Dienstag, 16. April 2024

So schnackt der Norden

Manche sind eisch, andere sind fünsch. Der Hamburger schnopt auch gerne, wenn er nicht gerade luschert. Allns kloa? Lesen Sie heute, was den „Zwiebelfisch“-Lesern noch so alles zum Thema Norddeutsch eingefallen ist.

Manche sind eisch, andere sind fünsch. Der Hamburger schnopt auch gerne, wenn er nicht gerade luschert. Allns kloa? Lesen Sie heute, was den „Zwiebelfisch“-Lesern noch so alles zum Thema Norddeutsch eingefallen ist.

Vielen Dank für den famosen Artikel über unsere Nordsprache. Ich bin aus Jever in Oldenburg und kenne alle in dem Artikel erwähnten Vokabeln. Bin seit über 30 Jahren Butenjeveraner und habe mich bei der Lektüre richtig heimisch gefühlt. Bei uns sagt man noch nükeln (langes ü) für „kleines Schläfchen machen“, kannten Sie das? Kann aber auch sein, dass das ein Ausdruck ist, den nur wir in unserer Familie verwenden. Oder fünsch bzw. futig (jeweils langes ü bzw. u) für „wütend“. Und stikkum für „heimlich“ finde ich auch sehr schön.

Thomas Krtschka


Moin, Zwiebelfisch! Bitte hilf mir, ein Wort wiederzufinden, das ich in meiner Lübecker Kindheit vor ca. 45 – 50 Jahren noch relativ oft gehört habe: eisch. Es wurde beim Schimpfen verwendet mit der Bedeutung „unartig“ oder auch im übertragenen Sinne: „Was hast du da für ’nen eischen Rock an“, das war dann ein Minirock. Weißt du, woher das Wort stammt?

Renate Welte, Lorsch

Antwort des Zwiebelfischs: Liebe Frau Lorsch, das Wort „eisch“ gibt es selbstverständlich. Es kommt aus dem Altsächsischen, dort hieß es noch egislik, das bedeutete „furchtbar, schrecklich“. Im Laufe der Jahrhunderte hat eisch einiges von seinem Schrecken eingebüßt und wurde im Sinne von „garstig“, „ungehörig“ gebraucht. Und so wie die hochdeutschen Wörter „toll“, „irre“ oder „wahnsinnig“ wurde eisch auch als Ausdruck der Bewunderung gebraucht: Die eische Büx war nicht etwa eine garstige Hose, sondern eine krasse Klamotte!


Ein wichtiges Wort hat noch gefehlt: Schnopen! Das bedeutet so viel wie „naschen“. Das gehört zu meiner Hamburger Kindheit wie kein anderes Wort: „Ich geh mal runter zu Pein (so hieß die Drogerie bei uns um die Ecke) und hol mir was zum Schnopen“.

Jean-Gert Nesselbosch, Ex-Hamburger, jetzt Berlin

Antwort des Zwiebelfischs: Schnopen ist in der Tat ein schönes althamburgisches Wort, offenbar verwandt mit dem niederländischen Wort für Süßigkeiten: snoepjes (gesprochen: „Snupjes“).


Lieber Herr Sick, vielen Dank für diesen netten Artikel zum Norddeutschen. Ich bin nicht mal aus Norddeutschland (aufgewachsen im Hohenlohisch-Fränkischen), aber meine Mutter kommt aus Schleswig-Holstein. Und die „Modersprok“ hab ich angenommen.

Ein schönes Wort möchte ich noch hinzufügen: Luschern kenne ich eigentlich als „schlafen“. „Luscher schön!“ hat meine Mutter immer gesagt.

Markus Eckert, Welzheim


Lieber Bastian Sick, dat du kien Platt snacken kanns, dat is ja nich so schlümm. Ober dat du mens, dat dat Wort „Feudel“ südlich von Brämen kien Menske kennen dait – nee, nee, dat könt wi so nich stoan loaten!

