Ich habe ein neues Wort gelernt! Wie die meisten neuen Wörter kommt es aus dem Englischen. Es heißt „floaten“ – mit den Formen „ich floate“, „du floatest“, „er floatet“, „ich floatete“ und „wir sind gefloatet“ oder auch „wir haben gefloatet“.
Floaten ist ein neuer Entspannungs-Trend, der vielleicht spurlos an mir vorübergetrieben wäre, hätte mir meine Freundin Sibylle zum Geburtstag nicht einen Gutschein geschenkt: „Du musst mal flootn“, hatte sie gesagt, „das macht dich wieder richtig locker! Danach fühlst du dich wie ein frisch geschlüpftes Ei!“ Sie meinte wohl „wie frisch aus dem Ei geschlüpft“, aber derlei Verdrehungen bin ich von Sibylle gewohnt. Heute Nachmittag hatte ich nun einen Termin in einem sogenannten Float-Center. Etwas skeptisch war ich schon: „Das ist vermutlich wieder irgendsoein neumodischer Wellness-Schnickschnack, der mit viel Gedöns und Getöse vermarktet wird und sich am Ende dann auf die alte Formel einmal Nassmachen = 65 Euro herunterbrechen lässt“, hatte ich gedacht, um mich in den folgenden eineinhalb Stunden eines Besseren belehren zu lassen. Floaten ist eine himmlische Erfahrung! Man treibt dabei in einem ca. 2 mal 2 Meter breiten Becken (engl. „to float“ heißt treiben, schweben), das mit angenehm temperiertem Salzwasser gefüllt ist. Der Salzgehalt ist so konzentriert, dass man nicht untergehen kann. „Das ist rein physiologisch nicht möglich“, hatte Sibylle mir versichert und meinte dabei wohl „physikalisch“. Anders ausgedrückt: Man treibt wie im Toten Meer, nur ohne die Gefahr eines Sonnenbrands. Schon nach wenigen Minuten beginnt sich der Körper zu entspannen: Verkrampfungen lösen sich, die Muskulatur wird locker. Irgendwann setzte ein Gefühl der Schwerelosigkeit ein: Vor meinem geistigen Auge sah ich Wale an mir vorüberziehen und Planeten. Es war wie Träumen im Wachzustand. Ein paarmal muss ich auch weggenickt sein, was, wie mir gesagt wurde, zur Entspannung gehöre und völlig ungefährlich sei, da man weder untertauchen noch zur Seite rollen könne. Das ist eben, wie Sibylle bemerkte, physiologisch nicht möglich. Nach einer Stunde des schwerelosen Dahintreibens wurde das Licht langsam heller, das Wasser begann abzulaufen; damit war es an der Zeit, das Becken zu verlassen und sich abzuduschen.
Mindestens 20 Minuten lang stand ich unter der Dusche und genoss es, das warme Wasser an mir herunterlaufen zu lassen. Ich war so entspannt, als wäre ich aus einer Propofol-Narkose erwacht. Auf dem Heimweg nahm ich voller Entzücken Dinge wahr, denen ich vorher kaum Beachtung geschenkt hätte: „Oh, eine Straßenlaterne!“, dachte ich beglückt, „wie anmutig sie doch leuchtet!“ Oder: „Oh, ein Auto! Wie majestätisch es dahingleitet!“
Nach dieser Erfahrung stand für mich fest, dass ich „floaten“ in meinen aktiven Wortschatz aufnehmen werde. Kreative Köpfe haben sich indes eine deutsche Entsprechung einfallen lassen, die nicht nur treffend ist, sondern auch noch anmutig: Wer auf gut Denglisch „zum Floaten geht“, der nimmt auf Deutsch ein „Schwebebad“. In diesem Wort ist alles enthalten, was „floaten“ zu bieten hat: Wasser, Entspannung, eine schwereloser Zustand. Das „Schwebebad“ ist ein weiterer Beweis dafür, dass das Deutsche längst nicht so schwerfällig daherkommt, wie ihm oft nachgesagt wird, sondern im Gegenteil leicht dahertreiben kann wie ein Urlauber im Toten Meer.
Ich habe gleich ein paar Gutscheine gekauft, die ich meinen Freunden schenken werde, auf dass auch sie in den Genuss eines Schwebebads kommen. Von mir aus auch in den Genuss des Floatens. Die deutsche Sprache wird an diesem Wort nicht untergehen. Das ist rein physiologisch nicht möglich.
FOTO: SELBSTAUSLÖSER
(c) Bastian Sick 2011