Kann es sein, dass der Begriff „ausgepowert“ gar nicht englischer Herkunft ist, sondern aus dem Französischen stammt? Und was war zuerst da: das deutsche Wort „schick“ oder das französische „chic“? Leser stellen Fragen, der Zwiebelfisch gibt Auskunft.
Frage einer Leserin aus Potsdam:
Ich habe mal gehört, dass das Wort „ausgepowert“ gar nicht aus dem Englischen, sondern aus dem Französischen kommen soll. Ist das richtig?
Antwort des Zwiebelfischs:
Das stimmt tatsächlich! Wider Erwarten geht das Wort „ausgepowert“ nicht auf das englische Wort „power“ zurück, sondern auf das französische Wort „pauvre“, welches „arm“ bedeutet. Daher wurde es früher auch anders ausgesprochen, nämlich so, wie man es schreibt, mit einem o und einem w, ähnlich wie das deutsch-jiddische „ausbaldowern“, das „auskundschaften“ bedeutet. Die in unseren Augen heute so englisch anmutende Schreibweise war in Wahrheit die Angleichung des deutschen Schriftbildes an den französischen Klang.
„Auspowern“ hatte die Bedeutung „jemanden um sein Hab und Gut bringen“, „ausbeuten“, „ausplündern“, kurzum: „arm machen“. Im 19. Jahrhundert wäre es wohl niemandem eingefallen, „ausgepowert“ mit einem „au“-Laut zu sprechen. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich dies geändert. Da unsere Sprache von englischen Begriffen völlig durchdrungen ist, nahm man an, dieses Wort müsse mit dem englischen „power“ zusammenhängen – und sprach das „ow“ wie „au“. Dadurch änderte sich auch die Bedeutung des Wortes. „Ausgepowert“ heißt heute meist nicht mehr als „erschöpft“, „entkräftet“. Die ursprünglich viel weiter, nämlich an die materielle Existenz gehende Bedeutung ist verloren gegangen.
Eine ähnlich interessante Geschichte hat das Wort „schick“. Zwar geht es in seiner heutigen Bedeutung „modisch“, „hübsch“ tatsächlich auf das französische Wort „chic“ zurück, doch ist dieses wiederum ein Lehnwort aus der deutschen Sprache. Dass etwas „schicklich“ ist oder „sich schickt“, sagte man im Deutschen nämlich schon lange, bevor die Mode „chic“ wurde. Das mittelniederdeutsche Wort „schick“ stand für Gestalt, Form und Brauch, „schicklich“ hat die Bedeutung „angemessen“, „geziemend“. Irgendwann galt es als unschicklich, schick zu sagen, das Wort geriet aus der Mode. Über das Elsass und die Schweiz gelangte es in den französischen Sprachraum, von wo aus es im 19. Jahrhundert als „chic“ nach Deutschland reimportiert wurde, um dann wiederum zu „schick“ eingedeutscht zu werden. „Schick“ ist also ein deutsch-französisch-deutsches Wort, während „ausgepowert“ ein französisch-deutsches Wort ist, das nachträglich anglisiert wurde.
(c) Bastian Sick 2005
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.