Donnerstag, 3. Oktober 2024

Von Abzocke bis Zoff – Jiddische Wörter in der deutschen Sprache

Nachstehende Tabelle enthält – in alphabetischer Sortierung – die rund 60 bekanntesten Wörter jiddischer Herkunft in der deutschen Sprache.

 

Deutsche Wörter jiddischer Herkunft                               Erläuterung                                                                                         
abzocken, abgezockt, Abzocke (die) siehe –> zocken
ausgekocht spitzfindig, schlau, gut vorbereitet; jiddisch kochenem = sich vergewissern, vorbereiten, planen
baldowern, ausbaldowern auskundschaften, aushecken, von jiddisch „baal dowor“ = „Herr der Sache“
Beisel, Beisl (das), Beize (die)  Lokal, einfache Gaststätte, vor allem österr., dort speziell Wiener Kneipe; von jiddisch „bajis“ = „Haus“
betucht wohlhabend, vermögend, glaubwürdig; jiddisch betuch(t) = sicher; aus hebräisch „bạṭûaḥ“
Buhei (auch: Bohei) viel Aufsehen, viel Lärm (um nichts); 

möglicherweise von jiddisch behelo = Schreck

 

Chuzpe, die

Frechheit, Unverfrorenheit, Dreistigkeit, Unverschämtheit; 

jiddisch chuzpo = Unverschämtheit

Daffke (nur in: aus Daffke) Berlinisch: etwas aus Daffke machen = zum Trotz, erst recht, zum Spaß; jiddisch dafke aus hebräisch „dawqạ̄“ = nun gerade
Dalles, der Armut, Elend, Not; im Dalles sein, den Dalles haben = in Nöten sein; von hebräisch „dallûṯ“ = Armut

dufte, töfte  wunderbar, hervorragend, toll; von jiddisch toff(te), taff

 
einseifen jemanden übervorteilen, betrügen; von rotwelsch beseibeln = betrügen, aus jiddisch seiwel, seibel = Mist, Dreck
Ganove, Ganeff, Ganf, der  Dieb, Strauchdieb, von jiddisch gannew

 
Gauner, der ursprünglich: Falschspieler, von jiddisch Jonier = Grieche
Geseier, Geseire, das Gejammer, Gewäsch, wehleidiges Klagen, überflüssiges Gerede
Großkotz, der Angeber, Aufschneider, Prahler, Wichtigtuer; von jiddisch großkozen = schwerreicher Mann, Wichtigtuer; möglicherw. aus hebräisch „qạẕîn“ = Anführer

 

Ische, die Mädchen, junge Frau

 

Kaff, das abgelegene, langweilige Ortschaft, Kuhdorf, Nest; jiddisch kefar aus hebräisch „kĕfạr“ = Dorf
Kaffer, der Dummkopf, blöder Mensch; jiddisch kapher = Bauer, zu hebräisch „kĕfạr“ = Dorf

 

 

Kassiber, der

heimliches Schreiben eines Häftlings an Mithäftlinge oder nach draußen; jiddisch kessaw (Plural kessowim) = Brief, Geschriebenes; aus hebräisch „kĕṯạvîm“ = Schriftstücke
kess flott, frech, schneidig, vorwitzig; jiddisch chess = acht, der achte Buchstabe im hebräischen Alphabet (ch), mit dem „gescheit“ (chochem, kochem -> ausgekocht) beginnt
 

Kies, der

Geld, von hebräisch „kis“ = Beute

 

 

Kluft, die

von hebräisch „qĕlippä“ = „Schale, Rinde“

 

 

Knast, der

Gefängnis, Freiheitsstrafe; jiddisch knas, aus hebräisch „gĕnạs“ = Geldbuße, gerichtliche Strafe

 

 

koscher

 

den jüdischen Speisegesetzen gemäß zubereitet; (umgangssprachlich) einwandfrei; in Ordnung; unbedenklich; aus hebräisch „kạšer“ = einwandfrei,  den jüdischen Speisegesetzen entsprechend

 

Levkoje, die

aus jiddisch lew (= Herz) und goje (= Nichtjüdin), soviel wie „Herz einer Christin“

 

Maloche, die Arbeit, Schwerstarbeit, Schufterei; siehe -> malochen

 

malochen arbeiten, jiddisch melochnen, aus hebräisch „mĕlākā“ = Arbeit
Massel, Masel, der Glück, Erfolg; jiddisch masol = Stern, Himmelszeichen, Glücksstern

