Montag, 18. März 2024

Pellen oder schälen?

Frage eines Lesers aus Wasserburg (Bayern): Meine Frau und ich haben ein sprachliches Problem. Es geht um pellen oder schälen. Meine Frau, eine echte Schwäbin, schält Bananen und Eier. Ich als Norddeutscher pelle Eier und Bananen. Wie lautet die Regel hierzu? Wir würden das gerne erklärt bekommen.

Antwort des Zwiebelfischs: Der Unterschied zwischen »pellen« und »schälen« ist zunächst einmal ein regionaler. Die Pelle und das davon abgeleitete Verb »pellen« sind nämlich niederdeutsche Wörter, die ihrerseits auf ein altfranzösisches »peler« zurückgehen, das sich aus dem lateinischen Wort »pellis« (Haut, Fell)  gebildet hat. 

Seit dem 12. Jahrhundert ist das Wort »Pelle« im niederdeutschen Sprachgebiet nachweisbar, im 15. Jahrhundert dann auch im Hochdeutschen. Die häufigste Verwendung fand es zunächst bei der Wurst. Was für die einen der Naturdarm oder Saitling, ist für die anderen die Wurstpelle. Mit der Einführung der Kartoffel im 17. Jahrhundert fand das Wort »Pelle« einen weiteren wichtigen Träger.      

Möglicherweise wäre das niederdeutsche Verb »pellen« vom hochdeutschen »schälen« völlig verdrängt worden, hätte sich zwischen den beiden nicht eine semantische Unterscheidung ergeben. Man unterscheidet nämlich bei der Kartoffel das Entfernen der rohen Schale vom Abziehen der gekochten Schale. Rohe Kartoffeln werden geschält, mit Schale gekochte Kartoffeln werden gepellt. (Daher nennt man diese Kartoffeln auch Pellkartoffeln.) 

Die Unterscheidung zwischen rohem Schälen und gekochtem Pellen ist zwar sinnvoll, sie ist jedoch kein in Stein gemeißeltes Gesetz und gilt längst nicht überall. In Österreich werden auch Pellkartoffeln geschält, weil das Verb »pellen« dort keine Verbreitung gefunden hat. Verwandt mit dem Wort »pellen« sind die ähnlich klingenden Verben »pulen« (herausklauben) und »palen« (Erbsen entschoten), die ebenfalls niederdeutschen Ursprungs sind und wohl ebenso wenig bis nach Österreich vorgedrungen sein dürften.  

Einige Menschen glauben, der Unterschied zwischen schälen und pellen liege darin, ob man ein Hilfsmittel (sprich: ein Schälmesser) verwendet oder nicht. Schälen sei das Entfernen der Schale mittels eines Messers, pellen sei die Entfernung mit den bloßen Fingern. 

Das ist aber nur teilweise richtig, denn das Abziehen der Haut bei Pellkartoffeln wird auch dann »pellen« genannt, wenn man dabei ein Messer verwendet – was ich übrigens jedem empfehlen würde, denn selbst nach dem Abschrecken mit kaltem Wasser sind gekochte Kartoffeln noch so heiß, dass man sie nur mit spezieller Pellkartoffelgabel (umgangssprachlich auch Kartoffelpieker genannt) festhalten kann, will man sich beim Abziehen der Pelle nicht die Finger verbrennen.

Die Unterscheidung richtet sich nicht nach dem verwendeten Hilfsmittel, sondern nach der Adhäsion der Schale, das heißt nach ihrer Haftung. Lässt sie sich leicht vom Fruchtkörper abziehen, spricht man, zumindest bei uns in Norddeutschland, von »pellen«. Sitzt sie aber fest und muss heruntergeschnitten werden, so spricht man von »schälen«. 

Rohe Äpfel werden demnach geschält; Bratäpfel hingegen lassen sich pellen. Der Norddeutsche geht noch einen Schritt weiter und wendet »pellen« bei allen Früchten an, deren Schale sich auch im rohen Zustand leicht abziehen lässt. So spricht er zum Beispiel bei Clementinen von »pellen«, weil deren Schale sich mühelos lösen lässt. Das Häuten einer Tomate kann sowohl schälen als auch pellen genannt werden. Meistens wird empfohlen, die Tomaten vorher mit kochendem Wasser zu übergießen, damit sich die Haut vom Fruchtkörper löst. Das wäre dann ein ähnlicher Effekt wie bei der Pellkartoffel und das Verb »pellen« somit berechtigt. Bei Apfelsinen hingegen sitzt die Schale oft fester, sodass man wohl eher von schälen als von pellen spricht. 