Dat mach ja woll wän, dat jaue Nord-Norddütsche Sproke wat ganz Besünneres is – miene Schwiegermam‘ kump ut Pinnebarg, de snackt uck ’n bäten änners as wi Ollenborger. Dar koam ick nämlich her, ut Ollenborg. (Oldenburg in Oldenburg – südlich von Bremen…).

Un ick bün wirklich näben eine Kauweide upwassen. Un Hochdütsch wör miene erste Fremdsproake – hebb ick inne Schaule ers lärt.

Nängteinhundertdreiunsästich bin ick inne Volksschaule koam‘. Un von Doage snack ick nur noch mit miene Mutter (dei is bole 90) un mit mien‘ Brauer Plattdütsch.

So – nu kumms du! Nix för ungaut. Du büs ja noch jung un kanns noch wat lärn 😉 .

Beate

Antwort des Zwiebelfischs: Liebe Beate, vielen Dank für diese charmanten Zeilen. Ich freue mich immer, wenn ich wieder etwas Neues hinzulernen kann. Ich versuch’s mal mit einer Übersetzung für die Leser, die des Plattdeutschen nicht mächtig sind:

Lieber Bastian, dass du kein Plattdeutsch sprichst, ist nicht schlimm. Aber dass du meinst, das Wort „Feudel“ würde südlich von Bremen kein Mensch mehr kennen, das können wir so nicht stehen lassen!

Es mag wohl angehen, dass deine nord-norddeutsche Sprache was ganz Besonderes ist. Meine Schwiegermutter kommt aus Pinneberg, die spricht auch etwas anders als wir Oldenburger. Da komme ich nämlich her, aus Oldenburg in Oldenburg.

Und ich bin wirklich neben einer Kuhweide aufgewachsen! Hochdeutsch war meine erste Fremdsprache, das habe ich erst in der Schule gelernt. 1963 bin ich eingeschult worden. Heute spreche ich nur noch mit meiner Mutter Platt (sie wird bald 90) und mit meinem Bruder.

So – und nun kommst du! Nichts für ungut. Du bist noch jung und kannst noch was lernen! Beate


Moin, Herr Sick! Normalerweise reagiere ich nicht auf im Internet Gelesenes. Heute muss ich allerdings eine Ausnahme machen: Ich möchte mich sehr, sehr herzlich bei Ihnen für Ihren Beitrag „Nu man bloß nich in‘ Tüdel geraten!“ auf Spiegel Online. Der Beitrag hat mich schon mit der Überschrift in meine Kindheit zurückversetzt. Meine Eltern hatten in Wremen (zwischen Cuxhaven und Dorum an der Nordseeküste gelegen, kennt kein Mensch) einen Dauercampingplatz. Und so haben wir unendlich viele Wochen – mein Vater kam immer freitags nach – dort verbracht. Und der Großteil meiner Freunde sprach mehr oder weniger Platt. Die Urlauberkinder stachen da zwar raus, aber wie Kinder sind, konnten sie die Sprache wie nix.

Während des Lesens kamen sie alle wieder: die vielen Erinnerungen an Menschen, Ereignisse, Orte.

So ganz habe ich die Sprache (noch) nicht verloren. Zum Leidwesen meines Mannes, der aus Wanne-Eickel stammt (stellen Sie sich mal unsere Familienfeiern vor: Bergmanns- und norddeutscher Schnack, herrlich), wird bei uns gefeudelt und unsere Hunde beherrschen das Kommando: „Nu kumm ran!“ Ein „Okay, machen wir“ heißt bei uns „Dann man zu“.

Nochmal danke für das Wiederbeschaffen der Erinnerungen an die schönste Zeit meines Lebens.

Petra Gwosdek


Norddeutsch ist doch was Schönes! Das war eine nette Mittagspausenlektüre! Hier in Bremen – und umzu – fährt man auch gern mal mit seinem lüttschen Hutschefiedel um’n Pudding.

Fünsch werden wir dagegen nur sehr selten – höchstens, wenn einem mal von zuviel Braunkohl so buksch ist.

