„Lieber Zwiebelfisch, es ist erstaunbar, wie entsetzensfähig man noch ist!“ – „Dem allgemeinen Trend folgend ist diese Entwicklung anscheinend unabwendbar.“ – Lesen Sie hier eine Auswahl der Leserzuschriften auf den Artikel „Im Bann des Silbenbarbaren“.
Erstaunbar, so stelle ich gerade fest, wie entsetzensfähig man noch ist! Dachte ich doch, nach der Apostroph-Katastrophe („nicht’s“, „Futter’n wie bei Mutter’n“) könne mir kein Verbaldesaster mehr Tränen in die Augen treiben – falsch gedacht! Vor Monaten schrieb der SPIEGEL zum quasi verwandten Thema Rechtschreibreform: „Darüber möge die Sprachgemeinschaft entscheiden.“ In diesem Sinne (und mit leisem Schaudern),
Nicole Heibrok, Hamburg
Nach der Lektüre habe ich sofort in unserem Geschäftsbericht, an dem ich gerade arbeite, aus „schnell umsetzbar“ ein „schnell umzusetzen“ gemacht.
Dietlinde Bamberger, Hamburg
Antwort vom Zwiebelfisch: Und da sage noch mal einer, „Zwiebelfisch“-Artikel hätten keine Wirkung! Herzlichen Dank, liebe Frau Bamberger!
Da bin ich so froh, ein wenig Deutsch zu lernen – aber das Meiste in dem Artikel ist mir dann doch unverständlich. Auch wenn ich weiß, dass sich mein Wortschatz nach einem Jahr im Ausland verflüchtigt – was sage ich denn anstelle von „verwirklichbar“? Verwirklichlichsam? Verwirklichen ist doch transitiv, ich kann eine Sache doch verwirklichen. Oder nicht? Ich fände es jedenfalls prima, wenn du – vielleicht in einem Anhang – auch erwähnen könntest, wie die Wörter dann wirklich lauten. Beziehungsweise ob ein Wort mit dem Sinngehalt von verwirklichbar schon verwirklicht ist. Oder eben nicht.
Oliver Gräser
Antwort vom Zwiebelfisch: Lieber Oliver, natürlich lässt sich das Wort „verwirklichbar“ grammatikalisch verwirklichen. Aber klingt es denn in deinen Ohren auch schön? Ich finde es ein wenig hölzern und polterig. So reden Politiker, wenn sie sich gerne mal etwas aufblähen. Schöner klingt der Infinitv oder eine Form mit Hilfsverben. Statt „Hier sind Abenteuer erlebbar und deine Träume verwirklichbar“ empfehle ich: „Hier kannst du Abenteuer erleben und deine Träume wahr werden lassen.“
Ich bin in einer Präsentation neulich auf den Begriff „customizebar“ gestoßen und musste erst einige Minuten nachdenken, bis ich den Sinn dieses Wortes begriff. Leider weiß ich bis heute nicht, wie es wohl korrekt auszusprechen ist. Gilt die Faustregel der transitiven Verben auch bei englischen Begriffen? Im Übrigen scheinen derartige Wortneuschöpfungen aber auch im Englischen zu existieren. Auf einem Bucheinband konnte ich im Urlaub den Ausdruck „unputdownable“ lesen!
Sonja Dressler, Mainz
Aloha! Vor grob einem Monat bin ich zufällig über irgendeinen „Zwiebelfisch“-Artikel gestolpert und grabe mich seitdem Stück für Stück durch das Archiv. Ich find’s geil.
Als Informatik-Student hab ich nicht viel mit der deutschen Grammatik zu tun, ein gepflegtes Denglisch mit seltsamer Rechtschreibung ist da eher die Regel. Derart gut formulierte Artikel mit viel Witz und Charme sind da schon eine willkommene Abwechslung.
Wie auch immer, ich wollte nur kurz loswerden, dass ich den Zwiebelfisch so richtig genial finde. Weitermachen,
Karsten Jahn
Hallo Zwiebelfisch, ich bin Dir sehr dankfähig für diesen offensichtbar überfälligen Beitrag, ist diese Barbarei doch sogar für jeden SPIEGEL-ONLINE-Leser noch in der gleichen Ausgabe sofort ersichtbar. In einem Artikel über Fruchtbarkeit heißt es am Ende: „Die Studie zeige eindeutig, dass sich die Wahrnehmung der möglichen Rivalinnen abhängig von der Fruchtbarkeit merkbar ändert.“ Immerhin heißt es noch nicht „Fruchtfähigkeit“!
Gunnar
Wer schreibt, ein Trainer sei nicht „eintauschbar“, vermeidet schreiben zu müssen, wer ihn gegen wen und warum eintauschen müsste. Wer eine Schrankwand „ausbaufähig“ nennt, dichtet der Schrankwand werbewirksam Fähigkeiten an, die sie nicht hat, und versucht darüber hinwegzutäuschen, dass ein späterer Ausbau Arbeit und Geld kosten wird.
Viele der stilitischen Umtriebe, mit denen Sie sich schon befasst haben, haben denselben Wunsch zum Vater: nicht sagen zu müssen, wer was tut. Die Schöpfer dieser neuen Sprache möchten Aktionen von ihren Ausführenden trennen, um Sachverhalte verständlicher zu machen. Gleichzeitig aber verschleiern sie Ursachenketten, blenden Verantwortungen aus und vernebeln die Sicht auf komplexe Zusammenhänge.
Dirk Aschoff
Dazu fällt mir noch der Kohl’sche Spruch ein: „Es ist mir nicht erinnerlich.“ Interessanterweise hatte in den Medien niemand was zu dem Thema gesagt und dieses Aussage wurde immer wieder so wiederholt, teilweise auch in der 3. Person: „Er sagte, es sei ihm nicht erinnerlich.“ Es ist unleugbar, dass öffentlichkeitswirksame Personen die Sprache verbiegen, aber warum machen Medien so willig bei der Beugbarkeit der Sprache mit? Ist dieser Mechanismus auch abstellbar? Oder werden wir nun bis in alle Zukunft unrettbar verloren sein?
Udo Wolter
Lieber Zwiebelfisch, ich wollte mich nur sehr herzlich bedanken für Ihre stets sehr lesenswerten Beiträge, die ich im Kollegen- und Bekanntenkreis bereits erfolgreich weiterempfohlen habe! Sie haben endlose Diskussionen über so einige, oftmals auch regionale Sprachdifferenzen zu aller Zufriedenheit lösen können, und nicht nur dafür meinen allerherzlichsten Dank!
Da ich beruflich im Ausland tätig bin, ist SPIEGEL ONLINE für mich etwa zehnmal pro Tag ein absolutes Muss, und ich fühle mich immer umfassend und fantastisch informiert. Speziell an den Zwiebelfisch und selbstverständlich auch an den ganzen hart arbeitenden Rest der SPIEGEL-ONLINE-Redaktion: tausend Dank von einem großen Fan, tätig in der deutschen Botschaft Ottawa!
Anja Zougouari (geb. Dobrunz), Ottawa (Kanada)
(c) Bastian Sick 2004