Mittwoch, 27. März 2024

Er designs, sie hat recycled, und alle sind chatting

Wie werden eigentlich englische Wörter in deutscher Schriftsprache behandelt; kann man sie deklinieren und konjugieren wie deutsche Wörter? Oder gelten für sie andere Regeln? Diese Fragen beschäftigen alle, die recyceln, designen, chatten und simsen. Ein paar Gedanken über die Einbürgerung von Fremdwörtern.

Fremdwörter, egal welcher Herkunft, werden zunächst mit Ehrfurcht und Respekt behandelt, manche Menschen fassen sie mit Samthandschuhen an, andere nur mit spitzen Fingern. Man ist im Allgemeinen froh, wenn man weiß, was sie bedeuten, aber man vermeidet es, sie zu deklinieren oder zu konjugieren. Doch je mehr man sich an sie gewöhnt hat, desto geringer werden die Berührungsängste. Und irgendwann, wenn das Fremdwort schon gar nicht mehr aus unserer Sprache wegzudenken ist, betrachtet man es als ein Wort wie jedes andere auch und behandelt es entsprechend. Und dagegen ist im Prinzip auch nichts einzuwenden.

Andere Sprachen machen es genauso. Zum Beispiel heißt die Mehrzahl von „bratwurst“ auf Englisch nicht etwa „bratwürste“, sondern „bratwursts“. Kein Brite oder Amerikaner käme auf die Idee, sich über diese „undeutsche“ Plural-Endung aufzuregen. Und das kuriose Verb „to abseil“, aus dem deutschen Bergsteigerwort „abseilen“ gebildet, wird problemlos ins Gerundium gesetzt: abseiling.

Also halten wir es genauso. Wir haben Wörter wie „design“ und „recycle“ in unsere Sprache aufgenommen, und nun, da sie unentbehrlich geworden sind, hängen wir ihnen unsere eigenen Endungen an: Ich designe eine Kaffeekanne, du designst ein Auto, der Architekt designt ein Haus; ich recycle Papier, du recycelst Plastik, er recycelt Biomüll. Im Perfekt entsprechend: Er hat ein Haus designt, wir haben Autoreifen recycelt.

Was wäre die Alternative? Sollte man die englischen Formen benutzen? Er hat ein Haus designed, wir haben Papier recycled – das mag im Perfekt noch angehen. Aber wie sieht es im Präsens aus? Er designs ein Haus, wir recycle Papier? Es sieht nicht nur befremdlich aus, es klingt auch äußerst seltsam.

Die Einbürgerung von Fremdwörtern verläuft nicht nach festen Regeln, irgendjemand traut sich irgendwann das erste Mal, „geshoppt“ oder „gemailt“ zu schreiben, ein anderer macht es nach, und langsam verbreitet sich der deutsche „Look“. Nach einer Weile hat man sich dran gewöhnt. Wer wollte ein Wort wie surfen (ich habe gesurft, ich will nächsten Sommer wieder surfen, surfst du mit mir?) heute noch anders beugen wollen als nach deutschen Regeln?

Natürlich gibt es Ausnahmen: ein frisierter Motor ist „getuned“ und nicht „getunt“, und perfektes Timing wird im Perfekt zu „getimed“, nicht „getimt“. So steht es jedenfalls im Duden. Andere englische Wörter werden dafür vom Deutschen derart absorbiert, dass sie kaum noch wiederzuerkennen sind: Das englische Wort tough ist im Deutschen zu taff geworden, und für pushen findet man auch schon die Schreibweise puschen.

Boxkämpfe werden promotet, Flüge gecancelt und Mitarbeiter gebrieft. Doch nicht jedes englische Verb, das sich in unseren Sprachraum verirrt hat, braucht ein deutsches Perfektpartizip: Die Antwort auf die Frage, ob es „downgeloadet“ oder „gedownloadet“ heißen muss, lautet: Weder noch, es heißt „heruntergeladen“. Es ist auch nicht nötig, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob es „forgewardet“ oder „geforwardet“ heißt, wenn man stattdessen einfach „weitergeleitet“ schreibt. Fremdwörter sind willkommen, wenn sie unsere Sprache bereichern; sie sind unnötig, wenn sie gleichwertige deutsche Wörter ersetzen oder verdrängen. Statt „gevotet“ kann man ebenso gut „abgestimmt“ schreiben, statt „upgedated“ aktualisiert, und wer seine Dateien „gebackupt“ hat, der hat sie auf gut Deutsch gesichert.

Während sich der Ausdruck „gekidnappt“ für entführte Personen durchgesetzt hat, auch wenn es sich dabei um Erwachsene handelt (kidnapping bedeutete ursprünglich Kinder neppen), ist der Ausdruck „gehijackt“ für entführte Flugzeuge in stilistischer Hinsicht inakzeptabel.

Wörter wie „gestylt“, „gepixelt“ und „gescannt“ sind hingegen akzeptabel, da sie kürzer oder prägnanter als ihre deutschen Entsprechungen sind.

Auch „chatten“ und „simsen“ sind bereits in die deutsche Sprache übergegangen: Chatter chatten im Chat, und wer täglich dreißig Kurzmitteilungen per SMS verschickt, der simst, was das Zeug hält. Es ist allerdings denkbar, dass diese Wörter wieder aus unserem Wortschatz verschwinden, noch ehe sie Eingang in ein deutsches Wörterbuch gefunden haben. In ein paar Jahren kann die Technik des Simsens völlig veraltet und Chatten plötzlich aus der Mode gekommen sein.

