Zweifellos beschäftige ich mich gern mit der deutschen Sprache. Manchmal darf ich aber auch Fragen beantworten, die mit Rechtschreibung und Grammatik nur sehr entfernt zu tun haben. Anfang dieser Woche erhielt ich eine E-Mail von einer ehemaligen Kommilitonin, die mich fragte, ob ich wohl ihrer 14-jährigen Tochter im Rahmen eines Projekts für den Religionsunterricht ein paar Zeilen zum Thema „Was ist Liebe?“ schreiben könne. Das sei zwar „eine zugegebenermaßen etwas globalgalaktische Frage“, aber vielleicht fiele mir ja etwas Passendes dazu ein. Ich sah darin eine willkommene Abwechslung, und so setzte ich mich mit einer Tasse Tee an meinen Schreibtisch, ließ den Blick hinaus in den milchig-trüben Herbsthimmel schweifen und sann darüber nach, wie ich einem jungen Menschen erklären soll, was Liebe ist. Möglichst ohne Pathos und Kitsch, aber dennoch so, dass es dem großen Thema einigermaßen gerecht wird. Und so schrieb ich:
Wissenschaftlich betrachtet, ist Liebe das Ergebnis eines biochemischen Prozesses, wie alles hier auf unserem Planeten, wie das Leben selbst. Doch damit ist Liebe nur unzureichend erklärt. Denn Liebe ist ein Wunder. Allerdings kein Wunder, das vom Himmel fällt oder durch Zauberei geschieht, sondern ein alltägliches Wunder, das jedem widerfahren kann; immer wieder, immer anders.
Liebe kann die unterschiedlichsten Formen annehmen. Liebe kann Leidenschaft sein: der unbändige Drang, jemandem nahe zu sein. Liebe kann Fürsorge sein: das Gefühl, gebraucht zu werden und für jemanden verantwortlich zu sein. Liebe kann Freundschaft sein: ein Empfinden, das sich einstellt, wenn man mit Menschen zusammen ist, in deren Gegenwart man sich wohlfühlt. Liebe kann Mitgefühl sein, das man anderen entgegenbringt, die krank oder in Not sind.
Liebe verändert sich ständig, so wie alles Leben, alle Materie und alle Energie sich ständig verändern. Sie kann tosen und rauschen wie ein Wasserfall oder leise plätschern wie ein Bach; sie kann ein loderndes Feuer sein oder eine warme, ruhige Glut. Und selbst wenn sie zu erlöschen droht, verschwindet sie nie ganz.
Liebe ist die treibende Kraft, die den Menschen dazu gebracht hat, Musik zu komponieren, Blumen zu züchten und Gedichte zu schreiben. Liebe ist das Elixier, das den Menschen dazu bringt, sich selbst zu vergessen und über sich hinauszuwachsen. Liebe kann manchmal auch gefährlich sein, selbstsüchtig und zerstörerisch.
Im Unterschied zu anderen Kräften lässt Liebe sich nicht beherrschen und kontrollieren. Selbst wenn wir es wollten, könnten wir Liebe niemals einem Willen unterordnen. Darum kommt Liebe auch nicht in Gesetzestexten vor. Liebe lässt sich nicht einmal messen, weder in Litern, Gramm noch Kilometern.
Liebe kann weh tun und gut tun, sie kann uns ebenso traurig wie glücklich machen, sie kann uns aufrichten, uns Flügel verleihen und uns in den Himmel heben. Liebe ist die Antwort auf die Frage, warum es uns gibt und was wir in diesem Universum verloren haben. Liebe besteht aus nichts und bedeutet alles.
Für Sarah
Diese Ausführung über das weite, breite Thema Liebe ist beinahe wie ein Songtext: sehr inspirierend – und sehr treffend! Herzlichen Dank! Und Ihnen möglichst viele liebevolle Momente!
Lieber Bastian! Das ist wirklich ein SEHR SCHÖNER Text über die Liebe, den Du da geschrieben hast. Liebe Grüße aus Lübeck! Bernd
Mit Freude habe ich Ihre Gedanken über die Liebe gelesen. Auch die Einleitung gefällt mir – wie Sie sich an einem trüben Nachmittag Gedanken über die Liebe machten.
Sie haben über die verschiedenen Formen der Liebe gesprochen, die Elternliebe, die Liebe zwischen Freunden, die fürsorgliche Liebe. Nur über die Verliebtheit haben Sie nicht gesprochen. Sie haben sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, als eine Form der Liebe beschrieben. Auch die Abhängigkeit kommt bei Ihnen als eine Art der Liebe vor. Wenn ich darf, würde ich gern etwas mehr differenzieren oder auch präzisieren. Abhängigkeit hat ja mit Liebe nichts zu tun, sie ist nur ein unglaublich starkes Gefühl, das meist mit dem Gefühl extremer Verliebtheit verwechselt wird. Und tatsächlich ist das Gefühl ja fast identisch. In beiden Fällen fürchtet man sich vor dem Verlust des anderen Menschen. Aber hat es etwas mit Liebe zu tun?
Die Verliebtheit verleiht uns Flügel, nicht aber die Liebe. Verliebtheit hat mit Illusion sehr viel zu tun. Die Liebe kommt ohne jede Illusion aus. Liebe hat mit Einfühlung sehr viel zu tun, Liebe ist ohne Einfühlung nicht möglich. Verliebtheit kommt ohne jede Einfühlung aus. Zur Liebe gehört unzweifelhaft das Gefühl der Verantwortung, aber zu dem Gefühl von Liebe gehört zusätzlich ein tiefes Gefühl der inneren Verbundenheit. Ist man einem Menschen in Liebe verbunden, möchte man alles für ihn, das ihm guttut. Dieses Gefühl ist vollkommen frei von Eifersucht. Eifersucht und Liebe schließen sich gegenseitig aus. Wie kann man einen Menschen lieben, dem man etwas nicht gönnt?
Trotzdem, Sie haben an eine 14-Jährige geschrieben, und Sie haben die Liebe wunderbar beschrieben – und mich mal wieder angeregt, darüber nachzudenken.
Sehr hochachtungsvolle Grüße, Ihr Karl Kroll
Dear Bastian…that was just wonderful! I wish you could do for the English language what you are doing for the German. I love your wit, intelligence and sensitivity. Carry on with the good work!
Love
Brigitte (aus Schottland)
Lieber Herr Sick,
Allmählich habe ich in Bezug auf Ihre Texte die Wahrnehmung einer Empfindung der Zuneigung…
Klarer gesagt, ich habe große Liebe zu Ihren Texten.