Wem sein ist das? Nicht doch, es heißt „wessen“! Also gut, dann eben „wessen sein ist das“! Zum zweiten Fall haben dem Zwiebelfisch seine treuen Leser natürlich jede Menge beizutragen. Lesen Sie hier eine Auswahl der amüsantesten und interessantesten Zuschriften.
Sehr geehrter Herr Sick, es tut so gut, Ihre Beiträge zu lesen! Dieser Meinung sind auch mein Schwager sein Arbeitskollege dem seine Bekannte und eine Freundin von meiner Freundin der ihre Freundin und Mann. Herzliche Grüße!
Klaus-Peter Koch, Goslar
Da will uns dat Zwiebelfisch wahr machen, dat dat Genetiv ausgestorben iss! Dabei sitzen doch die wahren Wahrer von dat dialektischen Genetiv 9,5 Milionen mal im Pott! Wir haben dat Genetiv sozusagen zu unsern Hauptfall gemacht. Unsere wahre Integrationleistung liegt darin, wat man so allgemein als Vereinfachung nennt: einfach Dat und Wat !
Dat T und S sind doch wie Schwesta und Bruda, und deshalb ham war uns gesacht, wir machen dat ainfach, ainfach imma T am Ende und dann vatut man sich auch nich mit dat Genetiv und dat Dativ.
Deshalb haist dat bei uns: Wat sain Brot ich ess, dat sein Lied ich sing ! Und nich anders !
Glück aauf !
Thomas Wüstenfeld, Bochum
Erst einmal Glückwunsch zu’n Zwiebelfisch sein Geburtstag!
Eine besonders schmerzhafte Genitiv-Umgehung kenne ich noch aus meiner Kindheit: Ines ist ein Mädchen aus dem Bekanntenkreis. Ines hat auch eine Mutter. Die wurde bei Freuden ganz schnell zu „Ines seine Mutter“. (Man beachte die grammatische Geschlechtsumwandlung!) Noch heute heißt es bei uns in der Familie: „Guck mal, das ist der Ines seine Mutter ihr Haus!“
Jochen Hörcher, Lübeck
DAS war ja irgendwann fällig: unser Ernst-August im „Zwiebelfisch“! Unter anderem wegen dieser Inschrift ist „wem seins, ihm seins“ auch als „hannöverscher Genitiv“ bekannt. Das können also nicht nur die Rheinländer …
Übrigens kann man sich in Hannover auch ganz ungeniert „unterm Schwanz“ verabreden: Gemeint ist mit diesem beliebten Treffpunkt natürlich der Schwanz von „Ernst-August sein Pferd“.
Burkhard Schäfer, 29664 Walsrode
Ich bin in einer Gegend (Rheinhessen) aufgewachsen, in der der Gebrauch des Genitivs in der Umgangssprache nicht üblich ist. In unserer regionalen Sprache wirkt er wie ein Fremdkörper. Selbstverständlich verwende ich den Genitiv in geschriebenen Texten, spreche aber trotzdem von „der Anna ihre Mütze“, wenn ich die Mütze meiner Tochter meine. Sollte meine Tochter die Beherrschung des Genitivs später nicht erlernen, liegt das – wie ich an mir selbst sehe – wohl nicht an der Sprache ihrer Eltern, sondern eher daran, dass sie zu wenig gelesen haben wird. Und das werde ich zu verhindern versuchen.
Daniel Wolf, 67550 Worms-Herrnsheim
Ich bin im südlichsten Winkel Deutschlands unmittelbar an der Tiroler Grenze (Hinterstein) aufgewachsen, Dort werden sogar die Vornamen noch sauber durchdekliniert wie zu Goethes Zeiten. „Des hot a Annane geabe“ (Das hat er der Anna gegeben.) Oder: „Warum hosch du Herberte gschlage?“ (Warum hast Du Herbert(en) geschlagen?)
Ein Sprachwissenschaftler (Kurgast) meinte einmal verzückt, „die Sprache Walters von der Vogelweide“ zu hören. Sie klingt für Fremde merkwürdig, folgt aber konservativ einer strengen Grammatik. Meine (zugroaste) Mutter hat mir immer verboten, mich mit meinem Bruder im Dialekt zu unterhalten, weil sie nichts mehr verstand.
Ivo Mansmann, Schwarzwald
Im letzten Absatz schreiben Sie, „dass dem Graveur sein subversives Handeln nicht bewusst war“. Wäre es nicht richtiger zu sagen „dass sich der Graveur seines subversiven Handelns nicht bewusst war“? Das hätte dem Genitiv zu seinem Recht verholfen!