Ute Hedenkamp, Bremen


Ihre Kolumne war wieder mal ein Genuss! Im Berliner Alltag ist es teilweise nicht einfach. Aber müsste es nicht eigentlich durch’n Tüdel heißen?Zumindest wurden wir als Kinder öfter darum gebeten, Dinge von Mutter nicht durch’n Tüdel zu bringen.

Henning Kroll, Ex-Kieler, jetzt Berlin

Antwort des Zwiebelfischs: Man kann Dinge durch’n Tüdel bringen oder in’n Tüdel. Wie ich in meiner Kolumne bereits schrieb: Der Norddeutsche legt sich in solchen Dingen nicht hundertprozentig fest und ist insgesamt viel flexibler als sein Ruf.


Mit großer Freude habe ich heute Ihren Artikel über unsere norddeutschen Ausdrücke gelesen.

Mir fiel dazu eine ehemalige Schulkameradin ein, die sich, gerade umgezogen, über ihren neuen Studienort und die sprachlichen Gepflogenheiten dort beklagte: „Die Leute kennen hier nicht das Wort umzu!“

Das war denkbar, „Bremerhaven und umzu“ klingt auch irgendwie nach Marsch und flachem Land. Aber weit gefehlt: Der Satz „Tüdel da doch noch ’n Band umzu“ ließ ihre Kommilitonen in Heiterkeit ausbrechen. Also, für Ihre Liste: tüdeln heißt in unserer Gegend auch so etwas wie „drumherum binden“ oder „einwickeln“.

Und wissen Sie, was rumbutschern heißt? Damit bezeichnete meine Oma immer unser Spielen im Garten. „Butscher“ sagt man in Bremerhaven zu kleinen Jungs, darüber gibt es sogar ein Lied: „Wir Bremerhavener Butscher“.

Jan-Hendrik Ehlers, Bad Bederkesa

Antwort des Zwiebelfischs: Zu tüdeln fällt mir noch ein anderes Lied ein, und zwar das Lied „An de Eck steiht’n Jung mit’n Tüdelband“ der Hamburger Gebrüder Wolf, das unter anderem durch Heidi Kabel berühmt wurde. Das Tüdelband war ein Reifen, der durch Stockschläge zum Drehen gebracht wurde: ein altes Spielzeug, wie man es noch im „Struwwelpeter“ abgebildet findet.


Danke für die vielen schönen norddeutschen Ausdrücke, aber die Redewendung, die einen Norddeutschen am treffendsten kennzeichnet, habe ich vermisst: „Da nicht für!“ als Erwiderung auf einen Dank.

Harald Ziehms, Eutin

Antwort des Zwiebelfischs: Da musste ich beim Schreiben natürlich auch dran denken. Aber da habe ich schon mal was zu geschrieben, und zwar hier.


Sehr schöne Aufzählung der norddeutschen sprachlichen Besonderheiten, in der Tabelle vermisse ich jedoch das Wort wumpe, welches soviel wie „egal“ oder „wurscht“ bedeutet. Vielleicht handelt es bei dem Wort aber auch nur um familieninterne Sprachbesonderheit, in diesem Falle wäre meine E-Mail dann wumpe.

Stephan Eggert


Meine Mutter sagte zum Handfeger immer Fechsel (langes e) und zur Kehrschaufel Fechselschüpp. Zwei Wörter, die ich auch heute noch gern gebrauche. Hier in Iserlohn lachte man außerdem sehr, als ich spackernstatt „spritzen“ sagte.

