Wär der Konjunktiv wieder in, gebrauchte ich ihn permanent!
Ich fühlte mich darin – ganz in meinem Element.
Die Energie der Möglichkeit brächte mich auf Trab.
Ich würfe die Vergangenheit einfach von mir ab.
Ich zöge los und ginge, wohin ich immer wollte,
Und täte lauter Dinge, auch die, die ich nicht sollte.
Ich spielte und gewönne; verlör ich, dann nicht viel.
Ich würbe und begönne manch zartes Liebesspiel.
Ich flöge bis nach Afrika, wo ich einen Berg erklömme
Und wäre ich schon einmal da, dann schwämme ich –
O nein: ich schwömme
Vom Festland bis nach Sansibar. Und bräche den Rekord sogar.
Ich kostete und ich probierte,
Wo immer ich auch grad spazierte.
Das Tolle wär, dass mir alles bekäme,
Was immer ich auch zu mir nähme!
Ich fräße, söffe und genösse
Und zwar alles drei zugleich!
Ich stritte, schlüge, und ich schösse
Und erschüfe mir ein eignes Reich!
Darin schwelgte ich und schwölle
Zu nie gekanntem Glanz.
Und stürb ich dann und führ zur Hölle,
Dann nur auf einen kurzen Tanz.
Denn mit dem Konjunktiv 2
Wär ich im Nu wieder frei
Und spönne mir alles
Aufs Neue herbei!
… und schüfe man den Konjunktiv 2 ab – welch ein Frevel wäre das!!! 🙂
Herrliches Gedicht, Bastian Sick – welch eine schöne Huldigung einer aussterbenden Sprach-Spezies!!! 🙂
Sehr schönes Gedicht! Aber wenn mich nicht alles täuscht, ist der Konjunktiv I noch bedrohter als der Konjunktiv II, oder wie sehen Sie das? (Diesen Eindruck gewinne ich zumindest dadurch, dass so häufig fälschlicherweise Konjunktiv II statt I verwendet wird, z. B.: „Er behauptet, er wäre pünktlich gewesen“ statt „… er sei pünktlich gewesen“ u. ä.)
„Wenn ich ein Vöglein sein würde und auch zwei Flüglein haben würde, würde ich zu dir fliegen …“ – Nein, mit diesem Text wäre das Lied wohl kaum berühmt geworden. Gäb es keinen Konjunktiv, ich schrübe dann wohl gar nicht mehr. Oder heißt es „schröbe“?
Eine schöne Liebeserklärung an den Konjunktiv, die in einigen Zeilen leider etwas rumpelt. Zum Beispiel: „Das Tolle wär, dass mir alles bekäme,“, läse sich glatter, hieße es „alles mir bekäme“. Man könnte sich doch auch sein „eigen“ Reich erschaffen. Oder?
Ob die Ode „rumpelt“ oder nicht, liegt allein an der Art des Vortrags. Ich habe sie für mein Bühnenprogramm geschrieben, mit dem ich im Oktober und November unterwegs bin.
Sie ist mir also „auf den Leib geschrieben“, und wenn ich sie vortrage, dann rumpelt nichts, dann sprüht ein Feuerwerk!
Vielleicht mögen Sie sich davon überzeugen. Die Termine und Auftrittsorte meiner Herbsttournee finden Sie auf
https://bastiansick.de/termine/
Herzliche Grüße!
Ihr Bastian Sick
Ich lebe in Italien – auch hier liegt der Konjunktiv „im Sterben“! Wir brauchten dringend einen Bastian Sick! Grammatik mit Humor, das gibt es selten!
Lieber Herr Sick,
einfach nur brillant, vielen Dank für diese wunderbaren Zeilen.
Herzlichst
Ihr Mario De Rosa
Ich schreibe und lese sehr gerne. Bin traurig, dass heutzutage so Vieles unserer schönen deutschen Sprache verhunzt wird. Darum ist es umso schöner, wenn man so tolle Sachen wie Ihr Gedicht, lieber Herr Sick, liest. Ich ertappe mich oft, dass ich in der Zeitung viel Unsinn – Rechtschreib- u. Grammatikfehler – sehe, und möchte dann am liebsten gleich dort anrufen und denen mal die Meinung sagen. Aber naja. Man tuts eben dann doch nicht. Hape Kerkeling hat vor Jahren im Fernsehen diesen Rechtschreibtest gemacht, dort hab ich, als Zuschauer natürlich nur, mit Freude teilgenommen. Alles Gute für Sie!
Ach könnt‘ ich doch auch so schön dichten,
ich tät‘ nichts anderes mehr verrichten.
Säße von früh bis spät mit Stift und mit mir
und brächte wundervolle Werke zu Papier.
