Montag, 18. März 2024

Frohes (N/n)eues Jahr!

Da wir bereits mitten im Januar sind, mag es vielleicht zu spät sein, Ihnen allen ein frohes neues Jahr zu wünschen. Lassen Sie mich dennoch ein paar Worte über das neue Jahr verlieren, genauer gesagt über das Wort »neue« im »frohen neuen Jahr«. Das konnte man nämlich bis vor ein paar Jahren nur kleinschreiben. Schließlich ist es ein Adjektiv. Doch seit 2017 ist es erlaubt, das »neue« im »frohen neuen Jahr« großzuschreiben. 

Wer nämlich geglaubt hat, die Rechtschreibreform sei seit 2006 endgültig abgeschlossen, der befindet sich im Irrtum. Zwar bestand die Rechtschreibkommission, die für die Änderungen verantwortlich war, nur bis 2004, doch wurde sie danach vom »Rat für deutsche Rechtschreibung« abgelöst. Und der hat seitdem immer wieder neue Änderungen beschlossen, von denen die überwältigende Mehrheit der Deutschen allerdings kaum etwas mitbekam.

So wurde 2017 außerdem beschlossen, den Großbuchstaben Eszett zuzulassen. Er sieht aus wie ein Mittelding zwischen dem kleinen ß und dem großen B, nämlich so: ẞ. Aus »Quatsch mit Soße« wird in Versalien nun »QUATSCH MIT SOẞE«. Es wird aber noch eine ganze Weile dauern, bis das große Eszett auf allen Tastaturen zur Verfügung steht. Vorerst jedenfalls darf man das Eszett weiterhin zu Doppel-S auflösen und »QUATSCH MIT SOSSE« schreiben. Der ostdeutsche »Duden« aus Leipzig hatte schon in den 60er-Jahren versucht, das große Eszett zu etablieren, und war als »Der GROẞE DUDEN« erschienen. Aber damals war die Zeit wohl noch nicht reif dafür.

Manches wurde vom Rechtschreibrat auch still und leise wieder einkassiert. Die 1996 eingedeutschten Schreibweisen »Ketschup«, »Joga« und »Wandalismus« wurden 2016 wieder für ungültig erklärt. Auch die bereits seit Jahrzehnten zulässige Schreibweise »Majonäse« wurde gestrichen. Was eben noch richtig, war nun null und nichtig. Das »Necessaire« durfte man seit 1996 »Nessessär« schreiben – seit 2016 darf man’s nicht mehr. Offenbar haben zu wenig Menschen davon Gebrauch gemacht. (Vermutlich weil die wenigsten wissen, was ein Necessaire überhaupt ist, und wer es weiß, der wusste eben auch immer schon, wie es geschrieben wird, und brauchte die eingedeutschte Form nicht.) Am nicht weniger komplizierten Wort »Accessoires« haben die Reformer von 1996 übrigens nichts geändert. (Da hat man wahrscheinlich gar nicht gewusst, wo man anfangen soll.) Dafür brauchte man später auch nichts zurückzunehmen. Von meinen Lesern bekomme ich dennoch immer mal wieder Fotografien von Ladenschildern geschickt, auf denen »Accessuar’s« oder »Assessouarts« angeboten werden.       

Jetzt darf man also das »neue« im »neuen Jahr« großschreiben – mit der Begründung, dass das »Neue Jahr« von vielen offenbar als ein feststehender Begriff angesehen wird. Man könnte zwar dagegenhalten, dass das »Neue Jahr« doch jedes Jahr ein anderes ist, wie kann es da feststehend sein? Aber wir wollen mal nicht kleinlich sein. 

Was ein feststehender Begriff ist, entscheiden schließlich immer noch wir alle. Vermutlich wird man auch bald das kleine »willkommen« in »Herzlich willkommen!« großschreiben dürfen, weil das ohnehin schon sehr viele so machen. Der Drang zur Großschreibung lässt sich nur schwerlich unterdrücken. Freuen Sie sich daher schon jetzt schon auf meine Nächste Neue Kolumne!    

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3 Kommentare

  1. Lieber Zwiebelfisch,
    in dem Beitrag „Frohes (N/n)eues Jahr!“ ist mir der Satz: „Das »Necessaire« durfte man seit 1996 »Nessessär« schreiben – seit 2016 darf man’s nicht mehr“ aufgefallen und hat die Frage aufgebracht, ob ein Apostroph bei „man’s“ korrekt sei. Ist es nicht so, dass durch die von Ihnen in dem Beitrag beschriebenen Rechtschreibreformen das Setzen eines Apostrophs überflüssig machen?
    Viele Grüße
    Georg

    • Das wäre mir neu. Man setzt, soweit ich weiß, keinen Apostroph bei Verschmelzungen von Präpositionen und Artikeln („aufs“, „fürs“, vgl. „beim“ und „im“); bei Verschmelzungen mit „es“ kann man meines Wissens einen Apostroph setzen. Ich mach’s auf jeden Fall. 😉

      Ansonsten ein interessanter Artikel! Ich habe jetzt schon so oft „Neues Jahr“ und „Herzlich Willkommen“ gelesen, dass ich mich schon gefragt habe, ob das so richtig ist: Jetzt hab ich Klarheit.

  2. Guten Abend, Herr Sick,
    vielen Dank für Ihre Ausführungen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung schreibt dazu in seiner aktualisierten Fassung des amtlichen Regelwerks 2016 in § 63 unter Punkt 2.4 „Feste Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv“ als Nachsatz zu (3.2): E4: Bei Funktionsbezeichnungen sowie bei Benennungen für besondere Anlässe und Kalendertage kann großgeschrieben werden, zum Beispiel: der erste/Erste Vorsitzende, der technische/Technische Direktor; die goldene/Goldene Hochzeit, das neue/Neue Jahr. Quelle: https://rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_Regeln_2016_redigiert_2018.pdf . Diverse Foren (korrekturen.de, deutschakademie.de, neue-rechtschreibung.net, korrektor.org, pcs-campus.de) empfehlen ebenfalls die Kleinschreibung des Adjektivs „neues“. Der duden.de bietet seltsamerweise am 28.1.21 nichts dazu an, obwohl er als Argument für die Kleinschreibung von „neues“ zitiert wird (vielleicht habe ich auch nur nicht richtig gesucht).
    Gelungen finde ich Ihr humorvolles Argument „Das »Neue Jahr« ist doch jedes Jahr ein anderes, wie kann es da feststehend sein?“
    Zu Ihrer Aussage „Der Drang zur Großschreibung lässt sich nur schwerlich unterdrücken.“ kann ich nur Sie selbst zitieren: „Was ein feststehender Begriff ist, entscheiden schließlich immer noch wir alle.“ Genau!
    Auf Ihre nächste neue Kolumne bin ich gespannt.
    Viele Grüße
    Uli Wer

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