Wenn ein Lied von Helene Fischer zur Nummer eins wird, ist es dann ein »Nummer eins Hit«, ein »Nummer eins-Hit« oder ein »Nummer-eins-Hit«? Wenn nach ihr irgendwann einmal ein Stadion benannt wird, ist es dann das »Helene Fischer Stadion«, das »Helene Fischer-Stadion« oder das »Helene-Fischer-Stadion«? Obwohl die Regeln hierzu eindeutig sind, wird der Gebrauch des Bindestrichs immer unverbindlicher.
Zwei Euro, zehn Kilometer und hundert Gramm werden jeweils in zwei Wörtern geschrieben, das ist sonnenklar. Doch wenn die zwei Euro, die zehn Kilometer und die hundert Gramm als Bestimmung vor ein Hauptwort treten, dann sieht die Sache anders aus. Dann nämlich geben sie ihre Eigenständigkeit auf und gehen mit dem Hauptwort eine Verbindung ein, und ein neuer Begriff entsteht: Eine Münze mit einem Wert von zwei Euro ist eine »Zwei-Euro-Münze«, ein Lauf über zehn Kilometer ist ein »Zehn-Kilometer-Lauf« und eine Packung, die hundert Gramm enthält, ist eine »Hundert-Gramm-Packung«.
Den Regeln unserer Rechtschreibung gemäß wird der neu entstandene Begriff durchgekoppelt, das heißt: Alle Teile werden mit Bindestrichen verbunden. Wenn man Ihnen also statt einer Zwei-Euro-Münze eine »Zwei Euro-Münze« oder eine »Zwei Euro Münze« anbietet, können Sie sicher sein, dass es sich um eine Fälschung handelt oder zumindest um eine Falschschreibung.
Man kann diese Wortverbindungen übrigens auch zusammenschreiben: Zweieuromünze, Zehnkilometerlauf, Hundertgrammpackung. Das Deutsche zeichnete sich immer schon durch seine Befähigung zur Langwortkomposition aus. Wenn man sich jedoch entscheidet, das Zahlwort in Ziffern darzustellen, muss man bei Bindestrichen bleiben: 2-Euro-Münze, 10-Kilometer-Lauf, 100-Gramm-Packung.
Wann immer aus zwei unverbundenen Teilen (A B) durch Hinzufügen eines dritten (C) ein neuer Begriff entsteht, tritt die »Drei-Komponenten-Regel« in Kraft, und aus A B plus C wird A-B-C.
Das Rennen der Formel 1 wird zum »Formel-1-Rennen«, die Belegung der Station 10 wird zur »Station-10-Belegung« und die Bewohner des Hauses in der Dorfstraße 17 werden zu den »Dorfstraße-17-Bewohnern«.
Wenn ich im Supermarkt einen Joghurt mit Aloe vera kaufe, dann ist es ein »Aloe-vera-Joghurt«, auch wenn das Etikett behauptet, es sei ein »Aloe Vera Joghurt«. Und wenn ich an einem Sportclub mit der Aufschrift »Kung Fu Schule« vorbeigehe, weiß ich, dass es sich in Wahrheit um eine »Kung-Fu-Schule« handelt. Wer sich um eine Sozialwohnung bewirbt, der braucht keinen »Paragraf 5-Schein« oder »§ 5-Schein, sondern einen »Paragraf-5-Schein« oder »§-5-Schein«, denn es wäre paradox, wenn ausgerechnet Paragrafen von der Regel ausgenommen sein sollten. Manchmal kann das Fehlen der Bindestriche sogar zu Missverständnissen führen. An einer Bar las ich mal den Hinweis »Oben ohne Bedienung« und fragte mich, ob das wohl bedeutete, dass man im ersten Stock nicht bedient wurde.
Die Drei-Komponenten-Regel gilt auch dann, wenn Namen im Spiel sind: Ein Roman von Max Frisch ist ein Max-Frisch-Roman, eine Tasche von Coco Chanel eine Coco-Chanel-Tasche und eine nach Konrad Adenauer benannte Straße eine Konrad-Adenauer-Straße. Und wenn die Person noch einen Doktortitel besitzt oder ein »von« im Namen trägt, dann werden auch diese Zusätze mit Bindestrich verbunden: Dr.-Julius-Leber-Straße, Bettina-von-Arnim-Bibliothek, Freiherr-vom-Stein-Gymnasium.
Was für dreigliedrige Zusammensetzungen gilt, gilt selbstverständlich ebenso für Zusammensetzungen aus vier, fünf oder mehr Komponenten, wie die Rafael-van-der-Vaart-Autogrammkarte oder die Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gedenkmünze.
Im Englischen gibt es diese Regel nicht, da stehen alle Glieder einer Verbindung unverbunden nebeneinander. Der größte Flughafen New Yorks heißt auf Englisch »John F. Kennedy International Airport«.
