Wenn ein Wort in zwei verschiedenen Schreibweisen existiert, dann denken die meisten Menschen, dass es einen Bedeutungsunterschied geben müsse. So wird heute gerne angenommen, dass „Model“ mit einem „l“ das Wort für Mannequin sei und „Modell“ mit Doppel-l etwas künstlich Geschaffenes. Ein Trugschluss. Claudia Schiffer ist ebenso ein Fotomodel wie ein Fotomodell. Das Wort Modell ist lediglich älter, die englische Variante (gesprochen: moddl) kam – wie so oft – später dazu, um unsere Sprache an einer Stelle zu bereichern, die schon reich ge- nug war. Das schöne französische Wort „Mannequin“ ist zugunsten des kaugummizerkauten „Model“ aus der Mode geraten. Dass auch das deutsche „Modell“ vom englischen „Model“ verdrängt wurde, lässt sich aber nicht allein mit der allgemeinen Beliebtheit englischer Wörter begründen. In den Siebzigerjahren geriet der Begriff „Modell“ zuneh- mend in Verruf, da sich immer häufiger Callgirls als „Modelle“ ausgaben. Da mochten die Mannequins sich nicht mehr Modelle nennen – was den Siegeszug des englischen Wortes begünstigte.
Daneben hat das Wort „Modell“ natürlich noch eine Vielzahl weiterer Bedeutungen, die unbestritten sind: Vorbild, Muster (Athen war ein frühes Modell der Demokratie; Frauen, die einem Maler Modell stehen), Nachbildung in kleinerem Maßstab (Modelleisenbahn, Modellauto), Einzelanfertigung eines Kleides (das geblümte Modell), vereinfachte Darstellung eines Ablaufs oder eines komplexen Zusammenhangs (das Modell unserer DNS), Typ, Fabrikat (Automodell).
Gelegentlich kommt es zu rührenden Missverständnissen, wenn jemand auf einer Party von sich erzählt: „Ich sammele alte Porschemodelle“, und ein anderer begeistert ruft: „Oh, warten Sie, da habe ich was für Sie!“, um kurz darauf mit einem Miniaturauto zurückzukehren. Zwischen Automodell und Modellauto liegen Welten – nicht nur maßstäblich und preislich, sondern auch hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Statussymbol.