Nach dieser Definition müsste man auch bei einer Banane von »pellen« sprechen können, da sich ihre Schale in der Regel widerstandslos abziehen lässt. Dennoch erscheint es mir, obwohl ich selbst Norddeutscher bin, üblicher, bei der Banane von »schälen« zu sprechen. Ich habe auch nie gehört, dass jemand auf einer »Bananenpelle« ausgerutscht sei. Möglicherweise aber sieht das jemand, der mit Platt aufgewachsen ist, anders und sagt auch bei der Banane »pellen«. Im Internet kommt man auf ein paar hundert Treffer (meistens für Rezepte), wenn man »Banane pellen« eingibt. Gibt man »Banane schälen« ein, sind es über 50.000 Treffer.

Auch bei der Zwiebel verwenden viele Rezeptschreiber das Wort »pellen«. Ich halte es hier aber eher mit Günter Grass, dessen 2006 erschienenes autobiografisches Werk nicht »Beim Pellen der Zwiebel« hieß.     

Beim Frühstücksei wiederum verwende auch ich das Verb »pellen«, weil es – wie die Pellkartoffel – gekocht ist. Dass Eier gepellt werden, belegt auch die Redewendung »wie aus dem Ei gepellt« für einen sorgfältig gekleideten Menschen. Aber auch hier wird ein Österreicher wohl »schälen« sagen. 

Übrigens können nicht nur Früchte, Würste und Eier gepellt werden, sondern auch der Mensch. Der hat ja bekanntlich auch eine Pelle, wie sich in der Redewendung »jemandem auf die Pelle rücken« zeigt, die allerdings auch eher norddeutsch ist. So spricht man im Norden Deutschlands vom »Pellen der Haut«, wenn sich durch einen Sonnenbrand verbrannte Haut regeneriert und sich die abgestorbene obere Hautschicht in Fetzen vom Körper ziehen lässt. Im Süden Deutschlands spricht man hingegen auch hier vom Schälen. 

Fazit: »Pellen« ist vor allem im norddeutschen Sprachraum verbreitet und bedeutet »Abziehen der Haut« – ob mit bloßen Fingern oder einem Messer spielt keine Rolle, es kommt lediglich darauf an, ob sich die Schale/Haut abziehen lässt. Muss sie heruntergeschnitten werden, so spricht man von  »schälen«. Nur die Banane legt sich in dieser Frage krumm, aber das liegt bekanntlich in ihrer Natur. 

© Bastian Sick 2021

Zum Thema Norddeutsch:
So schnackt der Norden
Wie lang und breit ist Mecklenburg?

Lesen Sie auch:

Das Wunder des Genderns

Kein sprachliches Thema hat die Gemüter in den letzten Jahren so sehr bewegt und erhitzt …

6 Kommentare

  1. Ralf Andreas Jakobi

    Bei uns in der Pfalz und den angrenzenden Gegenden gibt es sogar noch einen dritten Begriff: Quellen. Hierzulande klingen „Pellkartoffeln” ein wenig zu sehr etepetete, so spricht man im Dialekt von „Gequellten” (Nominativ: „Gequellte”); zu ergänzen sind die „Grumbiere” oder „Grumbeere”*, je nach Region (hergeleitet von „Grundbirne”; bekannter ist natürlich der „Erdapfel”; frz. „pomme de terre”, ndl. „aardappel”, fries. „ierappel”, hebr. תפוח אדמה etc.) Als Verb wird der Begriff auch benutzt: „Ich quell jetzt die Grumbiere/Grumbeere”, wobei dies auch auf den Kochprozeß gemünzt wird, dem der Schäl- oder Pellprozeß folgt.

    *Im Slowenischen, Kroatischen und Serbischen spricht man von „krumpir” resp. „krompir”, weil der Kartoffelanbau von Pfälzern in diese Gegend gebracht wurde, wohl im 17./18. Jahrhundert.

