Mittwoch, 17. April 2024

Viel Spaß beim Vorlesetag in Nürnberg

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Insgesamt 30 Schulklassen strömten am Freitag ins Nürnberger Eisenbahnmuseum, um sich am 7. bundesweiten Vorlesetag, einer Initiative der Stiftung Lesen, von Autoren, Moderatoren, Sängern und Schauspielern etwas vorlesen zu lassen. Kinderbuchautor Jörg Hilbert präsentierte seinen berühmten „Ritter Rost“, Deutschlands bekanntester Streetworker Thomas Sonnenburg las aus seinem Buch „Die Ausreißer – Der Weg zurück“. Auch mdr-Moderatorin Anna Funck (die auf dieselbe Schule gegangen ist wie ich), Tigerentenclub-Moderator Pete Dwojak, die Schauspieler Christine Urspruch, Michael Dierks, Silvia Incardona, Jana Julie Kilka und die Band Sternblut waren dabei.

Gelesen wurde im Lesesaal des Museums und in der Fahrzeughalle, in der man ein knallrotes Zelt aufgebaut hatte: das Vorlese-Tipi. Darin konnten es sich die Schüler, nachdem sie brav ihre Schuhe ausgezogen hatten, auf Kissen gemütlich machen.

Ich wollte mein junges Publikum nicht überfordern und verzichtete auf eine Grammatik-Lektion à la „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“. Stattdessen hatte ich mich für eine Weihnachtsgeschichte aus dem Buch „Als Vaters Bart noch rot war“ von Wolfdietrich Schnurre entschieden. Als ich meinen Kopf ins Tipi steckte, um „meine“ Schüler zu begrüßen, kamen mir allerdings Zweifel, ob das wirklich eine gute Idee war: Die meisten der Schüler der Realschulklasse 6a, die mich da auf dem Boden lümmelnd erwarteten, stammten aus muslimischen Familien, und ihre Begeisterung für Weihnachten hielt sich in nachvollziehbaren Grenzen. Die Jungen legten Wert darauf, mich mit Handschlag zu begrüßen und sich selbst vorzustellen. „Sind Sie berühmt?“, fragten sie mich, um sicherzustellen, dass sie bei dieser Veranstaltung nicht übers Ohr gehauen würden und womöglich von jemandem vorgelesen bekämen, der gar kein echter Prominenter ist. Schließlich hatten sie noch nie von mir gehört, geschweige denn eines meiner Bücher gelesen. Ich hätte ihnen ja  sonst was erzählen können. „Fragt das meine Mutter“, erwiderte ich. Die war aber gar nicht da. Zum Glück hatte ich ein paar Autogrammkarten dabei und konnte ihre Zweifel somit zerstreuen.

„Die Geschichte, die ich euch vorlesen werde, spielt in den 20er-Jahren. Könnt ihr euch darunter etwas vorstellen?“ Die Kinder schüttelten den Kopf. „Ich bin noch nicht 20“, sagte ein Junge. „Damals gab es eine schwere Weltwirtschaftskrise“, fuhr ich fort, „viele Menschen waren arbeitslos und wussten kaum, wovon sie leben sollten. Eine warme Wohnung war da schon ein Luxus, oft reichte das Geld nämlich nicht einmal für Briketts oder Koks zum Heizen.“ Beim Stichwort „Koks“ schreckten ein paar Schüler hoch: „Was, ey, haben die früher echt mit Koks geheizt?“ In der Geschichte kamen noch andere Wörter vor wie Destille, Logis und Grammophon, die ich erst einmal erklären musste. Ein Grammophon sei ein alter Plattenspieler, auf dem man Schallplatten abzuspielen pflegte, sagte ich und hakte nach: „Ihr wisst doch, was Schallplatten sind?“ Etliche schüttelten den Kopf. Einer aber wusste Bescheid: „Das sind so große CDs!“

Der Höhepunkt der Lesung war der Moment, in dem ein Kamerateam durch den Eingang lugte und uns im Zelt filmte. „Ey, cool, RTL!“, riefen einige Schüler begeistert. Nach einer halben Stunde war die Geschichte aus, und wir krochen aus dem Tipi, in dem es inzwischen mächtig heiß geworden war.

Im Anschluss wurden zahlreiche Fotos gemacht, Autogramme geschrieben und Interviews gegeben. Als ich am Nachmittag den Veranstaltungsort verließ, begann in Nürnberg der Christkindlesmarkt. Und wie auf Bestellung hatte es geschneit. Zauberhafter hätte es für die Kinder und uns Vorleser nicht sein können: Mit dem Vorlesetag war der Winter gekommen!


Weitere Bilder vom Vorlesetag im Fotoalbum

Pressebericht von mdr.de: Bastian Sick bricht Lanze fürs Vorlesen

Diese Geschichte als schönes PDF zum Ausdrucken, Verschicken, Verschenken


Begegnung mit einem Dichter: Wie ich Wolfdietrich Schnurre kennen lernte

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