Dann wird man ein paar Ideen recyceln und etwas Neues designen. Oder ein paar Ideen wiederverwerten und etwas Neues gestalten. Warten wir’s ab.

(c) Bastian Sick 2004


Dieser Text erschien in dem Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ und wurde auch in folgendem Schulbuch nachgedruckt: „Kombi-Buch Deutsch (7. Klasse)“, C.C. Buchner (2010)

 

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14 Kommentare

  1. Woher kommt eigentlich das „i“ in „Simsen“? Brauchen wir das wirklich? Ich schreibe jedenfalls immer „Smsen“, und ich spreche es auch so (also nicht etwa „es-em-es-sen“!). So ein schönes Gesumme!

    • Angelika Albani

      Das hat wahrscheinlich rein phonetische Gründe – es läßt sich einfach besser aussprechen als „es-em-essen“.
      MfG A. Albani

    • Vielleicht streichen wir auch die (mal wieder „deutsche“) Wortschöpfung „simsen“ ganz aus dem Vokabular, denn die Dienstleistung SMS (Short Message Service = Kurzmitteilungsübermittlungsdienst) lässt sich nicht verschicken, man kann nur „per SMS“ einen Text verschicken. Alles andere wäre so, als hätten unsere Ahnen zu Telegrammzeiten das den Text aufnehmende „Fräulein vom Amt“ verschickt statt des Telegramms. „Text me“, sagen die Engländer, „schicke mir einen Text.“

      • Christian Schmidt

        Das stimmt doch so nicht ganz? Wenn ich mit jemandem am Telefon spreche, dann telefoniere ich. Wenn ich jemandem per SMS einen Text schicke, dann simse ich.

  2. Otto Schwarzer

    Wir sollten englische Wörter nach Möglichkeit auch der deutschen Schreibung anpassen, wo es sich anbietet.
    Analog zu Streik (von strike) sollten wir z. B. auch Bebi, Händi und häcken schreiben (Letzteres besonders auch um „hacken“ (z. B. Holz) und hacken (Komputer) zu unterscheiden. Ebenso sollten wir in Analogie zu Fremdwörtern, die mit „Kom“- bzw „kom“- beginnen, auch „Kom“puter“ schreiben und die Aussprache des Wortbestandteils -„puter“ wiebei dem Geflügel „Puter“ verwenden.
    Es würde sich anbieten, den Wortbestand dieser englischen und auch anderssprachiger Fremdwörte einmal auf Eindeutschung hin zu durchforsten.

  3. Fritz Schulze

    Alles recht und gut, aber wie ist es mit der Aussprache?

  4. Jonathan Schott

    Zum Thema Update/Aktualisieren: Sehr wohl wichtig ist im Englischen die Unterscheidung zwischen Update und Upgrade, die es so kurz und prägnant im Deutschen nicht gibt. Insofern ist die Konjugation dieser beiden Fremdwörter schon relevant. Wie sollte man also updaten/upgraden ins Partizip setzen?

    Zu guter letzt, als schöne Alternative zum hochdeutschen „aktualisieren“ gibt es im Übrigen auch noch das schweizerdeutsche „aufdatieren“… 🙂

    • …. also Leute, bevor ihr hier rumlaminiert oder wie das heißt, datet erstmal eure Dateien up oder wenn ihr Geld ausgeben wollt dann gradet noch das Betriebssystem up!

      „Uffdatiere isch da scho bässr, hä oddr?“

    • „Gestern habe ich endlich das Betriebssystem meines Klapprechners upgedatet. Ich hätte eigentlich gerne auf ein neueres Betriebssystem upgegradet, aber das macht leider der etwas in die Jahre gekommene Rechner nicht mehr mit.“
      Würde ich mich so akzeptabel ausdrücken?

    • …. recht so!
      Up lasst uns daten, damit wenigstens die Adressen stimmen. Aber wie gradet man einen älteren Schleppdepp von XP auf WIN 8.1 richtig up? Und wie loade ich dann die richtige Software down? Wardet mir dann der Provider auch alle Dateien for und wie backt er diese richtig up?
      Besser, man cycelt die alte Kiste re ….

  5. Birgit Blawert

    Was ist eigentlich mit dem mündlich so einfach ausgesprochenen Wort „gebongt“? Ist das tatsächlich so eingedeutscht worden oder schreibt man – in Anlehnung an den Bon, woher das Wort auch stammt – „gebont“?

  6. Wie ist das eigentlich mit „Recyclingpapier“ (engl.: recycled paper), WC-Papier zum Beispiel? Die englische ing-Form beschreibt ein „andauerndes Tun“ und nicht einen hergestellten Zustand.
    Also muss ich doch konsequenterweise fragen: „Wen oder was bereitet Recycling Toilettenpapier wieder auf?“

  7. Wo im Duden sind denn „getuned“ und „getimed“ zu finden? Im Gegenteil – dort steht „getunt“ und „getimt“; und das wegfallende „e“ macht das lesen solcher Wörter nicht einfacher. Als Scrabbler kann man damit überraschen.

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