Wenn sich hierzulande mittlerweile immer mehr Einrichtungen, die nach Personen benannt worden sind, durch fehlende Bindestriche auszeichnen, so ist dies zweifellos mit der Dominanz des Englischen zu erklären. Da bei Schreibweisen von Namen ein starker Trend zu internationaler Vereinheitlichung besteht, wird der Bindestrich bei Namenszusammensetzungen eines Tages vielleicht ganz verschwunden sein, und wir spazieren fröhlich durch die bindestrichlose »Günter Grass Straße« zum »Marcel Reich Ranicki Platz«, besuchen das »Loki Schmidt Museum«, holen unsere Kinder von der »Richard von Weizsäcker Schule« ab und fahren zum Rockkonzert ins »Helene Fischer Stadion«.
Vorerst aber gelten die deutschen Regeln zur Zusammenschreibung noch, und sie gelten auch für Zusammensetzungen, an denen Namen und Wörter aus anderen Sprachen beteiligt sind. Darum wird der Marathon in New York im Deutschen zum »New–York–Marathon«, die Besteigung des Mount Everest zur »Mount–Everest–Besteigung« und das Endspiel der Champions League zum »Champions–League–Endspiel«.
Englisch ist die völkerverbindende Sprache Nummer eins, Deutsch aber ist die wörterverbindende Nummer-eins-Sprache.
Beispielbilder: Drei-Wort-Zusammensetzungen (mal richtig, mal falsch)
Weiteres zum Thema:
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Diesen Beitrag empfehle ich dringend auch dem Robert Koch-Institut (RKI), welches meint, sich über diese deutsche Rechtschreibregel hinwegsetzen zu müssen. Hat wohl noch nie was von Hygiene in der deutschen Sprache gehört?
Balsam für die Seele, danke!!! Vielleicht gehe ich ab sofort doch nur noch mit dem Rotstift in der Tasche spazieren …
Schön zu wissen, wie es sein müsste. Aber ich wette, der Deutschen Post ist es z. B. egal, ob die Bindestriche da sind oder nicht. Wäre dies nicht so, würden manche Leute es wohl merken.
Ich begutachte jedes Jahr eine Reihe von Vorträgen für eine wissenschaftliche Konferenz und bin immer wieder überrascht, wie häufig die Bindestriche vergessen oder falsch gesetzt werden, und das von Referenten, die alle Abitur gemacht und studiert haben. Die Drei-Komponenten-Regel wird offensichtlich in der Schule nicht mehr gelehrt, was den Schluss nahelegt, dass die Deutschlehrer sie selbst nicht kennen oder Fehler der Schüler nicht korrigieren. Ich hoffe, dass die Deutschlehrer Ihren Newsletter (Neuigkeiten-Brief?) lesen und auf die Fehler ihrer Schüler im Gebrauch der deutschen Sprache achten.
Ob Abiturient oder Kollege mit den neudeutschen Bachelor- oder Master-Abschlüssen: Die Rechtschreibschwäche ist nicht nur in sog. bildungsfernen Schichten allgegenwärtig. Das zeigt sich nicht nur bei der Setzung von Bindestrich oder Komma, sondern meiner Erfahrung nach insbesondere bei der Ignorierung des ß. Wie oft werde ich da freundlich gegrüsst oder soll glauben, dass jemand in der Hauptstrasse wohnt.
Ist der „New York Marathon“ nicht ein Eigenname, den ich im Deutschen übernehme und somit genau so schreibe, wie er im amerikanischen benannt wurde?
Nun, das mit mir befreundete Fränkische-Schweiz-Museum besteht darauf, dass es „Fränkische Schweiz-Museum” heißen muß, weil „Fränkische Schweiz” ein Eigenname ist, und beruft sich für diese Regel auf den Duden. Und jetzt?
Werter Herr Göttlinger,
welche Ausnahmeregel sollte das sein? Helene Fischer ist ja auch ein „Eigenname“. Die Kopplung gilt für alle Komponenten gleichermaßen.
Aber auch die Argumentation des mit Ihnen „befreundeten“ Museums ist wenig logisch. Gerade weil „Fränkische Schweiz“ als Wortpaar untrennbar zusammengehört, braucht es bei der Erweiterung zwingend den Bindestrich. Ansonsten legt man die Vermutung nahe, es gebe ein fränkisches Schweiz-Museum und daneben noch andere Schweiz-Museen, beispielsweise ein niederbayerisches oder oberpfälzisches. Ganz zu schweigen von der eigentlichen Schweiz, wo es sicher jede Menge Schweiz-Museen gibt. Um zu zeigen, dass etwas inhaltlich zusammengehört, ist ein Leerzeichen eher untauglich.