 

mauern eine Sache (aus Angst) blockieren, beim Kartenspiel trotz guter Karten  zurückhaltend spielen; von jiddisch mora = Angst, Furcht

 

mauscheln in der Sprache Moses (= Mossele, Mauschele) sprechen, also auf jüdische Art sprechen, für andere nicht verständlich sein; übertragen: sich zum Schaden Dritter heimlich verabreden, betrügen

 

meschugge

 

verrückt, nicht bei Verstand; bekloppt; jiddisch meschuggo von hebräisch „mĕšuga“

 

mies gemein, böse, bösartig, hinterhältig, schlimm, schlecht; jiddisch mis aus hebräisch „mĕ’is“ = schlecht

 

Mischpoke, Mischpoche, die Familie, Verwandtschaft, Sippe, übertragen: üble Gesellschaft; jiddisch mischpocho = Familie; aus hebräisch „mišpạḥạ̈“ = Stamm

 

Moos, das jiddisch moo = Pfennig, Pl. moos, mous = Geld

 

mosern beanstanden, nörgeln, maulen, motzen; rotwelsch mossern = angeben, schwatzen, verraten; von jiddisch massern = denunzieren

 

Nebbich, der

 

unbedeutender Mensch; jiddisch nebbich = armes Ding

 

Pleite, die Bankrott; jiddisch pleto, pletja = Flucht (vor den Gläubigern); aus hebräisch „pĕleṭạ̈“ = Flucht

 

Pleitegeier  

von jiddisch pletja gejer = jemand, der (vor seinen Gläubigern) auf die Flucht geht, sich davonmacht

Reibach, Reiwach, Rebbach, Rewach, der von jiddisch rewach, rewoch = Nutzen, Vorteil, Gewinn

 

Rochus, der Wut, Zorn; Hass; etw. aus Rochus tun, einen Rochus auf jemanden haben; jiddisch roges = Ärger, Zorn

 

schachern handeln, unlauteren Handel betreiben; jiddisch sachern = handeln; Rotwelsch socher = herumziehender Kaufmann

 

schicker, beschickert betrunken, angetrunken, beschwipst, jiddisch schicker aus hebräisch „šikker“ = betrunken machen

 

Schickse, die abwertend für junge Frau; von jiddisch schiksa = die Unreine; aus hebräisch „šeqeẓ“ = Unreines; jiddische Bezeichnung für Christenmädchen

 

Schlamassel, der verfahrene Situation, Dilemma, Kalamität, Misslichkeit; jiddisch schlamassel = Unglück, Pech; Gegenteil von -> Massel, Masel

 

Schmiere stehen  

aufpassen, bewachen; von jiddisch schmiro = Wache, Wächter; aus hebräisch „šạmar“ = bewachen

Schmock, der mögl. von jiddisch schmo = Tölpel, Einfaltspinsel; tauchte erstmals als Name einer Figur in Gustav Freytags Lustspiel „Journalisten“ (1853) auf und wurde zum Synonym für einen gesinnungslosen Zeitungsschreiber, später allgemein für einen unangenehmen Zeitgenossen.
Schmonzes

 

Geschwätz, Gewäsch, Gelaber, Larifari, Unsinn, Zeugs; jiddischschmonzes = Unsinn
Schmu, der Übervorteilung, Unterschlagung, Betrug, Schiebung; jiddisch schmuo = Gerede, Geschwätz; Schmu machen = durch Beschwatzen einen Gewinn erzielen

 

Schmus, der Schmeichelei, leeres Gerede, Geschwätz; jiddisch schmuo (Plural: schmuos) aus hebräisch „šĕmûạ̈“ = Gerücht
schmusen zärtlich sein, streicheln, liebkosen; von jiddisch schmuo (Plural schmuos) = „Gerücht, Gerede, Geschwätz“ über das Rotwelsche in der Bedeutung „schwatzen“, „schmeicheln“, „zugeneigt sein“.

