Lieber Herr Sick, da in unserem Geschäft viel von papierhaften Dokumenten geredet und geschrieben wird, möchte ich gerne wissen, ob es dieses Wort überhaupt gibt. Wenn es das nicht gibt, wie würde man den Unterschied zum elektronischen Dokument nennen?
Karin Rebuschat
Antwort des Zwiebelfischs: Liebe Frau Rebuschat, Ihr Gefühl hat Sie nicht getäuscht, das Wort „papierhaft“ hört sich stark nach einer künstlichen Zusammensetzung an, die einem bürokratischen Hirn entsprungen ist.
Die bei der Bildung von Adjektiven verwendete abstrakte Endsilbe „-haft“ steht hinter abstrakten Begriffen, also Dingen, die man nicht sehen oder anfassen, wohl aber fühlen oder sich vorstellen kann:
beispielhaft, dauerhaft, geisterhaft, glaubhaft, ekelhaft, fabelhaft, krankhaft, lebhaft, massenhaft, rätselhaft, sagenhaft, schauderhaft, schemenhaft, schleierhaft, schmerzhaft, zauberhaft
Adjektive, die von konkreten Begriffen abgeleitet werden (und was könnte konkreter sein als Materialien?), haben hingegen auch eine sehr konkrete Endung, nämlich -en, -ern oder -n:
blechern, eisern, golden, gläsern, hölzern, irden, kupfern, ledern, papieren, samten, silbern, stählern, steinern, tönern, wächsern, wollen
Freilich gibt es Ausnahmen, aber die Produkte, die ein Papierwarengeschäft verkauft, sollten getrost papieren genannt werden: papierene Dokumente, papierene Formulare. Man kann es sogar noch kürzer sagen, nämlich in einem Wort: Papierdokumente, Papierformulare. Es gibt noch ein weiteres Argument, das gegen „papierhaft“ spricht: In der Endsilbe „-haft“ klingt, ähnlich wie bei „-artig“, ein vergleichendes „beschaffen wie“ an. Etwas, das „sagenhaft“ ist, ist „wie eine Sage“, und was „wie ein Schemen“ aussieht, erscheint uns schemenhaft. Produkte, die laut Angaben des Herstellers „papierhaft“ sind, wären dieser Logik zufolge nicht aus Papier, sondern nur wie Papier, in Wahrheit aber womöglich aus Kunststoff. Vielleicht sollte man die Artikel, die als „papierhaft“ gehandelt werden, noch einmal sehr kritisch auf ihre Zusammensetzung prüfen.