Donnerstag, 3. Oktober 2024

Die Kapitänin, die Torwartin und die Libera

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sportschau.de: Herr Sick, bei Angela Merkel war es einfach. Dank der Endung „-in“ wurde sie erste Bundeskanzlerin. Beim Frauenfußball gestaltet sich das schwieriger. Ist Birgit Prinz „Kapitän“ oder „Kapitänin“ der deutschen Nationalelf?

Bastian Sick: Selbstverständlich ist sie eine „Kapitänin“, auch wenn sie „Prinz“ heißt und nicht „Prinzessin“. Das Wort „Kapitänin“ steht übrigens schon im Duden. Und dass es bei Angela Merkel „einfach“ gewesen sein soll, würde ihr Mann, Prof. Joachim Sauer, bestimmt bestreiten! Ist der nun

(a) Bundeskanzlergatte

(b) Bundeskanzleringatte  oder

(c) Bundeskanzlerinnengatte?

Das ist nur eine von insgesamt 200 kniffligen Fragen, mit denen sich mein nächstes Buch beschäftigt, das im September erscheint: ein spannendes Quizbuch mit dem Titel „Wie gut ist Ihr Deutsch?“.

Kann man Begriffe aus dem Männerfußball einfach übertragen: Suffix an die männliche Form dran und fertig?

Wenn es schon gelungen ist, einen Männer- und Machosport wie Fußball mit Frauen zu besetzen, dürfte die sprachliche Angleichung ein Leichtes sein. Es gibt ja für fast alles eine weibliche Form, selbst dort, wo das Grundwort nicht einmal männlich ist! So werden heute schon Einladungen an die „Mitgliederinnen und Mitglieder“ verschickt, und in Anzeigen werden  „Erzieher/in und Krankenschwester/in“ gesucht.

Was wäre denn die Alternative zum Manndecker? Ist „Manndeckerin“ nicht absurd?

Es gibt viele schöne absurde Wörter im Deutschen, auf die ich nicht verzichten wollte. Zum Beispiel die Obmännin, die Landsmännin, die Schirmherrin, das Erdmännchenweibchen, Herrchens Frauchen, der weibliche Ein-Mann-Betrieb und natürlich die Damenmannschaft. Oder spricht man bereits von der „Fußballnationalfrauschaft“?

Wie sieht es mit eingedeutschten Begriffen aus – gibt es eine weibliche Form vom Hooligan?

Schon die männliche Variante ist überflüssig. Lassen Sie uns lieber für eine Welt ohne betrunkene Randalierer eintreten,  statt dazu auch noch eine weibliche Form zu erschaffen. Und bleiben wir bei Deutsch! Kürzlich wurde ich gefragt, ob es für den Begriff „Keeperin“ keine deutsche Entsprechung gäbe. Es gibt sogar zwei: Torwartin und Torwärterin. Nicht zu verwechseln mit der „Torwartsfrau“, die gibt es auch, aber die hat andere Aufgaben. Der Ausdruck „Keeperin“ ist übrigens ein weiterer Beleg dafür, dass es dem deutschsprachigen Journalismus an Bodenständigkeit und Sprachgefühl  mangelt. „Keeperin“ liest und hört man nämlich nur im Journalismus, außerhalb dessen gebraucht dieses Wort niemand. Dasselbe gilt für den „Referee“, der ausschließlich von Journalisten so genannt wird. Jeder  andere sagt „Schiedsrichter“ oder kurz „Schiri“. Die weibliche Form lautet entsprechend „Schiedsrichterin“ oder kurz „die Schirie“ – hierbei aber mit „ie“! Die Franzosen machen es genauso: Die unterscheiden zwischen männlichem „Chéri“ und weiblicher „Chérie“.

Und aus dem Libero wird eine Libera?

Als Teenager war ich ein Fan von Tommi Ohrner und habe alle Folgen der Serie „Manni, der Libero“ gesehen. Dass es dabei um Fußball ging, habe ich in Kauf genommen. Wenn da aber statt Tommi Ohrner eine Manuela als „Manni, die Libera“ angetreten wäre, hätte mich die Serie vermutlich nicht die Bohne interessiert.  Aber nichts gegen das Wort „Libera“, das klingt doch hübsch!

Das Deutsche ist in vielen Bereichen eine Männersprache. Beim Sport zeigt sich das ganz besonders. Oder wie sehen Sie das?

Das Deutsche ist in dieser Hinsicht flexibler als manche unserer Nachbarsprachen. Im Englischen ist es zum Beispiel gar nicht möglich, mithilfe eines Suffixes eine weibliche Form zu bilden. Im Französischen kann man zwar zwischen Sänger und Sängerin (Chanteur/Chanteuse) und zwischen Kanzler und Kanzlerin (Chancelier/Chancelière) unterscheiden, nicht aber zwischen Arzt und Ärztin oder zwischen Präsident und Präsidentin. Das französische Wort „homme“ bedeutet sowohl „Mensch“ als auch „Mann“. Dagegen erscheint mir die deutsche Sprache weit weniger mannbezogen.

Ist da ein Sprachwandel nicht längst überfällig, hin zu mehr Gleichberechtigung?

Der Wandel hat doch längst eingesetzt. Schauen Sie sich nur mal an, was die in der Schweiz machen! Dort werden seit einiger Zeit alle „geschlechtsspezifischen“ Formen aus der Amtssprache getilgt. Wörter wie „Arbeiter“, „Besucher“ oder „Einwohner“ sind durch „neutrale“ Begriffe ersetzt worden wie „Arbeitende“, „Gäste“ und „Bevölkerung“. Selbst die Wörter „Vater“ und „Mutter“ sollen im Schweizer Amtsdeutsch künftig vermieden werden. Stattdessen soll man „der Elternteil“ schreiben oder – noch besser: „das Elter“!  Der Muttertag wird dann wohl irgendwann zum „Tag des austragenden Elters“ und der „Vatertag“ entsprechend zum „Tag des einschenkenden Elters“. Auch in Deutschland sind die Sprachkastrationsbeauftragten eifrig am Werk: Der Spielmannzug in meinem Heimatdorf hat sich vor einiger Zeit umbenannt in „Musikzug“. Ich sage dazu: „Das kann man machen, das muss frau aber nicht.“

Die Fragen stellte Susanne Mayer

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