Die Natur steckt voller Launen — die Sprache ebenso. Auch sie kann uns immer wieder überraschen, verblüffen und verwirren. Viele Wörter, die sich auf den ersten Blick gleichen oder zumindest sehr ähnlich klingen, haben oft gänzlich verschiedene Bedeutungen.
Launisch und launig zum Beispiel sind so ein ungleiches Schwesternpaar. „Launig“ bedeutet humorvoll, „launisch“ hingegen launenhaft, zickig. Ein launischer Mensch kann durchaus einmal in einer launigen Stimmung sein; bisweilen verhält es sich auch genau umgekehrt. Doch wenn ich in einem Vereinsblättchen lese „Der Vorsitzende begrüßte in seiner launischen Rede alle Anwesenden“, dann herrscht plötzlich Zicken-Alarm, obwohl der Vorsitzende in Wahrheit vermutlich nur ein bisschen gescherzt hat.
Eine weit verbreitete Unsicherheit lässt sich auch beim Gebrauch der Verben „verwehren“ und „verwahren“ feststellen. „Verwehren“ bedeutet verweigern, so kann man beispielsweise jemandem den Zutritt verwehren. Man kann sich auch gegen Vorwürfe wehren oder zur Wehr setzen, aber nicht verwehren. Wenn der „Spiegel“ schreibt, „Köhler fühlte sich offenbar bedrängt und verwehrte sich gegen den Vorwurf, er trage zur Politikverdrossenheit bei“, dann ist hier „verwahren“ gemeint; denn die Konstruktion „sich gegen etwas verwehren“ gibt es nicht. Wer etwas mit aller Entschiedenheit zurückweist, der verwahrt sich dagegen, und er hat sich — im Perfekt — dagegen verwahrt. Ein kleiner Unterschied nur, der obendrein auch nicht besonders einsichtig ist, denn man verwahrt eher Andenken, Dokumente oder Schmuck, gelegentlich auch mal einen Häftling, aber sich selbst?
Wenn es um Gefahren geht, wird sich schnell mal verwogen. Es ist in jedem Falle ratsam, Gefahren abzuwägen, das heißt „prüfend zu bedenken“. Wer es vorzieht, Gefahren abzuwiegen, gerät sprachlich aus der Balance. In Internetforen und Weblogs stößt man immer mal wieder auf den gut gemeinten Rat, ein Risiko genau abzuwiegen. Da stelle ich mir vor, wie ein Kunde an der Fleischtheke im Supermarkt sagt: „Ich hätte gern dreihundert Gramm Risiko, aber bitte genau abgewogen!“ Nun haben Rinderwahn und Gammelfleischskandale den Fleischverzehr ja auch immer wieder mal zu einem Vabanquespiel werden lassen. Aber Gefahren lassen sich nicht wiegen, auch wenn sie durchaus ins Gewicht fallen können.
Bleiben wir noch einen Moment bei fleischlicher Kost. „Carina und Carsten Neumeier verkosteten die Gäste bei der Premiere des Films Terra Madre“, behauptete die „Witzenhäuser Allgemeine“ in einem Bericht. Und man kann nur hoffen, dass es sich hierbei um einen allgemeinen Witzenhäuser Witz handelt, denn nähme man die Zeitung wörtlich, dann haben die Neumeiers die Premierengäste „schmeckend geprüft“. Das nämlich bedeutet verkosten. Gemeint war wohl eher „verköstigen“, denn das bedeutet so viel wie bewirten. Über diese Verwechslung dürften sich die Leser des Blattes köstlich amüsiert haben.
Ein weiteres ungleiches Schwesternpaar sind die Verben „verbieten“ und „verbitten“. Auch hier kommt es gelegentlich zu Verwechslungen. Im Unterschied zu „sich etwas verbitten“ wird das Verb „verbieten“ nur selten reflexiv gebraucht, zumal Verbote eher für andere ersonnen werden als für einen selbst. Es gibt jedoch eine Ausnahme, denn Dinge, die völlig ausgeschlossen sind, verbieten sich von selbst. Die Farbkombination rosa — orange zum Beispiel, die verbietet sich von selbst. Das Verb „verbitten“ hingegen ist vollreflexiv, es kann ohne „sich“ nicht existieren. Wer „sich etwas verbittet“, der weist etwas energisch zurück. Der Gast verbittet sich die beleidigende Bemerkung des Kellners, die Eltern verbitten sich die Einmischung des Lehrers. Der Bedeutungsunterschied zwischen verbieten und verbitten kann zu Irritationen führen. Ein Leser aus München schickte mir ein Foto, das ein Messingschild zeigt, welches an einer Haustür angebracht ist. Auf dem Schild steht: „Nach Bundesgerichtsurteil verbieten wir uns, das Einwerfen von Stadtteilanzeigern und Werbeschriften jeder Art. Die Hausgemeinschaft“ An diesem Fundstück ist nicht nur das Komma originell, sondern auch die Tatsache, dass die Hausgemeinschaft hier freimütig über ein Verbot informiert, das sie über sich selbst verhängt hat. Man ahnt, welche Streitigkeiten dem vorausgegangen sind: Erst haben sich die Bewohner des Hauses gegenseitig die Briefkästen mit Werbung vollgestopft, dann haben sie einander verklagt, es folgten erbittert geführte Prozesse. Nur ein Machtwort des Bundesgerichtshofs vermochte den Hausfrieden wiederherzustellen.
„Verbitten“ wird im Perfekt zu „verbeten“, so zum Beispiel in der umständlichen, aber wohlklingenden Formulierung: „Das möchte ich mir aber verbeten haben!“
Manch einer scheint „verbeten“ für die Grundform zu halten. So las man in einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ über eine New Yorker Musikgruppe: „Doch von diesen Ausbrüchen abgesehen, verbeten sich The Strokes die Mätzchen traditioneller Rock-’n‘-Roll-Shows.“ Man kann sich in der Kirche vielleicht mal verbeten, wenn man beim Vaterunser durcheinander gerät, aber die hier angesprochenen Mätzchen verbittet man sich besser — wenn sie sich nicht von selbst verbieten.
(c) Bastian Sick 2008
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 4“ erschienen.
Apropos Mätzchen: Woher stammt dieser Begriff eigentlich? Stimmt es, dass er mit „Matz“ (wie in „Hosenmatz“) verwandt ist?