Sonntag, 20. Oktober 2024

Die traurige Geschichte von drei englischen Ladys

Es waren einmal drei englische Ladys mit gleichen Hobbys. Sie sammelten alte Pennys, besuchten Derbys und Wohltätigkeitspartys, züchteten Guppys und hatten eine Schwäche für stramme Bobbys und rührselige Shantys. Es gab nur eines, vor dem sie sich zutiefst fürchteten: Rowdies! Die in Cities lebten und nachts aus den Gullies krochen, um armen Babies die Teddies wegzunehmen.

„Die Mehrzahl von Story schreibt sich mit -ies“, behauptete unlängst mal wieder ein Kollege in der Redaktion – und setzte triumphierend nach: „Du hast wohl im Englischunterricht nicht aufgepasst?“ Es ist immer wieder erstaunlich, dass manche Journalisten sich mehr auf ihre rudimentären Englischkenntnisse einbilden als auf die Beherrschung der Muttersprache. Würde er in London wohnen und für eine britische Zeitung arbeiten, dann hätte er Recht. Aber auf deutschem Boden, in den Räumen einer deutschsprachigen Nachrichtenredaktion mit Regalen voll deutscher Bücher, Schubladen voll deutscher Schokolade und Korridoren voll deutscher Kollegen, da befindet er sich im Irrtum. Lehnwörtern aus dem Englischen, die auf -y enden, wird im Plural einfach nur ein „s“ angehängt, das „y“ bleibt unverändert: Babys, Citys, Hobbys, Ladys, Lobbys, Partys, Ponys und eben Storys. So ist das mit den Lehnwörtern: ob friedlich importiert, freiwillig übergelaufen oder gewaltsam verschleppt, wenn sie einmal in den deutschen Wortschatz aufgenommen wurden, dann sind sie auch den Regeln der deutschen Grammatik unterworfen. Das wäre ja auch noch schöner – wenn man mit der Übernahme eines Fremdwortes auch noch die landesspezifische Grammatik importieren müsste. Das wäre ja so, als würden die Amerikaner mit der Einverleibung des irakischen Erdöls bei sich auch noch den Koran einführen.

In der hoch exklusiven Kaffeebar, wo man sich nach Feierabend gerne trifft, ist diese Regel selbstverständlich außer Kraft gesetzt: Da bestellt man in gepflegtestem Italienisch seine „Espressi“ und „Cappuccini“. Wer ganz sicher gehen will, dass ihn die asiatische Bedienung auch verstanden hat, hängt noch mal ein „s“ an: „Zwei Cappuccinis, bitte!“

Von geradezu unerbittlicher sprachlicher Konsequenz zeugt es, wenn in Werbetexten oder Zeitungsartikeln „Handies“ angepriesen werden. Da werden – in einer Art blind vorauseilendem Gehorsam – englische Regeln auf original deutsche Wortschöpfungen angewandt. Denn den Terminus „Handy“ in der Bedeutung von Mobiltelefon kennt die englische Sprache nicht. Die Briten sagen „mobile phone“, die Amerikaner „cellular phone“. Sollte man im Umkehrschluss von ihnen erwarten, dass sie „kindergaerten“ und „rucksaecke“ schreiben? Und die korrekte Pluralform des Exportschlagers „bratwurst“ kennen? Wahrscheinlicher ist, dass es genau umgekehrt kommt: Irgendwann werden wir in deutschen Texten Kindergartens, Rucksacks und Bratwursts begegnen.

Die deutsch-englische Verwirrung betrifft aber längst nicht nur gestandene Ladys, sondern zunehmend auch unbedarfte Teenies. Besonders kurios wird es nämlich, wenn englische Lehnwörter, die im Singular auf -ie enden, im Plural dann plötzlich ein y erhalten: Wenn also Teenies zu Teenys werden oder Hippies zu Hippys. Entweder herrschte hierbei bereits Unklarheit über die korrekte Endung im Singluar, oder es wurde der – falsche – Umkehrschluss gezogen, dass man das -ie im Plural zu einem -y auflösen müsse.

So sorgt die Vorfahrt der englischen Grammatik auf deutschen Straßen für Missverständnisse und Chaos. Wen wundert es da noch, wenn die drei englischen Ladies von Rowdies überfallen und ihrer letzten Ypsilons beraubt werden.

 (c) Bastian Sick 2003 / Illustration: Miriam Elze, Cornelsen Schulverlage 2013

Weiteres zum Thema: Handy/Handys


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ erschienen.

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7 Kommentare

  1. Ein Graffiti, zwei Graffittis? Was sagt die deutsche Rechtschreibung dazu?

  2. José de Jesús García Ruvalcaba

    Ich schreibe immer „Händy“ mit Umlaut. Welche Schreibweise ist vorzuziehen?

    • Heinz-Ruediger.Kowaltkowski@web.de

      zu bevorzugen ist »Händü mit beiden Umlauten 😀
      vorzuziehen wäre allerdings eine klare modewortfreie Schöpfung wie »Funkfernsprecher«, auch kurz »Funke«.

  3. Also, ich als zweisprachig Aufgewachsene weigere mich nach wie vor mit Erfolg, „hobbies“ mit Y zu schreiben. Da tut mir einfach alles weh. Dito verfahre ich mit Stories und ähnlichem. Allerdings bemühe ich mich auch, deutsche Wörter zu verwenden, wo möglich – also eher Geschichten als Stories zu erzählen. Nur das Wort „Steckenpferd“ statt „Hobby“ klingt mir dann doch zu altbacken… 😉

  4. „Espressi“ habe ich allerdings noch nie gelesen, in aller Regel waren die Cafébetreiber da noch viel kreativer in ihren pseudoitalienischen Wortschöpfungen. Die Palette reicht von „Espressis“ bis zu „Expressos“ (ja, wirklich, mit „x“).

    Und „Caffé“ ist auch immer wieder lustig. Wer findet den Fehler? 🙂

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