Mittwoch, 10. April 2024

Fliehen und flüchten

Frage an den Zwiebelfisch: Lieber Zwiebelfisch, niemand, den ich bisher fragte, konnte mir den Unterschied zwischen „fliehen“ und „flüchten“ erklären, so es denn einen gibt. Meine Erklärungsversuche nach dem Motto „von einem Ort weg“ oder „zu einem Ort hin“ wurden jeweils durch Gegenbeispiele entkräftet. Ich hoffe, Sie flüchten sich nicht in irgendwelche Ausflüchte und bringen etwas Licht in dieses Dunkel.

Olaf Sinram, Berlin

 

Antwort des Zwiebelfisch: Lieber Herr Sinram, der Unterschied zwischen „fliehen“ und „flüchten“ liegt im Antrieb. „Fliehen“ bedeutet „schnell davonlaufen“, daher hat auch der schnell davonhüpfende Floh seinen Namen. Wer flieht, der tut dies aufgrund eines selbst gefassten Entschlusses. „Flüchten“ stammt aus dem alten Jäger- und Kriegsvokabular und bedeutet „in die Flucht geschlagen werden“. Wer flüchtet, der tut dies meist gegen seinen Willen, weil er verjagt oder vertrieben worden ist. Daher werden Heimatvertriebene meistens Flüchtlinge und selten Geflohene genannt. Vielleicht erhellt dieses Beispiel den Unterschied:

Die ersten Dorfbewohner flohen vor dem Feind (= sie rannten aus freiem Entschluss davon), die letzten konnten nur noch flüchten (= sie wurden gegen ihren Willen vertrieben).

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Ein Kommentar

  1. Im Medienjargon hat es sich leider in den letzten Jahren eingebürgert, nur noch von „flüchten“ statt von „fliehen“ zu sprechen. Nach der Zwiebelfisch-Definition sind allerdings beispielsweise die Flüchtlinge in Deutschland großenteils geflohen, nicht geflüchtet. Selbst, wenn es eine Notsituation war, aus der sie entkommen sind, haben die meisten doch das Land auf eigenen Entschluss verlassen und sind nicht aus den Häusern rausgeprügelt worden. Eine Flucht ist nie freiwillig, insofern ist eine mögliche Unterscheidung, zu fliehen wäre ohne akute Bedrängnis, aber zu flüchten mit, auch nicht sinnvoll. Ein Beispiel: wenn den Bewohner von Aleppo geraten wurde, die Stadt zu verlassen, dann können sie fliehen. Wenn aber jemand abhaut, weil gerade sein Haus zerbombt wird und er gerade noch herauskommt, dann flüchtet er.
    Deswegen mein Appell, dem schönen deutschen Wort fliehen in der Mediensprache auch wieder den Platz einzuräumen, der ihm zusteht.

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