König Gurki vom Gemüseland ist ratlos. Einige seiner Untertanen wollen sich einfach nicht beugen. Immer wieder muss er von grüne Bohnen und von gelbe Rüben lesen. Und wenn König Gurki eines partout nicht vertragen kann, dann ist es grammatischer Ungehorsam.
Da läuft einem doch das Wasser im Munde zusammen: Die Tageskarte der gutbürgerlichen Gaststätte „Zum Felseneck“ verheißt am Dienstag „Lammhaxe ala provons mit Rosmarienkartoffeln und grüne Bohnen“. Dieses Angebot ist nicht nur unter orthografischen Gesichtspunkten bemerkenswert. Es wirft zudem eine Frage auf, die viele Gemüter bewegt, vor allem in der Gastronomie: Kann man grüne Bohnen beugen? Gibt es die Lammhaxe „mit grüne Bohnen“ oder „mit grünen Bohnen“? Die Antwort darauf ist eigentlich ganz einfach: Selbstverständlich kann man grüne Bohnen beugen. Man kann sie sogar brechen — weshalb sie auch Brechbohnen genannt werden*. „Grüne Bohne“ ist zwar ein Name, aber das heißt nicht, dass seine Bestandteile unveränderlich wären.
Dasselbe gilt auch für die rote Rübe, besser bekannt als rote Bete. Ein interessantes Wurzelgemüse aus der Familie der Gänsefußgewächse, das übrigens nichts mit Blumenbeeten zu tun hat, weshalb die oft anzutreffende Schreibweise mit Doppel-e (Rote Beete) irreführend ist, auch wenn sie vom Duden als zulässig geführt wird. Das Wort Bete geht auf das lateinische Wort beta zurück, welches Rübe bedeutet. Schon die Germanen kannten es; „Bete“ kann also getrost als eingedeutscht betrachtet werden — und verdient es daher, nach den Regeln unserer Grammatik behandelt zu werden. Die norddeutsche Spezialität Labskaus wird traditionell mit roter Bete serviert. Bei „Labskaus mit rote Bete“ handelt es sich folglich um eine nichtautorisierte Nebenform.
Richtig kompliziert wird es jedoch, wenn sich dem farbigen Gemüse ein weiteres Hauptwort anschließt und wir es plötzlich mit einer dreiteiligen Zusammensetzung zu tun haben. Wie richtet man einen Eintopf mit grünen Bohnen grammatisch korrekt an? Ist es ein „grüner Bohneneintopf“? Was dürfen wir erwarten, wenn wir der Aufforderung nachkommen: „Probieren Sie unseren leckeren grünen Bohneneintopf!“ Einen grünen Eintopf, das steht außer Frage. Die darin schwimmenden Bohnen könnten jedoch auch gelb oder rot sein, denn das Farbadjektiv bezieht sich grammatisch auf den Eintopf und nicht auf die Bohnen.
Manch einen interessiert dies vielleicht nicht die Bohne. Als „Zwiebelfisch“-Kolumnist muss ich dem Eintopf natürlich auf den Grund gehen. Meistens tun uns die Farbadjektive ja den Gefallen, mit dem Grundwort zu verschmelzen, was die weitere Behandlung erheblich vereinfacht. So wie bei der Schwarzwurzel oder dem Weißkohl. Hier bereitet die Verarbeitung zur Suppe oder zur Roulade keine Probleme, denn wir brauchen uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob wir es mit einer „schwarzen Wurzelsuppe“ oder einer „weißen Kohlroulade“ zu tun haben. Schwarzwurzelsuppe und Weißkohlroulade — fertig ist das Menü. Leider machen es uns nicht alle extra-bunten Obst- und Gemüsesorten so leicht.
Nehmen wir nur die schwarze Johannisbeere. Sie gibt es leider nicht als Schwarzjohannisbeere, daher stehen wir bei der Verarbeitung zum Gelee vor einem Problem: Ist ein Gelee aus schwarzen Johannisbeeren ein schwarzes Johannisbeergelee? Die meisten würden wohl spontan zustimmen, aber trügt das Gefühl hier nicht?
In Zeiten saurer Gurken spricht man schließlich nicht von sauren Gurkenzeiten, sondern von Sauregurkenzeiten. Wenn das Adjektiv freisteht, passt es sich an. In Zusammensetzungen hingegen wird es starr. So wird aus roter Bete eine Rote-Bete-Suppe, aus gelben Rüben ein Gelbe-Rüben-Kuchen (oder eine Möhrentorte) und aus schwarzen Johannisbeeren entsprechend ein Schwarze-Johannisbeer-Gelee.
Und die grünen Bohnen landen nicht im grünen Bohneneintopf, sondern im Grüne-Bohnen-Eintopf. Ein Glas mit grünen Bohnen ist schließlich auch kein grünes Bohnenglas. Oder doch? In welchen Altglascontainer gehört es dann: in den für Buntglas?
∗ Grüne Bohnen werden außerdem Prinzessbohnen, Gartenbohnen, Stangenbohnen, Kletterbohnen, Buschbohnen oder Keniabohnen genannt.
(c) Bastian Sick 2007
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 4“ erschienen.