Kennen Sie den Sketch, in dem Loriot ein schief hängendes Bild geradezurichten versucht und dabei das komplette Zimmer verwüstet? Die Idee ist keinesfalls weit hergeholt, denn schiefen Bildern begegnet man täglich. Die Medien sind voll davon.
Ich bin vor kurzem umgezogen, und mittlerweile ist meine Wohnung fast vollständig eingerichtet. Es fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten – zum Beispiel Bilder an den Wänden. Aber gerade damit tue ich mich besonders schwer, denn das Anbringen von Bildern ist eine heikle Sache. Das weiß ich aus Berufserfahrung. Nun bin ich weder Galerist noch Innenarchitekt, sondern Journalist. Aber gerade in diesem Beruf sind Bilder ein Problem. Ehe man sich versieht, hängt eines schief. Oder es fällt einem direkt auf den Fuß.
Wenn Ihnen das zu bildhaft ist, kann ich selbstverständlich auch gern konkreter werden. Wie wäre es mit einem Beispiel? Beginnen wir einfach mit dem „Heidengeld“.
Zusammensetzungen mit dem Wort „Heiden“ wie in Heidenspaß und Heidenarbeit zählen ohnehin nicht zum guten Stil, zumal sie durchs Raster der allgegenwärtigen Political Correctness fallen. Umso mehr wird man stutzig, wenn man in einem Artikel über den Wiederaufbau in Ostdeutschland folgenden Satz liest: „Gerade im Gebiet der Ex-DDR wird ein Heidengeld schon für die Notsicherung jahrzehntelang vernachlässigter und einsturzgefährdeter Kirchen benötigt.“ Ein Heidengeld für die Rettung der Kirche – wenn da mal nicht der Teufel seine Finger im Spiel hat!
Dazu passt auch jener Bericht, der auf der Internetseite des Bayerischen Rundfunks zu lesen war. „Altötting ist an sich schon ein wichtiger Wallfahrtsort für Katholiken mit vielen tausend Besuchern jährlich“, hieß es dort. „Wenn im September allerdings der Papst in die Stadt kommt, wird der Teufel los sein.“ Der Bayerische Rundfunk ist eigentlich nicht für lästerliche Wortspielereien bekannt, daher ist kaum anzunehmen, dass es sich beim stilistischen Zusammentreffen von Papst und Teufel um eine bewusst gewählte Metapher handelt. Vielmehr dürfte Gedankenlosigkeit der Grund gewesen sein, und das ist der Strauch, an dem die knalligsten Stilblüten blühen.
Ähnlich paradox wie die Tatsache, dass einsturzgefährdete Kirchen ausgerechnet mit Heidengeld gerettet werden sollen, mutet jene Meldung aus den Fernsehnachrichten an, in der es hieß: „Die winterlichen Witterungsverhältnisse haben in Asien zu einem regelrechten Chaos geführt.“ Ein Chaos nach Regeln! Das ist fast so schön wie die eingefleischte Vegetarierin.
Oft entsteht der Fehler durch eine Kreuzung zweier Redewendungen, die ähnlich lauten und womöglich auch eine ähnliche Bedeutung haben. Aus den beiden Drohgebärden „die Messer wetzen“ und „mit den Säbeln rasseln“ erschuf ein Sportreporter kurzerhand ein neues geflügeltes Wort und kommentierte die gefasste Haltung der Chefs des McLaren-Mercedes-Teams nach einer Massenkarambolage in Indianapolis mit folgenden Worten: „Innerlich dürften sie allerdings … überkochen und schon gewaltig mit den Messern wetzen.“ Und nicht nur das Wetzen mit den Messern ist hier bemerkenswert. Ebenso spannend ist die Frage, wie etwas innerlich überkochen kann.
Apropos Messer: Vor einiger Zeit nahm die Hamburger Polizei einen Serientäter fest, der mindestens vier Überfälle auf Spielhallen begangen haben soll. „In einem Fall hatte er eine als Aufsicht arbeitende Frau mit einem Messer bedroht und leicht verletzt“, berichtete das „Hamburger Abendblatt“. Der Festgenommene bestreite die Taten zwar, doch habe das Raubdezernat für eine Anklage „stichhaltige Beweise“.
Da tun sich Abgründe auf, nicht wahr? Der Abgrund ist ja ebenfalls ein gern zitiertes Bild, an dessen Rand immer wieder jemand steht. Doch nicht immer bleibt es dabei. Manche gehen einen Schritt weiter.
Sensenblätter können leicht mal eine Scharte bekommen. Mit entsprechendem Schleifgerät lässt sich eine solche meistens problemlos wieder auswetzen. Manch einer scheint zu glauben, das funktioniere auch mit einem Bügeleisen. Zwei glücklosen Fußballvereinen wurde von einem Redakteur der „Ostsee-Zeitung“ prophezeit: „Morgen können beide mit Heimvorteil diese Scharte ausbügeln.“
Überhaupt scheinen einige Männer recht seltsame Vorstellungen vom Bügeln zu haben. So stellte ein Reporter während der Übertragung eines Reitturniers in Wiesbaden lakonisch fest: „Was einmal in die Hose gegangen ist, kann nicht mehr geradegebügelt werden.“ Das hätte Loriot nicht trefflicher formulieren können.
(c) Bastian Sick 2007