  2. Guten Tag, Herr Sick,

    spannend, was Sie da zusammengetragen haben! Ich hatte den Unterschied zwischen Pelle und Schale bisher für eine Eigenheit des Sprachgebrauchs verschiedener Regionen gehalten – und heute wieder was gelernt.
    DWDS, das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, schreibt zur Etymologie des Wortes Schale: „umschließende Hülle, Hülse’, ahd. -scala“ (Quelle: https://www.dwds.de/wb/Schale; der Besuch der Seite lohnt sich, es gibt viele weitere Wortherkünfte unter anderem aus dem Indogermanischen, Griechischen und Russischen).
    Der feine Unterschied besteht also in der feinen Haut, die auch mit den Fingern abgepellt werden kann, und der Schale, die eher grob mit Hilfsmitteln wie Messer oder Schaber abgeschält wird. Eine prima Eselsbrücke für mich. Danke.

    Schönen Gruß sendet
    Uli Wer

  3. Für das Entfernen der Schale von Citrusfrüchten und Bananen kenne ich (ebenfalls Norddeutscher) auch noch das Wort abpulen. Das kommt vermutlich daher, dass z. B. das Entfernen der Schale einer Orange manchmal einfach eine echte Pulerei ist, wenn die Schale sehr fest sitzt und sich nur in kleinen Stücken entfernen lässt. Und Krabben werden schließlich auch aus der Schale gepult.

  4. Sind Sie das auf dem Photo, Herr Sick?
    Ein Blick in den Dateinamen bestätigt: „1966-07-17-bastian-und-die-kartoffeln-01-2“

  5. Aus meiner Sicht (Berlin) kommt es bei der Unterscheidung zwischen den Trennvorgängen Schälen und Pellen nicht nur auf die Adhäsion der Hülle an, sondern auch auf die Dicke des insgesamt Entfernten. Nur dünne, flächig zusammenhängende Schichten lassen sich pellen, alles andere nicht.
    Beim Pellen muss zudem ein einigermaßen fester Untergrund (eine Gegenfläche) eines homogenen Innenteils verbleiben, beim Schälen nicht.

    Eine Banane hat eine dicke, strukturierte, feste Schale. Wenn genau diese Schale entfernt wird, gibt es nichts weiter zu entfernen. Sie wird geschält.

    Bei einem Apfel wird in der Regel eine dünne Hüllschicht samt einigem Fruchtfleisch entfernt. Dem dicken, komplexen Ergebnis nach wird er geschält.
    Er besitzt eine Schale und keine Haut, weil seine Hülle als stabil und zeitlich starr betrachtet wird. Eine Schale wird meist als tote oder abgestorbene Schutzhülle betrachtet. Eine Haut bedingt aktive Änderungen und ist kurzlebiger. Neueren Erkenntnissen zufolge lassen sich Schalen von Obst doch als aktive Häute betrachten. Es sei denn, man wendet den Begriff Haut bei Lebewesen nur auf Tiere an.
    Der Apfel ließe sich pellen, wenn beim vorsichtigen Abziehen seiner Schale eine Gegenfläche verbliebe. Doch das funktioniert nicht.

    Kartoffeln werden wie Äpfel großzügig samt Innenteilen geschält, auch wenn ihre Hülle als Haut verstanden werden kann. Lediglich bei Pellkartoffeln ist es klar, dass sie gepellt werden.

    Ein Pfirsich hat ebenfalls eine früher zeitlich als starr angesehene Schale. Doch bei ihr lassen sich einer Haut adäquate Funktionen nachweisen. So wachsen beispielsweise Härchen nach, welche das Austrocknen und Platzen der Frucht verhindern helfen (Nektarinen hat man dies abgezüchtet, was uns Menschen hilft, nicht aber der Pflanze). Ein Pfirsich lässt sich daher nicht nur grob schälen, sondern bei großem Geschick auch fein häuten. Pellen lässt er sich aber nicht, weil kein fester Untergrund verbleibt.

    Ein Ei hat sowohl eine enorm feste, starre, dicke Hülle aus Kalk (eine Schale) als auch darunter ein dünnes, flexibles Häutchen (eine Pelle).
    Meist entfernt man beim gekochten Ei die Kalkhülle zusammen mit dem Häutchen. Dann wird das Ei (von außen betrachtet) geschält und gleichzeitig (von innen betrachtet) gepellt.
    Nur wenn das feine Häutchen nachträglich entfernt wird, handelt es sich eindeutig um Pellen.

    Pellen bedeutet für mich: in sehr dünnen, flächig zusammenhängenden Schichten von einem festen Untergrund leicht rundlich abziehen.
    Schälen bedeutet für mich: dicke, starre, flächige Stücken rundlich entfernen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.