Donnerstag, 18. April 2024

Ich glaub, es hakt!

Das kennen wir alle: Beim Hacken auf der Tastatur bleibt man gelegentlich mal haken. Und Hühner scharren im Hof, während Könige ihren Hof um sich scharen. Alles klar so weit. Oder doch nicht? Eine Kolumne über Spuckgespenster, Bettlacken und andere eckelhafte Phänomene der deutschen Verkehrtschreibung.

„Ich warte hier“, steht auf einem Hundeverbotsschild vor einem Fleischerladen, und darunter ist der Hinweis zu lesen: „Bitte Hacken für Leine benützen.“ Das stellt die Hundebesitzer vor ein Problem: Wie sollen sie den Hund draußen lassen, wenn sie sich die Leine an der Ferse befestigen sollen? Oder ist mit „Hacken“ ein Werkzeug gemeint, eine Spitzhacke womöglich oder ein Hackebeil? Wenn ja, wo befindet sich dieses Gerät dann? Alles, was man draußen sieht, ist ein Haken an der Wand. Und man erkennt: Da hat wohl jemand Hacken mit Haken verwechselt. Gerade in einer Fleischerei sollte man den Unterschied eigentlich kennen, denn schließlich wollen die Kunden, die Schweinshaxen verlangen, keinen Schweinehaken.

 

Über ein solches Schild kann man schmunzeln, die Hundeleine vom Haken lösen und unbekümmert seines Weges ziehen. Doch schon bald wird man gewahr, dass diese Haken/Hacken-Verwechslung kein Einzelfall ist. Man begegnet ihr immer wieder: „Ich werde wegen der Software bei meinem Kollegen noch mal nachhacken“, schreibt jemand in einem Forum – und man kann nur hoffen, dass er das nicht wörtlich meint, denn sonst wird der Kollege im Krankenhaus landen, wenn nicht gar im Leichenschauhaus. Aber gehackt wird nicht nur laienhaft in Foren, sondern auch professionell in Nachrichten: „Köhler hackt bei Schröder wegen Vertrauensfrage nach“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) in ihrer Online-Ausgabe am 12. Juli. Da mag so mancher Leser empört gerufen haben: „Es hackt ja wohl!“ Auf jeden Fall hakt es – mit dem Verständnis von kurzen und langen Lauten:

Dortmund hackt den Uefa-Pokal ab“ lautete eine Überschrift auf FAZ.net am 30. April. Ein Serviceportal für Studenten bietet einen Preisvergleich für „Bettlacken“ an. Man kennt „lacken“ als Kurzform für „lackieren“ – und fragt sich erstaunt, ob sich derart viele Maler auf das Lackieren von Betten spezialisiert haben, dass sich inzwischen sogar ein Preisvergleich lohnt?

 

Als Tippfehler kann man diese Irrtümer kaum entschuldigen, denn „c“ und „k“ liegen auf der Tastatur nicht nebeneinander. Womöglich ist dieses Phänomen mit Besonderheiten der regionalen Aussprache zu erklären, vielleicht werden in manchen Dialekten „hacken“ und „haken“ gleich ausgesprochen. Noch toller treibt es der Deutsche mit dem Spucken. „Ich find das Spuken am Fußballplatz mega eckelhaft!“, beschwert sich ein Diskutant in einem Forum. Mit Recht zwar, aber mit fragwürdigen orthografischen Mitteln. Für „eckelhaft“ spuckt Google übrigens mehr als 13.000 Treffer aus. Kein Zweifel: Es spukt in der deutschen Sprache! Dass einige auch die Wörter „Bodenluke“ und „Dachluke“ mit „ck“ schreiben, erscheint schon fast konsequent, denn durch eine „Lucke“ kann man immerhin „gucken“ und „lucki-lucki“ machen.

 

Einige dieser Verkürzungsfehler entstehen durch Analogien – man orientiert sich an bekannten Formen. Da man ein Paket erst einmal packen muss, bevor man es am Paketschalter abgeben kann, haben es viele Menschen beharrlich mit „ck“ geschrieben. So beharrlich offenbar, dass die Rechtschreibreformer erwogen, die Schreibweise „Packet“ zuzulassen – so wie ja auch Päckchen und Packung mit „ck“ geschrieben werden. Doch ein mit „ck“ geschriebenes „Packet“ müsste – wie Becken, Dackel und Zucker – auf der ersten Silbe betont werden – wäre also kein „Pakeet“ mehr, sondern ein „Packet“. So blieb es bei der Schreibweise mit einfachem „k“.

 

Wer hingegen „Dampflock“ mit „ck“ schreibt, der ist auch ohne reformatorische Verwirrung so gut wie entschuldigt, denn während das erste „o“ in „Lokomotive“ noch deutlich länger ausgesprochen wird, klingt es in der Kurzform „Lok“ tatsächlich so kurz wie in „Bock“ und „Rock“. Auch bei dem Wort „Plastik“ ließe es sich noch verstehen, wenn es mit „ck“ geschrieben wird,denn das „i“ ist kurz. Es sei denn, man spricht es, in Anlehnung an seine französische Herkunft, „Plastieke“ aus. Plastik ist in der Tat ein Fremdwort, ebenso wie Lok und Paket, und für Fremdwörter sieht unsere Rechtschreibung nur selten Dehnungs- oder Verkürzungszeichen vor, wie wir sie von deutschen Wörtern kennen. Daher schreibt sich auch die Maschine trotz langen I-Klangs eben nicht „Maschiene“.

Bei deutschen Wörtern hingegen sind diverse Formen der Klangdehnung und -verkürzung möglich – und erforderlich. Es gibt kesse Hüte und Hüttenkäse, schiefen Boden und Boddenschiffe, legende Hennen und leckende Hähne, gepflegte Beete und befleckte Betten. Und es gibt Pfarrer mit Mähnen und Männer mit Fahrer. „MTV-Chefin Catherine Mühlenberg hat offenbar ein Faible für private Bande und scharrt gern die ihren um sich“, war am 10. Juli in der „Welt“ zu lesen. Jeder, der schon einmal einer Schar Hühner beim Scharren zugesehen hat, weiß, dass Hühner in Scharen scharren – und dass sie sich zum Scharren scharen. Nun ist Frau Mühlenberg aber kein Huhn, deshalb ist ihr „Welt“-liches „Scharren“ in Wahrheit ein bildliches „Scharen“. Auch hierbei fällt die Unterscheidung zwischen langem und kurzem A-Klang offenbar nicht allen ganz leicht.

So wie lange Vokale fälschlicherweise orthografisch verkürzt werden, werden kurze Vokale auch gern verlängert: „Vor zwei Wochen wurde mir der rechte Bakenzahn entfernt!“, jammert ein zahnleidender Mensch im Internet. Das schönste Beispiel für eine missverständliche Vokaldehnung war am 7. Mai auf „Spiegel Online“ zu finden: „In Beiräten großer Unternehmen verdienen Politiker staatliche Honorare – fraglich ist nur wofür“, hieß es dort. Fraglich ist vor allem, ob es statt staatlich nicht stattlich hätte heißen müssen. Darum habe ich bei den Kollegen nachgehackt, und prompt wurde dem Spuck ein Ende bereitet.

(c) Bastian Sick 2005


Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 3“ erschienen.

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