wie ich’s hörte; das Deutsche sei eine Sprache, bei der alles so geschrieben würde, wie man es ausspreche. „Also gut!“, dachte ich mir …

„Der Hund jagte die Katze. Peter rief zum Hund: ,Bello, lass die Katze in Frieden!‘“, diktierte die Lehrerin und fügte hinzu: „Wie ihr seht, ist das ein ganz einfaches Diktat“. Ich gab mein Bestes. Die kurzen Wörter machten mir wenig Schwierigkeiten, ich wunderte mich nur über die paar elend langen, die zwischendurch und für mich völlig unverständlich auftauchten und keinerlei Sinn zu haben schienen. Ebenso hatte ich zu wenig Zeit, um die Sätze vollständig aufzuschreiben; alle anderen schienen viel weniger im Heft zu haben. Mein Text schließlich war sinngemäß: „Dea hunt jagte di katce punkt peta rif cum hund dopelpunkt anfyrungscajhn belo koma las di katce in fridn ausrufecajhn szluscajhn.“ Ich verstand kein Wort.

Leider war es der Lehrerin nicht klar, dass ihre Anweisung etwas nach hinten losgegangen ist. Sie missbrauchte dann meinen Text als „pädagogisches Beispiel“ und las ihn zur Belustigung aller vor. Ich habe daraus dreierlei gelernt: Erstens ist den Deutschen meist nicht bewusst, wie unglaublich kompliziert ihr Idiom eigentlich ist, man denke nur an die zigfachen Bedeutungen des Wortes „kommen“, je nach Präfix. Zweitens: Der Name Peter ist der am häufigsten in Schultexten vorkommende Name, wehe dem, der ihn trägt. Drittens: Kinder können grausam sein …

Nun bin ich selbst Lehrer am Gymnasium, und versuche, einiges besser zu machen.

Peter L.


Ich selbst bin Muttersprachlerin, habe aber 11 Jahre lang Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Ein paar nette Episoden:

Eine Afghanin erzählte mir folgendes Erlebnis. Nach endlosem Üben der Kasus Dativ und Akkusativ bei Wechselpräpositionen: Sie steigt ins Taxi, und der Fahrer fragt: „Wohin?“ Sie antwortet reflexartig „Akkusativ!“

Mit Sprachkursanfängern (Flüchtlingen aus aller Welt, zum Teil noch nicht alphabetisiert) lernten wir den Wortfeldbereich Lebensmittel, dazu brauchten wir Hände und Füße, Tierlaute und Zeichnungen. „Hähnchen“ und „Pute“ wurden entsprechend durch Krähen und Auf-die Brust-Schlagen von uns erklärt (so von wegen Putenbrust). Eine Kursteilnehmerin ging dann wegen Bronchitis zum Arzt und sagt ihm „Herr Doktor, meine Pute tut so weh!“

Susanne Kechel, Kassel


(c) Bastian Sick 2009

Zur Kolumne: Geradewegs auf die schiefe Ebene

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