Sprachliche Unsicherheiten und Fehler sind menschlich. Im Alltag sind sie daher verzeihlich. In der Werbung hingegen sind sie nichts anderes als ein Zeichen mangelnder Professionalität.
Beim näheren Betrachten einer Shampoo-Flasche der Marke „Pantene Pro-V“ entdeckte ich den Hinweis „Für zu Schuppen neigendem Haar“. Das machte mich stutzig, zumal es sich um eine äußerst gewagte Konstruktion mit zwei aufeinanderfolgenden Präpositionen handelte. Von solchen grammatischen Kapriolen sind viele Menschen überfordert. So offenbar auch die Werbetexter von Pantene Pro-V, die sich prompt vom Dativ in die Irre führen ließen. Richtig hätte es heißen müssen: „Für zu Schuppen neigendes Haar“, denn die Präposition „für“ erfordert den Akkusativ, egal ob ein Shampoo „für seidiges Haar“, „für strapaziertes Haar“ oder „für von Spliss geplagtes Haar“ ist. Der Grammatikfehler auf der Shampoo-Flasche symbolisiert den Spliss unserer Werbekultur.
In der Werbung wird sehr viel Wert auf Gestaltung gelegt, aber immer weniger Wert auf sprachliche Genauigkeit. Dabei ist die Sprache ein wichtiges Werkzeug der Werber, und in der Beherrschung seiner Werkzeuge spiegelt sich die Professionalität eines Menschen.
Dass Rechtschreibkenntnisse in der Werbung heute alles andere als selbstverständlich sind, beweist auch die jüngste Kampagne für „Axe“, die einen Effekt „FÜR’S HAAR“ verspricht und dabei einen Apostroph verwendet, der schon seit Langem als falsch gilt. Vielen dürfte neu sein, dass man sich Axe jetzt auch in die Haare schmieren kann. Für die Werbetexter von Axe schien hingegen nicht bekannt zu sein, dass man bei Verschmelzungen der Präpositionen „in“, „an“, „auf“ und „für“ mit verkürztem „das“ keinen Apostroph benötigt: Die Schreibweisen „ins“, „ans“, „aufs“ und „fürs“ sind schon seit hundert Jahren Standard. Dass man den Apostroph dort trotzdem immer wieder antrifft, liegt nicht an irgendeinem Reformchaos, sondern an mangelnder Sachkenntnis der Texter. Ein Blick in den Duden oder auf Wikipedia hätte genügt, um diesen Fehler zu vermeiden. Nun kann man vielleicht sagen: Das ist doch Pillepalle, das Häkchen ist völlig unerheblich, es macht die Werbebotschaft ja nicht unverständlich. Aber hier geht es nicht „um’s“ Schönreden, sondern ums Prinzip: Bei Werbekampagnen steht in der Regel viel Geld auf dem Spiel. Der falsche „EFFEKT FÜR‘S HAAR“ war deutschlandweit über viele Wochen auf den teuersten Werbeflächen plakatiert. Den Hersteller dürfte das ein Vermögen gekostet haben. Da kann man professionelle Arbeit erwarten. Wenn ein Arzt ein Medikament verschreibt, erwarten wir doch auch, dass er genau weiß, was dieses bewirkt, und nicht nur ungefähr. Von jedem Handwerker verlangen wir absolute Sorgfalt beim Ausführen einer Reparatur, andernfalls bezahlen wir nicht. Von jedem Obsthändler erwarten wir kontrollierte Ware, sonst kaufen wir woanders. Genauso sollte man von einem Werbetexter erwarten können, dass er seine Wortwahl kontrolliert – zum Beispiel mit einem Blick ins Wörterbuch. Nur Amateure verlassen sich aufs Rechtschreibprogramm. Profis überprüfen selbst!
Geradezu ironisch erscheint der Umstand, dass das „Axe“-Plakatmotiv ohne den falschen Apostroph auch in grafischer Hinsicht besser ausgesehen hätte, zumal in der zweiten Zeile dann zwei Wörter gleicher Zeichenlänge gestanden hätten: „FÜRS HAAR“ ist optisch ausgewogener und hätte dem Plakat mehr Ästhetik verliehen als die von einem Häkchen durchbohrte Version.
Auch die Kampagne für die Zigarettenmarke „American Spirit“ dürfte viel Geld gekostet haben. „Rauchen, was die meisten denken, dass sie rauchen“ heißt es dort reichlich verschwurbelt – und grammatisch entstellt. Statt der Konjunktion „dass“ wäre nämlich das Relativpronomen „das“ richtig gewesen. Denn die Tatsache, dass Raucher rauchen, steht außer Frage. Vielmehr geht es hier doch wohl um das Kraut, welches (also: das) sie rauchen.
Auf einer anderen Shampoo-Flasche von Pantene Pro-V (diesmal „Color Protect & Volumen“) fragt mich der Hersteller: „SIE HABEN: Coloriertes oder gesträhntes Haar, das geschädigt ist UND ohne Volumen? SIE MÖCHTEN: Coloriertes oder gesträhntes Haar, das geschädigt UND ohne Volumen ist?“ Die Antwort lautet selbstverständlich „Nein“, und so stelle ich die Flasche seufzend zurück ins Regal.
Vielleicht ist die Zeit reif für ein wirksames Pflegemittel „Für zu Fehlern neigendes Deutsch“? Damit müsste man in diesem Land Millionen verdienen können!
(c) Bastian Sick 2012
[Bilderstrecke: Wenn die Werbung Spliss bekommt …]
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 5“ erschienen.