Sie stünden vielleicht auf der Beststeller-Liste
und ich sagte zu allen Zweiflern: SIEHSTE!
Vielleicht bekäme ich einen Kleinkunstpreis…
Ach, ich hätte etwas anderes lernen sollen, ich weiß…
Sie können es, liebe Heike, Sie können es! Also weiter so! Dichten erfüllt, dichten beflügelt, dichten fordert uns heraus und fördert unsere Sinne. Auf die Bestsellerliste bringt man es mit Poesie heute zwar nicht mehr (siehe dazu auch: „Würde Goethe heut noch leben“(https://bastiansick.de/audiovideo/wuerde-goethe-heut-noch-leben-3/)), aber ein Talent braucht keine Listen und keine Preise, nur eine blühende Wiese, auf der es sich austoben kann. Herzen, die es berühren kann, wird es früher oder später wie von selbst finden.
Ich habe mit dem Dichten schon in der frühen Jugend begonnen und hatte vor einigen Jahren mit meinem Lebensgefährten einen regen E-Mail-Schriftwechsel über alle Themen, von erotisch bis politisch) in poetischem Stil (wir führten eine Fernbeziehung). Diese poetischen Texte füllen jetzt einen dicken Ordner, und es macht immer wieder Spaß, darin zu lesen.
Sehr geehrter Herr Sick,
auch ich teile Ihre Faszination für den Konjunktiv und bin der Meinung, dass er leider viel zu selten dort verwendet wird, wo er eigentlich angebracht wäre.
Ein einziges Mal in meinem Leben machte ich jedoch die Erfahrung, dass so ein Konjunktiv auch durchaus hinderlich sein kann. Ich bewarb mich damals, es muss etwa 1995 gewesen sein, für einen Studentenjob bei der Post und bin noch heute der Meinung, diese Stelle nicht bekommen zu haben, weil ich mit ihm, dem Konjunktiv, vielleicht ein klein wenig zu „dick auftrug“.
Vermutlich ist das nur Einbildung, es brachte mich jedoch fast zwanzig Jahre später, nachdem ich Ihre „Ode an den Konjunktiv“ las, auf die Idee, ein Gedicht darüber zu verfassen.
Ich habe das Gedicht im Jambus verfasst. Zugegeben, es hakt an einigen Stellen noch etwas und ich wechsele hier und da in den Trochäus. Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Spaß beim Lesen, vielleicht gefällt es Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen,
C. Pallokat
Der kontraproduktive Konjunktiv
Ich suchte einst in jungen Jahren,
bewerbungstechnisch unerfahren,
ich sage es mal ganz salopp
und schlicht: Nach ’nem Studentenjob.
Da fiel mein Blick in einer Zeitung
auf eine Stellenunterbreitung,
bei der recht gut man auch bezahle,
es war die nächste Postfiliale.
Ich schrieb, ich suchte händeringend
nach so ’ner Arbeit und zwar dringend,
dass ich mich wohl darüber freute,
man’s dort gewiss auch nicht bereute,
Wenn’s mit der Einstellung bald klappte
vor Freude ich wohl überschnappte.
Nur ganz formal sei doch die Hürde,
dass man mich einladen dort würde.
So textete ich grob und schlicht,
jedoch nicht ohne Zuversicht.
Nun war dereinst – gewiss kein Segen –
im Raum ein and’rer noch zugegen.
Mein Paps, nämlich, der Mecker-Zausel,
schrie zu mir „Halt! Da gäb’s ’ne Klausel!“
Was mir denn einfiel, so er rief,
zu schädigen den Konjunktiv.
Und so, ob des Geschreibsels müde,
rief er: „Mein Sohn! Es heißt ‚lüde‘!“
Und legte nah‘ anstelle hier,
ich brächte jenes zu Papier.
Worauf, was bald ich schon bereut‘,
schrieb an die Direktion erneut,
den Text samt dieser Korrektur,
hernach man schrieb zurück: „Schön! Nur:
Man bräuchte jemanden, der packte,
sortiert, verteilt, verklebt, versackte.
Und niemanden, wenn’s gut auch klänge,
der hier nur kluge Reden schwänge.
Mit so gehob’nem Sprachniveau
versucht‘ ich’s besser anderswo.
Und folglich sei der Job an sich
vergeben – nur halt nicht an mich.
Ich folgerte daraus sogleich:
Der Konjunktiv, er macht uns reich,
doch sei halt dieser Reichtum nur
von etwas anderer Natur.
Und suchte ich nach Lohn und Brot,
dem schnöden Mammon in der Not,
so wär’s um manches produktiver,
letztendlich wohl auch lukrativer,
wenn ich mich, so ich es auch hasste,
dem öden Durchschnittsdeutsch anpasste.
Carsten Gunnar Pallokat (06.09.2014)
Danke 😉