Stimmt, durch den Bindestrich wird aus zwei Wörtern eines, womit das dritte im Bunde quasi abgekoppelt ist. Also genau das Gegenteil von dem, was eigentlich beabsichtigt war. Freilich zeigen in all diesem Konstrukten ja auch noch Großbuchstabe und Beugung, daß es sich beim abgekoppelten Element keineswegs um ein Adjektiv handelt (sonst würde es ja fränkisches Schweiz-Museum heißen), das macht es wieder leichter, das Wesen des Ausdrucks zu erfassen. Richtiger wird es davon aber auch nicht.
Wie wahr… Wenn ich sehe, was in unserem Unternehmen von Akademikern an „Deppenleerzeichen“ verbrochen wird, kann einen schon das kalte Grausen packen. Vielleicht kommt es daher, dass viele von ihnen an der Tübinger „Eberhard Karls Universität“ (sic!) studiert haben.
Im Übrigen würde ich mit Wolf Schneider für „Nummer-1-Hit“ plädieren, denn „Eins“ ist keine Nummer, wohl aber „1“.
Wat bin ich froh, dat ich im Ruhrpott lebe. Wir machen uns um so wat keinen Kopp: bei uns heißt dat einfach „die Helene Fischer ihr Stadion“.
Hallo Herr Sick,
eine der offensichtlich vielen Bildungseinrichtungen, die korrekte Rechtschreibung wohl eher als Sekundärtugend betrachten, ist auch die „Erich Kästner-Schule“ in Bochum.
Auffällig ist auch, dass Teams heutzutage doch ziemlich zerrissen sind: Als ich einmal eine E-Mail vom „Sky Team“ des Pay-TV-Senders erhielt (und durch den Schauspieler Sky du Mont von dem entsprechenden Vornamen wusste), begann ich meine Antwort mit den Worten „Sehr geehrter Herr Team“. Dies führte zwar erwartungsgemäß nicht zu einer Reaktion von Sky, aber doch zu etwas Belustigung unter Bekannten.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Glanert
Hmmm … wie könnte es denn eines Tages einen »Marcel Reich Ranicki Platz« geben, wenn es doch nur einen Marcel Reich-Ranicki gibt? Der schreibt sich immer mit Bindestrich, also kann man ihn doch nicht plötzlich wegfallen lassen 😮 … sogar in den USA heißt er Reich-Ranicki, so dass keiner auf die Idee käme, ausgerechnet »Reich« wäre sein zweiter Vorname :-O
Es gibt sogar Gymnasien, die die Drei-Komponenten-Regel nicht kennen oder sich bewusst darüber hinweg setzen. Beispiel: „Otto Hahn Gymnasium“, Saarbrücken. Auf der Homepage dieses Gymnasiums findet man nicht nur diese Schreibweise, sondern auch die Mischform „Otto Hahn-Gymnasium“.
Auch die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt sollte den Artikel einmal lesen, insbesondere der Fachbereich Germanistik.
Hallo, Herr Sick,
als passionierter Nordsee-Urlauber interessiert mich im Zusammenhang mit der Drei-Komponenten-Regel Ihre Meinung zum Namen der Gemeinde St. Peter-Ording, deren – selten zu findender – voll ausgeschriebener Name „Sankt Peter-Ording“ lautet. Historisch geht der Name der Gemeinde auf den anno 1967 vollzogenen kommunalen Zusammenschluss der Orte Ording und St. (Sankt) Peter zurück. Folge ich Ihrer Argumentation, wurde damals wohl ein Fehler begangen – denn korrekterweise hätte der Gemeindename nach der Fusion doch „Sankt-Peter-Ording“ bzw. „St.-Peter-Ording“ geschrieben werden müssen, oder?
Sehr guter Artikel, aber davon scheint die Humbold-Universität zu Berlin auch nichts zu wissen. Deren Gebäude in Adlershof tragen zum Beispiel die Namen „Erwin Schrödinger-Zentrum“ oder „Walther Nernst-Haus“. Merkwürdig.
Lieber Zwiebel Fisch!
Herzlichen Glück Wunsch zum 50. Geburt’s Tag und alle’s gute für’s neue Leben’s Jahr!
(nur Spaß… :-))
Arnd
Wie ist die Drei-Komponenten-Regel denn anzuwenden, wenn der Wert als Ziffer und die Einheit mit ihrem Kürzel geschrieben wird?
Schreibt man dann 10-km-Lauf?
Wird aus einer Hochspannungsleitung, die mit 380 kV betrieben wird, eine 380-kV-Hochspannungsleitung?
Ganz genau so ist es, liebe Doris.
Lieber Zwiebelfisch,
vielen Dank für diesen Beitrag. Immer wieder stellt es mir im Alltag zu diesem Thema die Nackenhaare auf.
Die selbigen rührten sich allerdings auch in Ihrem Beitrag, im vorletzten Absatz: Wieso sind denn da plötzlich die Wörter durch Gedankenstriche verbunden??? So kenn‘ ich Sie gar nicht …
Völlig fassungslose Grüße 😉
und wer hat meinen Apostroph umgedreht? (So kenn‘ ich Sie gar nicht)