Ob wir sie nun lieber gebraten oder gekocht mögen: Unser Verhältnis zu Kühen und Schweinen ist kompliziert. Auch in grammatischer Hinsicht. Was ist korrekt: Schweinshaxe oder Schweinehaxe, Rindsbraten oder Rinderbraten? Werfen wir einen Blick in das große Kochbuch der deutschen Sprache.
Ein paar Jahre lang war ich mal Vegetarier, aber am Ende hat die Fleischeslust doch gesiegt. Tut mir leid, Schweinchen Babe! Eines hat sich allerdings nicht geändert: Das Thema Fleisch bringt mich immer wieder in Erklärungsnot. Früher war es der ethische Aspekt, heute ist es der grammatische. Denn unsere Sprache gibt sich recht konfus, wenn es um Fleisch geht. Genauer gesagt, um die Zusammensetzungen aus fleischlichen Wörtern.
Nimmt man sich nur mal das Schwein vor, so stößt man alsbald auf eine einzige sprachliche Sauerei: Es gibt Schweinebauch und Schweinebraten mit einem „e“ in der Mitte, aber Schweinsohren und Schweinsleder mit einem „s“. Wer es eilig hat, der erledigt Dinge im Schweinsgalopp. Und wer eine Ferkelei anrichtet, der macht nicht etwa Schweinekram oder Schweinskram, sondern einfach Schweinkram.
„Musst du Fleisch vom Schwein gar nicht essen“, sagt mein türkischer Nachbar, „dann hast du auch diese Probleme nischt!“ Dieser sicherlich gut gemeinte Rat hilft aber nicht weiter, denn beim Rind sieht es nicht besser aus. Da gibt es Zusammensetzungen mit „er“, dann gibt es welche mit „s“ und schließlich solche ohne alles: Rinderroulade, Rindsbraten und Rindvieh.
Mal wird die Zusammensetzung also von der Einzahl „Rind“ gebildet, mal von der Mehrzahl „Rinder“. Das kann daran liegen, dass mit dem Wort „Rind“ sowohl ein einzelnes Tier als auch die ganze Art gemeint sein kann. Auf jeden Fall lässt sich ein regionaler Unterschied feststellen: Im norddeutschen Sprachraum sind Zusammensetzungen mit „Rinder“ üblich (Rinderbraten, Rinderbrühe, Rinderfilet), im süddeutschen Sprachraum sowie in Österreich und in der Schweiz Zusammensetzungen mit „Rinds“: Rindsbraten, Rindsbrühe, Rindsfilet. Das kann man sich noch irgendwie merken.
Dies gilt aber nur, wenn es sich um Fleischerzeugnisse handelt. Denn die Rinderherde und die Rinderauktion sind auch für den Bayern keine Rindsherde und keine Rindsauktion. Umgekehrt gibt es dafür kein „Rinderleder“, auch wenn Google mehr als 28.000 Treffer für „Rinderleder“ ausspuckt. Der Duden führt nur die Formen „Rindsleder“ und „Rindleder“.
Und die Erklärung mit der nord- und süddeutschen Behandlung von Fleischerzeugnissen scheitert ausgerechnet am Wort „Rindfleisch“ selbst; denn so wenig, wie man im Norden „Rinderfleisch“ sagt, so wenig sagt man im Süden „Rindsfleisch“. Die Suche nach einer befriedigenden Antwort auf diese Ungereimtheiten endet zwangsläufig im Rinderwahn. Mein Freund Henry erteilte mir unlängst den Rat: „Zerkau nicht die Wörter, sondern das Fleisch!“
Beim Kalb wird’s etwas übersichtlicher: Die meisten Zusammensetzungen haben ein Fugen-s: Kalbsbrust, Kalbsleber, Kalbsschnitzel, Kalbsragout. Nur bei wenigen Ausnahmen kann das „s“ fehlen: Kalbsfell und Kalbsleder gibt es auch als Kalbfell und Kalbleder.
