Sonntag, 20. Oktober 2024

Eine Klobrille namens Maren

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Die drollige Sprache des Ikea-Konzerns kommt bei den meisten Kunden gut an. Doch das familiäre Knuddelimage ist kein liebenswerter Zufall, sondern knallhart kalkuliert. Manchmal geht der Marketingabteilung aber auch etwas daneben. Besonders bei einem Produkt erwies sich die frisch-fröhliche Namensgebung als buchstäblicher Griff ins Klo.

Am vergangenen Samstag war ich mal wieder bei Ikea. Eine tolle Idee, auf die außer mir nur ungefähr 10.000 andere Hamburger gekommen waren, sodass ich die 600 Meter von der Autobahnabfahrt bis auf den Ikea-Parkplatz in einer Rekordzeit von 45 Minuten schaffte.

Frischen Mutes kämpfte ich mich in die Markthalle vor, prüfte »Färgrik« und »Snöfint« in der Geschirrabteilung, musterte »Torva« und »Len« in der Bettenabteilung und begrüßte »Knipsa« und »Moppe« in meiner Lieblingsabteilung »Ordnen und Verstauen«. Ich schob meinen Einkaufsgeländewagen bereits in Richtung »Kassa-Slanga«, als es mir beim Anblick eines alltäglichen Gebrauchsgegenstands plötzlich den Atem verschlug. Weder seine ovale Form noch seine weiße Farbgebung war außergewöhnlich. Das Besondere war der Name, der an dem Gegenstand prangte: »Maren«. Ein ausgesucht schöner Name. Ein Name, mit dem ich Gesichter und Erlebnisse verbinde. Und welchen Gegenstand zierte dieser Name hier in der Markthalle von Ikea? Einen Toilettensitz!

Ich machte sogleich ein Foto und schickte es meinen Freunden Philipp und Maren. »Nach Frauen hat man Rosen benannt, Modemagazine, Schiffe, Automodelle und Wirbelstürme«, schrieb ich dazu. »Bei Ikea müssen Frauen nun auch für Toilettendeckel herhalten!«

Kurz darauf rief Philipp mich an: »Kannst du mir einen mitbringen? Möglichst einen mit aufgedrucktem Namen und Preis, 7,99, wie auf deinem Foto!« – »Was hast du damit vor?«, fragte ich argwöhnisch. Philipp seufzte: »Ich werde meiner Liebsten täglich vor Augen halten, wie zweckorientiert und preiswert eine Maren sein kann!«

Maren selbst fand die Sache weniger witzig, und ich konnte sie verstehen: Wer will schon heißen wie ein Toilettensitz von Ikea?

Meiner Meinung nach geht das schwedische Möbelhaus etwas zu weit in seinem zwanghaften Bestreben, jedem Produkt einen Namen zu geben. Wenn ein Regal Billy oder ein Stuhl Stefan heißt, geht das noch in Ordnung. Doch Mülleimer und Toilettensitze brauchen keine Namen. Jedenfalls keine menschlichen.

Dass ein Wischmopp »Lödder« heißt, ist noch annehmbar, zumal »lödder« kein Vorname ist, sondern das schwedische Wort für Seifenschaum. Auch dass es mal eine Klobürste namens »Viren«gab, ist aus hygienischen Gründen nachvollziehbar.

Ikea_WC-Burste_Viren_2

In einer Verlautbarung der Marketingabteilung kann man erfahren, dass hinter der Namensvergabe bei Ikea ein System steckt. So werden Gartenmöbel immer nach schwedischen Inseln benannt, Sessel und Sofas nach Städten und Badezimmerartikel nach Flüssen und Seen. Für Leuchten werden Begriffe aus der Chemie und der Musik verwendet, praktische Möbel wie Stühle, Regale und Tische tragen Männernamen, während Stoffe und Gardinen Frauennamen tragen. Das klingt nach einem inzwischen doch recht überkommenen Rollenverständnis. Dessen ist man sich vielleicht auch bei Ikea bewusst geworden und hat sich vorgenommen, künftig nicht nur Flatterhaftes und Farbenfrohes nach Frauen zu benennen, sondern auch mal was Praktisches, Grundsolides. Warum man ausgerechnet mit einem Klodeckel anfangen musste, wird mir allerdings ein Rätsel bleiben.

Knodd – so wie der Mülleimer heißt – ist vermutlich eher ein knörziges, knuddliges Fantasiewort als ein real existierender Männername. Ich kenne jedenfalls niemanden, der Knodd heißt. Warum hat man dann nicht auch beim Toilettensitz einfach die Fantasie walten lassen? Hula, Loping, Guggiluggi, Brillehus, Konigskring, Pipiklappa – all das wären passende und (mehr oder weniger) wohlklingende Fantasienamen für eine Klobrille gewesen. Ist Ikea die nötige Fantasie womöglich ausgegangen?

Maren ist ein klangvoller Name und hat Besseres verdient, als auf einem Klodeckel zu landen. Er stammt vom lateinischen »marinus«, und das bedeutet »am Meer lebend« – und nicht etwa »hinfortgespült«.

Wer Utensilien, die zur Entsorgung von Unrat und Ausscheidungen vorgesehen sind, menschliche Vornamen gibt, zieht sich nur Ärger zu. Philipps Freundin Maren spielt bereits mit dem Gedanken, sich über Facebook mit anderen Marens zu einer Sammelklage gegen Ikea zu verabreden. Zuzutrauen ist ihr das wirklich, und sei es auch nur, weil sie darauf spekuliert, von Ikea mit einem großzügigen Einkaufsgutschein abgefunden zu werden. Für noch mehr Knodd, Knipsa, Lödder, Bröllop, Färgrik, Torva und Snöfint.

(c) Bastian Sick 2013


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