 

schofel, schofelig, schoflig gemein, geizig, jemanden schofel(ig) behandeln; jiddisch schophol aus hebräisch „šạfạl“ = gemein, niedrig

 

Schofel, der 1. schlechte Ware, 2. schlechter Mensch, Rüpel; jiddisch schophel = gemeine Person, Antisemit
Schote, der Dummkopf, Narr, Einfaltspinsel; jiddisch schōte, schaute = Narr; aus hebräisch „šôṭę̈“
Schote, die (zum Spaß) erfundene Geschichte
seiern jammern, wehklagen, von jiddisch gesera; siehe -> Geseier, Geseire
Stuss, der Unsinn, Unfug, dummes Zeug; jiddisch schtus aus hebräisch „šěṭûṯ“ = Unsinn, Torheit
Tacheles, der Tacheles reden = offen reden, Klartext reden; von jiddisch tachlis = Endzweck, Vollkommenheit
Tinnef, der wertloses Zeug, Kram, Plunder; jiddisch tinnef = Schmutz, Kot; aus hebräisch „ṭinnûf“
verkohlen anschwindeln, belügen, veräppeln; aus jiddisch kol = Gerücht, unwahre Geschichte
vermasseln verderben, vereiteln, zunichte machen; von jiddisch -> Massel
zocken jiddisch zchoken = spielen, Glücksspiele machen
Zoff, der Ärger, Streit, Zank; jiddisch (mieser) zoff = (böses) Ende aus hebräisch „sôf“ = Ende

 

Das sind selbstverständlich längst nicht alle deutschen Wörter jiddischen Ursprungs. Es gibt noch zahlreiche weitere, wenngleich die meisten davon heute wohl in Vergessenheit geraten sind. In einigen Fällen wie „schummeln“, „Bammel“ oder „kabbeln“ ist die jiddische Herkunft nicht eindeutig bewiesen.

Wer mehr zu diesem Thema erfahren will, dem empfehle ich die Bücher von Hans Peter Althaus: „Zocker, Zoff und Zores. Jiddische Wörter im Deutschen“,  „Chuzpe, Schmus und Tacheles – Jiddische Wortgeschichten“ sowie „Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft“,  erschienen im Verlag C. H. Beck.

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6 Kommentare

  1. Zum “ P l e i t e g e i e r „:
    Beim Bankrott kam gegelentlich der Gerichtsvollzieher, der auf Wertgegenstände des Schuldners ein Amtssiegel klebte.
    Der darauf abgebildete Reichsadler war dann der Pleitegeier.
    Gegen Kriegsende wurde auch der Hoheitsadler der Wehrmacht als „Pleitegeier“ bezeichnet

  2. Ludwig Hillenbrand

    Zum „Moos“:
    Wer weiß, „wo der Barthel den Most holt“, ist nicht unbedingt ein Kellermeister oder Winzer. Er weiß vielmehr, wo man mit dem „Barsel“, also dem Brecheisen, ans „Moos“ kommt. Auch diese Redewendung kommt aus dem Rotwelschen.
    Und beim „guten Rutsch ins neue Jahr“ wünscht man jemandem keineswegs eine Schlitterpartie in der Silvesternacht. Der gute Wunsch geht zurück aufs Hebräische „Rosch ha-Schna“, und das ist einfach der Anfang des Jahres.

  3. Jede Jugend hat ihre eigene Sprache. Das vergessen wir Alten manchmal, wenn wir uns darüber ärgern, wohin es die deutsche Sprache zur Zeit treibt.

    Wollten wir damals – es war wohl so in den Fünfzigern – etwas Ähnliches ausdrücken wie heute „cool“, dann hieß das „dufte“. Ich bin ganz erstaunt, dass dieses Wort aus dem Jiddischen kommt. Vor allem, wenn ich mir in Erinnerung rufe, zu welcher Zeit das zu unserem Sprachgebrauch gehörte.

  4. In einem Kaff geboren, gelernt Tacheles zu reden, kein solch Schmonzes zu verwenden, Schmugeld von der Mutti zu erhalten, sich nicht schofel gegen Geschwister verhalten, Reibach machen und dabei keinen Stuss zu erzählen, schachern ohne zu mosern, malochen bis du meschugge bis und es nicht vermasseln.
    Ja, da höre ich meine jüdische Mutter reden und bin noch einmal Kind. Geboren 1952 ohne zu wissen, was die Mutter und Großmutter hinter sich hatte.
    Masseltov

  5. Wir machen hierzu gerade ein schulprojekt und danken für die vielen Wörter!

  6. „Beiz“ ist auch in der Schweiz das Standardwort für „Kneipe“ oder „Bar“. Es gibt eigentlich kein anderes.

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