Dienstag, 12. März 2024

E-Mail: Abkürzungen

Lol! Lol, lol, lol! Lollen Sie auch so gerne? Jeder Mensch sollte wenigstens einmal am Tag herzhaft gelollt haben, denn der chinesische Volksmund weiß: Ein Tag ohne Lol ist ein vellolenel Tag! Sie wissen nicht, wovon ich spreche? Ich wusste es bis vor kurzem selbst nicht.

Dabei werden tagtäglich zigtausende E-Mails verschickt, in denen es vor „Lol“ nur so wimmelt. „Lol“ ist eine der vielen im elektronischen Verkehr gebräuchlichen Abkürzungen und bedeutet „laugh out loud“, zu deutsch: lauthals lachen. Oder, um es in der Comicsprache zu sagen: lautlach! „lol“ ist die Vorstufe zum berüchtigten Smiley. Früher waren Briefe von Mädchen gefürchtet, die über jedes „i“ ein Herzchen malten. Heute lacht und kichert und zwinkert es aus zahllosen E-Mails, dass einem ganz blümerant wird.

Das seit Jahrzehnten völlig vernachlässigte Satzzeichen Semikolon hat durch die E-Mail eine ungeahnte Renaissance erfahren. Kaum eine Mail, in der nicht mindestens ein Satz mit der Tastenkombination Semikolon, Divis, runde Klammer endet. Wenn man den Kopf zur Seite neigt und dieses Zeichen in der Horizontalen betrachtet, kann man darin mit ein wenig Phantasie ein verschmitzt lächelndes Gesicht mit einem zwinkernden Auge erkennen. Dieser Zwinker-Smiley erfüllt die Funktion der Ironie-Warnlampe und bedeutet: Achtung, das, was ich eben geschrieben habe, war ein Scherz! Bitte nicht missverstehen!

Wissen Sie, was „mfg“ heißt? Es ist das am häufigsten zu lesende Wort am Ende von E-Mails. Drei zusammengeschriebene kleine Buchstaben: m-f-g. Aus Donald-Duck-Comics kennt man lautmalerische Wörter wie „sprotz“, „börks“ und „grumpf“, aber „mfg“ ist neu. Das heißt, so neu nun auch wieder nicht, das gab es auch schon im Telex-Zeitalter, als man die sehr geehrten Damen und Herren noch zeichen- und kostensparend mit „sgduh“ anschrieb, aber zu einem Massenphänomen wurde „mfg“ erst dank E-Mail. Es handelt sich um eine Abkürzung und bedeutet „Mit freundlichen Grüßen“. Daneben gibt es noch „lg“, das ist noch kürzer und bedeutet „lieber Gruß“ oder „liebe Grüße“. Wie viel aber kann man auf die Freundlichkeit des Absenders geben, wenn er sich nicht mal die Zeit nehmen mochte, das Wort „freundlich“ auszuschreiben? Er braucht die „freundlichen Grüße“ ja nicht einmal mehr Buchstabe für Buchstabe zu tippen, wir leben schließlich im Zeitalter elektronischer Textverarbeitung, wo man Sätze und Phrasen, ja ganze Textbausteine nur zu markieren braucht, um sie in einen neuen Text einzufügen. Ein Programm wie „Word“ zum Beispiel verwandelt „mfg“ heute außerdem ganz von selbst in die Langfassung. Ein kopierter freundlicher Gruß ist weniger unschicklich als ein abgekürzter.

Beim Verschicken von Kurznachrichten übers Mobiltelefon (kurz: Simsen) sind solche Abkürzungen freilich kein Makel. Auch beim Chatten stören sie nicht. SMS und Internet-Chat sind andere Medien, für die andere Regeln und Sachzwänge gelten. In diesem Kapitel geht es ausschließlich um E-Mail.

Wenn „mfg“ für „Mit freundlichen Grüßen“ und „lg“ für „liebe Grüße“ steht, dann müsste „fg“ eigentlich für „freundliche Grüße“ stehen. Könnte man meinen. Seltsamerweise findet man die Abkürzung „fg“ aber nie am Ende der Mail, sondern mittendrin. Doch seit wann verabschiedet man sich mitten im Satz? Die Abkürzung „fg“, oftmals zwischen Sternchen gesetzt (*fg*), steht für „freches Grinsen“, kurz „frechgrins“, es handelt sich also nicht um eine Grußformel, sondern um ein Mitglied aus der Familie der „lol“-Wörter, das sich vom Internet-Chat in den E-Mail-Verkehr ausgebreitet hat. „Frechgrins“ erfüllt dieselbe Funktion wie Semikolon, Divis, runde Klammer: He, Mann, war nur Spaß 😉

In privater Korrespondenz darf jeder selbstverständlich so viel und so frech grinsen, wie ihm beliebt – solange er sicher ist, dass der Empfänger das nicht albern findet. In geschäftlichen Schreiben allerdings sollte man aufs Grinsen verzichten, egal ob freundlich oder frech.

(c) Bastian Sick 2005


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.


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