Freitag, 4. April 2025

Die Liebe zu dir

Eine Leserin wandte sich an mich mit einer Frage, die so charmant und inspirierend war, dass ich nach längerer Zeit mal wieder eine Kolumne geschrieben habe. Kurz gesagt geht es darum, ob »die Liebe zu dir« und »die Liebe für dich« gleichwertig sind – oder ob da nicht doch ein feiner Unterschied besteht.

Frage einer Leserin:
Werter Bastian Sick,
mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Formulierung »Liebe zu ihr/Claudia« nicht das Gleiche aussagt wie die Formulierung »Liebe für sie/Claudia«.
Da ich dafür aber keine Nachweise finde, wende ich mich an Sie und Ihren Zwiebelfisch.
Ich würde „Liebe zu“ eher für Personen verwenden und „Liebe für“ eher für Gegenstände/Themen und nicht für sie/Claudia.
Liegt meine Bauchgefühl da richtig? Ist „Liebe zu“ vielleicht sogar intensiver, persönlicher?
Wo finde ich Antworten auf solche Fragen?
Danke! Viele Grüße
Silke

Antwort des Zwiebelfischs:

Liebe Silke, das ist eine wunderbare Frage, die mich zu längerem Nachdenken angeregt hat. 

Spontan möchte ich Ihnen Recht geben: »Meine Liebe zu dir« klingt stärker, eindringlicher und verbindlicher als »meine Liebe für dich«. Das liegt daran, dass die Präposition »zu« mehr mit Hinwendung zu tun hat, nicht umsonst enthält sie eine Richtungsangabe.

Die Präposition »für« sagt hingegen nur etwas über das Ziel oder den Empfänger aus, nicht aber über die Richtung oder den Weg, auf dem etwas, das »für jemanden« bestimmt ist, »zu ihm« gelangt ist. 

Bei »Peters Liebe zu Susanne« lässt sich die Liebe wie ein Lichtstrahl visualisieren, der von Peter zu Susanne geht. Bei »Peters Liebe für Susanne« wandert das Licht von Peter, dem Aussendenden, zu Susanne, der Empfängerin, ohne dass dabei ein Strahl sichtbar würde.

Aus diesem Grund würde auch ich, wenn es um die Liebhaberei von Dingen geht, eher die Präposition »für« verwenden, zum Beispiel bei der »Liebe für guten Wein« oder der »Liebe für die Oper« – und nicht zu vergessen bei der »Liebe für die deutsche Sprache«.  

Diese Art der Deutung dürfte allerdings in keinem Grammatikwerk zu finden sein. Ob zwischen der Liebe »für« jemanden und der Liebe »zu« jemandem noch ein weiterer Unterschied besteht als im Kasus-Gebrauch, ob sich aus der Wahl der Präposition womöglich gar Rückschlüsse über die Qualität der Liebe ziehen lassen, ist sprachwissenschaftlich nicht zu belegen.    

Und meine Argumentation gerät auch prompt ins Wanken, wenn die Liebe von weiteren Wörtern umgeben wird. Wenn zum Beispiel ein Verb wie »empfinden« mit ins Spiel kommt. Dann bestimmt dieses Verb die Präposition, und »empfinden« wird meistens mit »für« gebraucht: Man empfindet Liebe für jemanden, nicht aber zu jemandem. 

Das Wort »Mutterliebe« als »die Liebe einer Mutter für ihr Kind« zu definieren, scheint mir üblicher als »die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind«. Obwohl auch das sicherlich möglich ist.     

Der Gebrauch von Präpositionen ist – wie alles in der Sprache – ständig in Bewegung und kann regionale und soziolektale Unterschiede aufweisen. Das wohl berühmteste Beispiel hierfür ist die Frage, ob es »an Weihnachten« oder »zu Weihnachten« heißt. Eine meiner ersten Kolumnen war dem Thema »Streit um oder Streit über« gewidmet. Wenn Eltern sich über ihr Kind streiten, sei es etwas anders, als wenn sie sich um ihr Kind streiten, schrieb ich damals. Meine Kolumne änderte leider nichts daran, dass im Journalismus auch heute hinter dem Wort »Streit« meistens die Präposition »um« gebraucht wird: Streit um den Bundeshaushalt, Streit um die Verfassung etc., obwohl der Streit tatsächlich über etwas geführt wird. Doch zurück zur Liebe.

Oft kann ein Blick auf andere Sprachen helfen. Auch im Englischen gibt es zwei Formen: Neben »my love for you« existiert auch die Form »my love to you«. Ob Letztere allerdings allein stehen kann oder immer von einem Verb abhängig ist (»I send all my love to you«, »I gave all my love to you«), vermag ich nicht zu sagen, das müsste ich erst einen Muttersprachler fragen. Im Niederländischen, das dem Deutschen bekanntlich am Ähnlichsten ist, gibt es nur »mijn liefde voor jou« (meine Liebe für dich). Eine zweite Form mit »zu« existiert nicht. Das hat aber nicht viel zu bedeuten. Im Niederländischen gibt es nicht einmal das Verb »lieven«. Wenn man in Holland sagen will »ich liebe dich«, so sagt man »ik hou van jou«, wörtlich übersetzt »ich halte [viel] von dir«. 

Wie schwer sich auch die Deutschen mit dem Liebesbekenntnis tun können, sieht man an der Vielzahl der Möglichkeiten, dem direkten »ich liebe dich« aus dem Weg zu gehen oder es zu umschreiben, von »jemanden gut leiden können« über »jemanden wirklich gern haben« bis hin zu »jemanden ganz doll lieb haben«.      

Die feinsinnige Frage, ob zwischen der Liebe »zu« und der Liebe »für« jemanden ein Unterschied besteht, dürfte – außer Ihnen und mir – hauptsächlich Textdichter und Liedermacher beschäftigen.     

Als ich Ihre Mail las, hatte ich sofort einen Titel meiner Lieblingssängerin Mireille Mathieu im Kopf: »Die Liebe zu dir« heißt er und stammt aus dem Jahr 1982. Damals war ich 17 und liebte Mireille über alles. Derzeit gibt sie ihre Abschiedstournee, und in wenigen Tagen, am 19.3., werde ich sie ein letztes Mal in Hamburg in der Elbphilharmonie live erleben können. Auch wenn sie danach nicht mehr auftritt – meine Begeisterung für ihre Lieder und meine Dankbarkeit für ihre vielen Jahre als Sängerin werden genauso wenig enden wie meine Liebe zu ihr. 

Und wenn Sie hier beim Lesen des Wortes »zu« einen Lichtstrahl erkennen konnten, dann bestätigt das alles, was Sie selbst vermutet haben. Er kam direkt aus meinem Herzen. 

© Bastian Sick 2021

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Ein Kommentar

  1. Mechthild Schneider

    Danke, lieber Herr Sick,

    für die wieder so aussagekräftige Kolumne!! Vor allem freue ich mich darüber, dass Sie die wunderbare Mireille in HH noch einmal genossen haben. Bestimmt hat sie Ihre Liebe zu ihr gespürt!!

    Wieder einmal herzlich

    Mechthild Schneider

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