Sonntag, 20. Oktober 2024

Wie lang und breit ist Mecklenburg?

Lieber Zwiebelfisch, wie spricht man den Namen Mecklenburg richtig aus? Mit einem kurzen „e“ wie in „Mekka“, oder mit einem langen „e“ wie in „Mekong“? Leser stellen Fragen, der Zwiebelfisch gibt Auskunft.

Frage eines Lesers:

Ist es richtig, dass das Wort „Mecklenburg“ (und folglich auch „Mecklenburg-Vorpommern“) nicht mit kurzem „e“, wie es die Schreibweise nahe legt, sondern mit langem „e“ gesprochen wird? Wenn ja, warum ist dies so?

Antwort des Zwiebelfischs:

Mecklenburg wird tatsächlich mit einem langen „e“ gesprochen. Jedenfalls wurde es früher so gesprochen, und wer sich auskennt, der spricht es auch heute noch so. Denn bei dem „c“ handelt es sich nicht um ein zweites „k“ (wie in Zucker, Bäcker und schlecken), sondern um ein sogenanntes norddeutsches Dehnungs-c.

Der Namen Mecklenburg geht zurück auf das althochdeutsche Wort „michil“, welches „groß“ bedeutet. „Michilinburg“, wie man im 11. Jahrhundert sagte, bedeutete also „große Burg“. Die befand sich im Süden von Wismar und gab dem umliegenden Land seinen Namen. Im Niederdeutschen des Mittelalters sprach man es „Mekelenborch“ aus; irgendwann ist das zweite „e“ dann ausgefallen, und übrig blieb „Meklenburg“, gesprochen Meeklenborch.

Unsere Schriftsprache kennt zwei Möglichkeiten, um die Dehnung eines Vokals zu markieren: Entweder wird der Vokal verdoppelt (aa, ee, oo) oder von einem Dehnungsbuchstaben begleitet. Heute gibt es als Dehnungsbuchstaben nur noch das „h“ (wie in Mehl, Bohne, Fahrer) und, hinter dem „i“, das „e“ (wie in Liebe, Tiere, Miete). Früher konnte das „e“ auch hinter einem „o“ stehen, wenn dieses „o“ lang gesprochen wurde: Ortsnamen wie Soest, Oldesloe, Coesfeld und Itzehoe zeugen noch heute davon. Kein Norddeutscher käme auf die Idee, dieses „oe“ als „ö“ auszusprechen.

Auch das „c“ im Wort Mecklenburg war ursprünglich ein Dehnungszeichen. Unglücklicherweise fiel es mit jenem Platzhalter zusammen, der im Hochdeutschen das verdoppelte „k“ ersetzt und phonetisch genau das Gegenteil bewirkt, nämlich den Vokal verkürzt. Das Wissen um die tatsächliche Länge des „e“-Klangs im Namen Mecklenburg geht langsam verloren. Selbst junge Mecklenburger „meckern“ heute, anstatt zu „mekeln“. Ein Fehler ist das aber nicht, denn beide Ausspracheweisen gelten heute als richtig. Auch in einigen plattdeutschen Dialekten wird Mecklenburg mit kurzem „e“ gesprochen.

Das Dehnungs-c findet man noch in vielen anderen norddeutschen Namen, die traditionell mit langem Vokal gesprochen werden: Schönböcken (gesprochen: Schönbööken), Bleckede, (gesprochen: Bleekede). Auch Lübeck, das im 12. Jahrhundert noch Lübeke hieß, besaß einst ein langes „e“. Und der Name der berühmten Lübecker Buddenbrooks geht zurück auf den pommerschen Ortsnamen Buddenbrock. Um zu verhindern, dass alle Welt seine Romanfamilie mit kurzem „o“ spricht, hat Thomas Mann sich für die (untypische, aber unmissverständliche) Schreibweise mit Doppel-o entschieden. Auch Namen wie Brockhaus und Brockmann wurden früher mit langem „o“ gesprochen.

Ein weiteres Beispiel für das norddeutsche Dehnungs-c liefere ich übrigens selbst. Der norddeutsche Name Sick leitet sich nämlich von Siegfried ab und wurde lange Zeit entsprechend mit langem „i“ gesprochen. Alteingesessene Norddeutsche sprechen ihn auch heute noch so aus: „Moin, Herr Sieeek!“

Die umgangssprachliche Verkürzung „Meck-Pomm“, die das nordöstliche Bundesland klanglich in die Nähe eines Fastfoodprodukts befördert, ist scherzhaft, aber keineswegs herabwürdigend. Wir Deutschen sind schließlich ein durchaus genussfreudiges und genießbares Volk: Man denke nur an Frankfurter (Würstchen), Berliner (Pfannkuchen), Hamburger (Frikadellen) und Thüringer (Bratwurst).

(c) Bastian Sick 2005

 


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2“ erschienen.

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