Wenn die Suche kein Ende holt und man kaum noch zum Luftnehmen kommt – dann ist man irgendwo zwischen Saarbrücken und Trier. Lesen Sie hier, was „Zwiebelfisch“-Leser zum Thema „Holen statt Nehmen“ zu berichten haben.
Wenn die Suche kein Ende holt und man kaum noch zum Luftnehmen kommt – dann ist man irgendwo zwischen Saarbrücken und Trier. Lesen Sie hier, was „Zwiebelfisch“-Leser zum Thema „Holen statt Nehmen“ zu berichten haben.
Als Kind der Moselstadt muss ich nach dem Lesen des „Zwiebelfisch“ zwei Dinge feststellen: Erstens, dass der Trierer lauthals über sich selbst zu lachen vermag. Zweitens, dass ich wegen meiner Herkunft noch nie in so netter Art und Weise auf die Schippe „geholt“ wurde.
Mike Judith, Trier
Auch ich musste mir das „holen“ mühevoll abgewöhnen. Meine Freunde behaupten immer noch spöttisch, „Kapitän Nemo“ müsse bei uns in Trier „Kapitän Holo“ heißen. Auch die Frage, ob es bei uns denn dann „Schleswig-Nehmstein“ hieße, musste ich mir schon gefallen lassen.
Niko Maier, Karlsruhe
Anlässlich eines Banküberfalls vor einigen Jahren, der sich auf der Trierer Saarstraße zutrug, unterrichtete mich ein Anwohner mit einigem Entsetzen von einer „Geiselholung“. Ich war damals noch sehr neu in der Stadt und dachte mir, dass das wohl ein Service sei, den andere Städte ihren schlecht vorbereiteten Bankräubern so nicht anbieten. Wo war ich nur hingeraten?
Andreas Hohn, Köln
Als ein Trierer, der vor einiger Zeit berufsbedingt seinen Wohnsitz dort aufgeben musste, habe ich mich sehr über diesen Beitrag gefreut. Endlich jemand, der Verständnis zeigt und ein bisschen Rücksicht holt, sodass man Ihnen auch die kleinen Spitzen nicht krumm holen wird!
Das Bemühen, den wenig gelittenen Dialekt zu verleugnen und durch korrektes Hochdeutsch zu ersetzen, ohne es wirklich zu können, treibt noch viel absurdere Blüten: In dem Wissen, dass der Trierer die Verben „nehmen“ und „holen“ gerne verwechselt, holt er sich oft fest vor, es ganz besonders richtig zu machen, und „korrigiert“ auch die richtige Verwendung von „holen“: Ein vornehmer Trierer muss daher beim Schwimmen immer wieder auftauchen, um Luft zu nehmen. Später geht er dann vielleicht auf die Post, um ein Paket abzunehmen …
In Trier ging das Problem natürlich auch in die Spracherziehung der Grundschule ein: So lernte ich die Eselsbrücke „Holo-Fernes“, um mir merken zu können, dass Naheliegendes genommen werden kann, Entfernteres aber geholt werden muss.
Noch eine kleine Bemerkung am Rande: Alle von Ihnen angeführten Beispiele sind tatsächlich in Gebrauch, bis auf eines: Verantwortung überholen. Nicht dass der Trierer verantwortungslos wäre! Nein, er holt gerne auch mal was auf seine eigene Kappe, aber Verantwortung, die träscht er.
Florian Gläser
Vielen Dank für diese wunderbare Erinnerung an meinen (Hesse!) Studienaufenthalt in Trier – endlich wird Trier einmal ernst geholt! Vielleicht noch zwei kleine Ergänzungen aus Hol-Land: Immer wieder gerne wurde das kräftig bestätigende „Dat kannste aber anholen!“ verwendet. Legendär war auch die Erzählung vom Wohnblock mit den dünnen Wänden, durch die abends hin und wieder ein inbrünstig gestöhntes, imperatives „Hol mich! Hol mich!“ drang …
Florian Pfeil, Koblenz
Im Luxemburgischen, was ja bekanntlich in dem kleinen Land in der Nähe von Trier gesprochen wird, gibt es das Verb ,nehmen‘ überhaupt nicht. Auf Luxemburgisch: „Mir huelen dofir huelen“ (Wir nehmen dafür ,holen‘).
