Sonntag, 20. Oktober 2024

Was ist „erlaubt“?

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„Erlaubt ist, was gefällt“, sagt der Protagonist in Goethes „Torquato Tasso“ zu seiner Angebeteten. Die hält ihm jedoch entgegen: „Erlaubt ist, was sich geziemt“.

Schon seit Goethes Zeiten (und sicherlich noch viel länger) sind wir hin- und hergerissen in der Frage, was erlaubt ist und was nicht. Ganz zu schweigen von der Frage, was „erlaubt“ überhaupt für ein Wort ist.

Frage zweier Grundschullehrerinnen:

Lieber Herr Sick, wir haben eine Grammatik-Arbeit zum Thema „Wortarten“ geschrieben und wollten, dass die Kinder mit Nomen verwandte Adjektive oder Verben herausfinden.

Unter anderem haben wir das Wort „Erlaubnis“ hingeschrieben, in der Erwartung, dass die Kinder es mit dem Verb „erlauben“ in Verbindung bringen.

Nun schrieb ein Schüler jedoch: „erlaubt“ und meint dazu: „Das ist ein Adjektiv.“

Aus unserer Schulzeit meinen wir uns zu erinnern, dass „erlaubt“ ein Partizip ist, also eine Form des Verbs, was dadurch erhärtet wird, dass es oft heißt, etwas IST erlaubt, also meist verbunden ist mit einem Hilfsverb. Dann aber fiel uns ein, dass es aber auch „erlaubte Lösungen“ gibt. Ist er also doch auch möglich als Adjektiv?

Dagegen spricht wiederum, dass es sich nicht steigern lässt, denn unserer Meinung nach gibt es nicht: „erlaubt – erlaubter – am erlaubtesten“ (*schüttel*).

Am liebsten würden wir dem Schüler natürlich einen Punkt geben, schon weil er uns in wahre Wissensnöte treibt. Aber wirklich wissen wollen wir es auch. Daher bitten wir Sie ganz herzlich, uns unsere Frage zu beantworten: Ist „erlaubt“ nur ein Partizip oder auch ein gültiges Adjektiv? Danke sehr für Ihre Mühe und Hilfe vorab!

Bastian Sick antwortet:

„Erlaubt ist, was gefällt“, sagt der Protagonist in Goethes „Torquato Tasso“ zu seiner Angebeteten. Die hält ihm jedoch entgegen: „Erlaubt ist, was sich geziemt“.

Seit Goethes Zeiten (und sicherlich schon viel länger) sind wir hin- und hergerissen in der Frage, was erlaubt ist und was nicht.

Es stimmt, das „erlaubt“ zunächst ein Partizip ist; genauer ein Perfektpartizip, auf Deutsch „2. Mittelwort“ genannt.

Wie die meisten Perfektpartizipen kann „erlaubt“ auch als Adjektiv gebraucht werden. Adjektive können attributiv (d.h. vor dem Hauptwort stehend) eingesetzt werden, sie müssen gebeugt und können, wenn es sinnvoll ist, gesteigert werden:

das erlaubte Tun; ein unerlaubtes Wort; die erlaubten Wege

Entgegen Ihrer Vermutung ist „erlaubt“ sogar steigerbar, jedenfalls in der verneinten Form:

Auf seinem Weg an die Macht bediente er sich der unerlaubtesten Mittel.

Partizipien werden deshalb „Mittelwörter“ genannt, weil sie hinsichtlich ihrer grammatischen Eigenschaften genau zwischen Verben (Tuwörtern) und Adjektiven (Wiewörtern) stehen, also eine Mittelgruppe zwischen diesen beiden Wortarten bilden.

Nicht alle Perfektpartizipien können als Adjektive gebraucht werden, die von intransitiven Verben (z.B. „schlafen“, „helfen“ oder „dauern“) scheiden aus: Beispiele wie „das geschlafene Kind“, „der von vielen geholfene Umzug“, „die sechs Stunden gedauerte Reise“ gehen nicht.

Das Hauptwort „Erlaubnis“ ist also gleichermaßen mit dem Verb „erlauben“ verwandt als auch mit dem Mittelwort „erlaubt“, welches sowohl verbalen als auch adjektivischen Charakter hat.

Geben Sie dem Schüler den Punkt: Er hat ihn verdient! Allein schon deshalb, weil er in der Lage war, aus „Erlaubnis“ die Form „erlaubt“ zu bilden und in dieser auch noch den adjektivischen Charakter zu erkennen. Das ist mehr, als so mancher Mensch in seinem ganzen Leben über unsere Grammatik lernt! Herzliche Grüße an die gesamte Klasse und weiterhin viel Vergnügen beim Unterrichten!

(c) Bastian Sick 2011

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