Beim Kalbfleisch indes wird laut Duden grundsätzlich auf das Fugen-s verzichtet (woran sich aber viele Kochrezepte nicht halten). Wenn es um das Tier und nicht nur um Tierprodukte geht, dann wird der Plural verwendet: Kälberaufzucht, Kälberfutter, Kälberstall. Und wie steht’s mit dem Mist im Kälberstall? Ist der nicht auch ein Tierprodukt? Demnach müsste er Kalbsmist heißen und nicht Kälbermist.
Kommt der Wolf eigentlich im Schafspelz daher oder nur im Schafpelz? Beides ist möglich, sonst wäre es ja auch zu leicht! Das Schaf gilt als so dumm, dass es im Grunde völlig egal ist, ob es bei Zusammensetzungen ein Fugen-s erhält oder nicht: Schafsmilch ist genauso gut wie Schafmilch, Schafskäse genauso recht wie Schafkäse. Die meisten Wollpullover sind aus Schafwolle, aber es gibt auch welche aus Schafswolle. Bei den Schafprodukten herrscht Beliebigkeit, und die Frage, ob es „Schaffleisch“ oder „Schafsfleisch“ heißt, stellt sich gar nicht erst, da auf allen Speisekarten immer nur Hammelfleisch oder Lammfleisch angeboten wird. Ist das Schaf indes als lebendes Tier gemeint, so kommt es ohne Fugen-s aus: Schafbock, Schafweide, Schafzucht.
Noch unerhörter verhalten sich die geflügelten Wörter: Man nehme ein einzelnes Suppenhuhn und verarbeite es zu einer schmackhaften Suppe. Was kommt dabei heraus — Huhnsuppe? Keinesfalls! Hühnersuppe heißt das Resultat! Auf wundersame Weise wurde hier das Huhn vermehrt. Wer Gänsebraten bestellt, darf trotz allem nur mit dem Braten von einer Gans rechnen. Eigentlich müsste man es daher Gansbraten nennen. Aber beim Geflügel zählt offenbar in erster Linie die Quantität. Wer hält sich auch schon ein einzelnes Huhn oder eine einzelne Gans?
So kann selbst die eigenbrötlerischste Gans immer nur kollektiv Gänseeier legen, niemals ein Gansei. Anders der Schwan: Der legt keine Schwäneeier, sondern Schwaneneier. Aber den Schwan und seine Eier essen wir ja auch nicht. Jedenfalls nicht mehr. (In früheren Zeiten galt Schwanenbraten als Delikatesse.)
Ein jeder hat schon mal eine Hühnerbrust gesehen, aber bestimmt keine Perlhühnerbrust. Wenn das Geflügel mit einem Vorsatz versehen wurde, wird es plötzlich wieder singularisiert: Wildgansbraten, Zwerghuhnei, Graugansküken, Perlhuhnbrust. Dies gilt wiederum nicht für Geflügel, das mit einem „e“ endet, so wie die Ente, die Pute und die Taube. Die Stockentenbrust ziert genauso ein „n“ wie die gewöhnliche Entenbrust. Spätestens an dieser Stelle dürfte mancher Ausländer beschließen, den Deutschkurs abzubrechen und doch lieber eine leichtere Sprache zu lernen. Ich könnte es ihm nicht verübeln!
Bei Kalbfleisch und Rindfleisch wird auf das Fugenzeichen verzichtet. Beim Schweinfleisch aber nicht, das gibt es nur als Schweinefleisch. Und Huhnfleisch und Gansfleisch gibt es schon gar nicht, es sei denn, man setzt noch etwas davor. Das finden Sie unlogisch? Ich auch. In dieser Angelegenheit ist unsere Grammatik der reinste Schweinestall. Oder Schweinsstall? Nun ja, ein Saustall eben.
(c) Bastian Sick 2007
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 4“ erschienen.
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Im Zusammenhang mit diesem Beitrag frage ich mich weiter: Ist Gänseschar nicht ein Pleonasmus, denn die Schar drückt ja bereits aus, dass es sich um eine größere Zahl handelt? Und warum schreibt man die „Schar“ so, wenn man sie doch eher wie Schaar oder wenigstens doch wie Schahr ausspricht?