René Schmit, Roodt/Syre, Luxemburg
Ich habe im Übrigen keine Ahnung, wie die Moselfranken selbst Verwechslungen vermeiden – einem Bekannten, der bereits seit 25 Jahren in der Gegend lebt und als Hauptschullehrer eigentlich bestens mit den Gepflogenheiten der Trierer Umgangssprache vertraut sein sollte, ist folgende Aussage bei den Vorbereitungen zu einem Fest untergekommen (natürlich einschliesslich des Artikels im moselfränkischen Nominativ „den“): „Den Stand muss noch vor 11 Uhr aufgebaut ginn (=werden), dann kommt die Stadt und holt ihn ab.“ Erst, nachdem er einige Minuten lang überlegt hat, warum ein Stand aufgebaut werden soll, wenn er 30 Minuten später zu Transportzwecken wieder abgebaut werden soll, ging ihm auf, dass vielmehr die technische Abnahme gemeint war …
Auch schön das Beispiel aus einer Talkshow im Nachmittagsprogramm, bei der die eingeladene junge Frau meinte: „Ich weiß nicht, warum ich schwanger geworden bin, ich habe die Pille doch immer geholt!“ Die Moderatorin kannte die Problematik nicht, was zu dem Einwurf führte: „Es reicht doch aber nicht, die Pille zu holen, man muss sie auch nehmen!“, was wiederum die junge Frau nicht verstand …
Carsten Söns, Trier
Der Beitrag über die Trierer, die sich einfach die Erlaubnis holen, unschuldige Wörter zu vertauschen, hat mich sehr amüsiert. Ich stamme aus dem Kreis Trier und kann mich lebhaft an das Stirnrunzeln erinnern, mit dem meine Mainzer Studienkollegen auf meine Aussage reagierten, ich habe am Vortag „eine Kassette aufgeholt“. Im ersten Moment stellten sie sich wohl vor, ich sei auf der Autobahn hinter ihr her gerast.
Michael Seimetz, Valencia
Unser Religionslehrer forderte uns dereinst in der 11. Klasse auf: „Ich habe euch hier vorne ein paar kopierte Zettel hingelegt. Holt euch jeder einen runter!“ Wir haben es aber beim Nehmen belassen.
Dr. Gerd Podehl, Gifhorn
Und außerdem hat auch das saarländische Sandmännchen diese nette Spracheigenheit angenommen. Es sagt nämlich: „Liebe Kinder gebt fein acht, ich hann euch ebbes mitgehol.“
Astrid Kronenberger, Bremen
Zitat aus dem „Trierischen Volksfreund“ vom 26.08.2006, S. 33: „Moselfranken, die hart im Holen sind, …“
Karsten Mühlsteph, Trier
Ich habe noch niemals einen Saarländer anstelle von aufnehmen aufholen sagen hören. In meinem Bekanntenkreis würde man höchstens sagen: „Ich hann ne uffgenomm“. Niemals aber:„Ich hann ne uffgeholl“. Ähnlich verhält es sich mit dem Wort „unternehmen“. Auch hier kenne ich nur:„Ich hann was unnanomm“. „Ich hann was unnaholl“ klingt selbst für mich als Saarländer seltsam. Da ich aus der Nähe von Saarbrücken komme, kann ich selbstverständlich nicht für alle meine Landsleute sprechen, da mir das Rheinfränkische geläufiger ist als das Moselfränkische. Mag sein, dass es irgendwo ein paar Merziger oder Mettlacher gibt, denen es stets eine Freude ist, Gäste uffseholle und mit diesen was zu unnaholle. Bis jetzt sind sie mir aber noch nicht uffgefalle.
Michael Kaufmann, Beckingen
Große Probleme treten auf, wenn ein mit Trierer Mundart aufgewachsener Mensch Hochdeutsch sprechen muss: er soll nun entscheiden, welches „holen“ korrekt „nehmen“ heißt und welches nicht. So erzählte mir eine Studienkollegin aus Trier einmal, sie habe mit Ihrem Squash-Schläger so weit nach hinten ausgenommen, dass sie Ihren Freund traf.
Oliver Stein
(c) Bastian Sick 2007
Zur Kolumne: Wo holen seliger denn nehmen ist