Gunter Sinch, Kitchener, Kanada
Antwort des Zwiebelfischs: Zweifellos, lieber Leser, aber eine solche Gelegenheit zu einem weiteren Wortspiel (dem Graveur sein Handeln) konnte ich mir doch nicht entgehen lassen!
In meiner sauerländischen Heimat geht man sogar noch einen Schritt weiter und bringt neben dem Dativ zur allgemeinen Verwirrung Auswärtiger auch noch eine Vermischung der Geschlechter über die Possessivpronomina ins Spiel. Da heißt es dann anstatt „unser Oma ihr Auto“ auch schon mal „unser Omma ihr sein Auto“. Dies nur, falls Ihnen das in der dreijährigen Geschichte Ihrer Kolumne noch nicht untergekommen ist. Herzlichen Glückwunsch,
Thiemo Steinrücken, Bonn
Das Denkmal in Hannover hat vermutlich humanistische Bildungstradition ins Deutsche übertragen, eine angesichts der steinernen Inschrift auch naheliegende Anleihe. Die schlichte Kombination eines Dativs mit einem Nominativ ist die einfachste lateinische Grußform, so z.B. im Brief, in der Regel allerdings mit dem Nominativ zuerst:
„Cicero Rufo“ („Cicero dem Rufus“, Cicero ad familiares 5,19)
und meistens (aber nicht immer) ergänzt durch die Grußformel „s.d.p.“ (salutem dicit plurimam).
Die Reihenfolge von Nominativ und Dativ zu vertauschen ist für eine Inschrift durchaus angemessen, da unter dem Denkmal natürlich die angeredete Person an auffälligster Stelle stehen soll. Ein Gedankenstrich wäre hier eigentlich abwegig.
Hermann Gottschewski, Tokio, Japan
Sie müssen nur mal auf deutsche Spielplaetze gehen, da wird es den Heranwachsenden wirklich schwergemacht: „Thorben-Hendrik, lass es stehen, das is dem Kevin sein Trinken.“ Von derselben Mutter hörte ich kurz darauf noch die gesteigerte Variante: „Thorben-Hendrik, stell die Tasse wieder hin. Das is dem Kevin seine Oma ihr Trinken!“
Adrian Krieger
Dazu gibt es folgende wahre Begebenheit zu berichten: Schauplatz Kinderheim in St.-Peter-Ording. Appell im Schlafsaal. Schwester Lotte schickt Hermännchen, er soll nachsehen, ob der Waschraum aufgeräumt ist. Hermännchen findet einen herrenlosen Waschlappen und hält ihn in die Höhe: „Wem sein Waschlappen ist das?“ – Schwester Lotte: „Das heißt ,wessen‘!“ – Hermännchen: „Wessen sein Waschlappen ist das?“
Klaus Bertram, Wunstorf
Lieber Herr Sick, Sie schreiben: „In korrektem Hochdeutsch hätte es ,Des Landesvaters treuem Volk‘ heißen müssen.“ Sind Sie sicher? Muss es nicht „Des Landesvaters treues Volk“ heißen?
Albert Hartkost, Neuenburg am Rhein
Antwort des Zwiebelfischs: In der Formulierung „Des Landesvaters treues Volk“ steht das Volk im Nominativ. In meinem Beispiel aber ging es um das Verb „widmen“, und das erfordert den Dativ: „Dem treuen Volk des Landesvaters (gewidmet)“. Wenn man Volk und Landesvater umstellt, ergibt sich: „Des Landesvaters treuem Volk (gewidmet)“.
(c) Bastian Sick 2006
Zur Kolumne: Wem sein Brot ich ess, dem sein Lied ich sing
Gerade bin ich beim durchstöbern des Internets auf diese Seite geraten, und der Sockel des Denkmals fiel mir sofort ins Auge, denn ich gehe fast täglich daran vorbei. Natürlich kann man die Widmung falsch verstehen und daraus des Landesvaters treuem Volk (dem Landesvater sein teures Volk) machen, aber schon allein die Ausgestaltung zeigt doch, dass es sich nicht um einen Satz, bzw. Satzteil handelt, sondern dass das Denkmal DEM LANDESVATER durch SEIN TREUES VOLK gewidmet ist. Darüber schmunzeln kann man aber durchaus, belegt es doch, dass man sich auch früher gelegentlich ungeschickt ausgedrückt hat.