Fritz Raupach, Wilhelmshaven


Ich stamme aus Wilhelmshaven und lebe schon seit 1994 im süddeutschen Exil. Auch mir wird immer wieder vorgeworfen, kein Hochdeutsch zu sprechen, sondern einen „Fischkoppdialekt“, daher habe ich den letzten Zwiebelfisch gleich an alle Freunde weitergeleitet, damit ich mich endlich verstanden fühle. Ich habe außerdem für Sie noch ein paar Begriffe, die ich öfter benutze und die in der kleinen Vokabeltabelle noch fehlen:

Plünnen – Klamotten; Daddeldu – Schluss, vorbei (that’ll do!); verminnern – die Zeit zwischen Aufwachen und Aufstehen; muddeln, rummuddeln – unsauber oder ohne ersichtlichen Grund arbeiten; sabbeln – viel reden; Tüdelkopp – jemand, der verwirrt ist; verkleen – verlieren, verbummeln; Schloot – Abwassergraben

York Weyers


Ich bin im Ostwestfälischen großgeworden, und meine „Omma“ (kurzes „O“) hat das westfälische Platt (das sich übrigens gar nicht so sehr vom holsteinischen Platt unterscheidet) noch gekannt und gesprochen. Sie sagte „Mach bloß keine Dönnekens!“, wenn ich die Miene hatte, etwas Unerlaubtes zu tun.

Als Kind war ich dann manchmal nöckelig oder knötterich, jedenfalls schlechter Laune. Und beim Fahrradputzen musste man vor dem Luftaufpumpen den Pinökel abschrauben. Das habe ich aber nicht von meiner Oma, sondern von meinem Vadder immer gehört.

Sascha Weitkamp, Rovereto (Italien)


Dass es auch innerhalb der Norddeutschen (in diesem Falle: Lipper) zu Missverständnissen kommen kann, zeigt eine andere Anekdote aus meiner Kindheit. Ich habe mit einem Kumpel in unserem Garten ein Lagerfeuer gemacht, das nicht so richtig brennen wollte. Mein Kumpel meinte darauf, ich solle doch mal einen Pümpel holen. Zwar hatte ich keinen Schimmer, wie er mit einem Pümpel (sprich: einer Saugglocke) das Feuer anfachen wollte, aber ich ging ins Bad und holte ihm, was er haben wollte. Als ich mit dem Pümpel zurückkam, war mein Kumpel ebenso verblüfft wie ich kurz zuvor. Schließlich stellte sich heraus, dass er mit Pümpel einen Blasebalg meinte. Liegt ja auch irgendwie nahe, schließlich wird mit beiden Pümpeln gepumpt – mit dem einen Luft und mit dem anderen Wasser (oder ähnliches).

Arne Voigtmann, Bamberg


Das war ja ein netter Artikel, als Norddeutscher in Franken konnte mich überall wiederfinden. Aber was soll ein Feudel ohne Leuwagen? Da kann ich ja glix mit dem Fahrtuch übern Boden kriechen.

Michael Lemke

Anmerkung des Zwiebelfischs: Leuwagen ist ein Schrubber. Ursprünglich stammt das Wort aus der Schifffahrt, dort bezeichnet man als Leuwagen eine Schiene oder Stange, auf der bewegliche Blöcke hin- und hergleiten können, wie zum Beispiel der Schotblock beim Wendemanöver.


Göttlich! Ich bin gebürtige Dithmarscherin – Herr Sick weiß, wo das ist! – und stoße, obwohl seit 30 Jahren in Heidelberg, doch auch ab und zu noch auf Verständnisprobleme, so z. B. beim berühmten Feudeln, oder werde ein bisschen auf den Arm genommen, weil ich Hamburch sage oder Batt und Ratt statt „Baaad“ und „Raaad“. Die herrliche Wörterliste würde ich noch gerne um bregenklöderig ergänzen – wetterfühlig – im Gegensatz zum einfachen klöderig (eigentlich ja auch alles mit ch am Ende), was ja nur ein körperliches Unwohlsein ohne Zusammenhang mit dem Wetter ausdrückt. Schade, so viele der genannten Ausdrücke benutze ich gar nicht mehr – aber jetzt muss ich schließen, denn ich muss hier bei der Arbeit in die Puschen kommen! Mook dat,

Marlis Peters-Hofmann, Heidelberg


(c) Bastian Sick 2009

Zur Kolumne: So schnackt der Norden 

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