Frage eines Lesers aus Pforzheim: Soeben stolperte ich über diese Überschrift auf „Spiegel Online“: „Silberschatz im Nordatlantik: Erneutes Wrack gefunden“. Ich wusste bisher nicht, dass ein Schiffswrack „erneut“ sein kann?
Antwort des Zwiebelfischs: Bei Schiffen gilt in der Regel: einmal ein Wrack, immer ein Wrack. Der Mensch selbst ist da etwas flexibler: Da kann jemand zum Wrack werden (z. B. durch Alkoholmissbrauch), sich wieder erholen (durch einen Entzug) und abermals zum Wrack werden (durch einen Rückfall). Er wäre dann aber trotzdem kein „erneutes“ Wrack, sondern höchstens „erneut ein Wrack“.
Wenn das Wort „erneut“ attributivisch (d. h. vor einem Hauptwort stehend) gebraucht werden soll, dann geht dies nur mit Hauptwörtern, die aus einem Tätigkeitswort gebildet wurden, denn „erneut“ ist ein Adverb:
die erneute Heilung (von: erneut heilen/geheilt sein)
der erneute Versuch (von: erneut versuchen/versucht haben)
der erneute Absturz (von: erneut abstürzen/abgestürzt sein)
Bei anderen Hauptwörtern geht dies nicht: Der wiedergewählte Kanzler ist zwar erneut Kanzler, aber er ist nicht „der erneute Kanzler“. Ebenso wenig ist wiedergewonnenes Trinkwasser „erneutes Wasser“, und wenn Günter Grass ein neues Buch vorlegt, hat er kein „erneutes Buch“ geschrieben.
Daher gibt es auch kein „erneutes Wrack“, da das Wort „Wrack“ nicht aus einer Tätigkeit abgeleitet ist. (Es sei denn, Sie beharren darauf, „Wrack“ käme von „sinken“!)
Mit herzlichen Grüßen, Ihr Zwiebelfisch
PS: Die Kollegen hatten inzwischen ein Einsehen und haben die Zeile geändert. Jetzt heißt es dort: „Silberschatz im Nordatlantik: Erneut Wrack gefunden“.
Mit erneut herzlichen Grüßen, Ihr Zwiebelfisch
(c) Bastian Sick 2011
Diese Kolumne ist auch in Bastian Sicks Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 5“ erschienen.