Eine Leserin aus Berlin stellt die provozierende (oder provokative?), wenn nicht gar provokante Frage, worin der Unterschied zwischen provozierend, provokativ und provokant besteht.
Antwort des Zwiebelfischs:
„Duden“ und „Wahrig“ schreiben den drei Begriffen keinen erkennbaren Bedeutungsunterschied zu. Schlägt man unter „provokant“ und „provokativ“ nach, so findet man als Erklärung „herausfordernd, provozierend“. Dafür kennen die Wörterbücher noch eine vierte Variante: provokatorisch – was ebenfalls dasselbe bedeutet.
„Provozierend“ wurde im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen pro-vocare entlehnt, „provokant“ gelangte im 17. Jahrhundert aus dem Französischen (provocant) in unsere Sprache. „Provokativ“ ist wiederum eine Ableitung des Provokateurs, der erst im 20. Jahrhundert aus Frankreich kommend in den deutschen Sprachraum eindrang. „Provozierend“ ist demnach die älteste Form, die von Gelehrten gebildet wurde, um künstlich hervorgerufene Reaktionen in naturwissenschaftlichen Disziplinen benennen zu können. So spricht man beispielsweise von krebsprovozierenden Substanzen, neuerdings wohl auch von „Krebs provozierenden“ Substanzen, nicht aber von krebsprovokanten Substanzen. Provokant kann dafür eine Äußerung oder ein Verhalten sein, der Begriff scheint eher gesellschaftlicher als wissenschaftlicher Natur zu sein. Dasselbe gilt für provokativ. Und wer sich wie ein Provokateur, also ein Aufwiegler, verhält, der verhält sich provokatorisch.
Der Jugendjargon hält übrigens noch eine weitere Ableitung bereit: Wer gerne demonstriert und Krawalle liebt, der ist „voll provomäßig drauf“.
(c) Bastian Sick 2004
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.